Russlands Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, einen Grossteil seiner Truppen aus Syrien abziehen zu wollen. Die Mission des Einsatzes sei erfüllt, mit der Rückzugsankündigung wolle man nun den Friedensprozess voranbringen, sagte er zur Begründung. Möglicherweise spielen aber auch noch andere Gründe eine Rolle.
Es war eine überraschende Ankündigung, parallel zum Start neuer Syrien-Friedensgespräche in Genf.
Russische Streitkräfte rücken ab
Mit Wochenbeginn solle das Hauptkontingent der russischen Streitkräfte in Syrien damit beginnen, aus dem Land abzurücken, verkündete Russlands Präsident Wladimir Putin am Montag in Moskau.
Sein Verteidigungsminister Sergei Schoigu fügte hinzu, man habe eine bedeutende Wende im Kampf gegen den Terrorismus erreicht, "auf syrischem Gebiet wurden mehr als 2.000 Banditen vernichtet, (…) darunter 17 Feldkommandeure".
Die Reaktionen von offizieller Seite auf Putins Ankündigung waren überwiegend positiv, wenn auch etwas skeptisch.
"Wir müssen abwarten, wie umfassend der Abzug und was der zeitliche Rahmen ist", sagte etwa Monzer Machus, der Sprecher des Hohen Verhandlungskomitees (HNC) der Opposition am Montag in Genf.
Es sei aber schon so, dass sich die Lage in Syrien von Grund auf änderte, wenn Russland seine Luftangriffe stoppen würde.
Mission erfüllt - oder doch nicht?
Aber warum genau jetzt? Dazu gibt es verschiedene Deutungen. Eine ist, dass Russland seine eigenen, kurzfristigen Ziele nun erreicht sieht: nämlich, dass der von Russland unterstützte Baschar al-Assad vor dem Sturz bewahrt wurde und man international seinen politischen Einfluss vergrössern konnte.
"Mission erfüllt"? - Diese Begründung Putins kann der Russlandexperte Jens Siegert nicht ganz nachvollziehen: "Wenn er sagt, die Mission sei erfüllt, dann ist das nicht ganz aufrichtig." Eines der Ziele sei ja gewesen, den Terrorismus in Syrien zu bekämpfen, "bis alle Terroristen vernichtet sind".
Da das nicht der Fall sei, gebe es zumindest noch weitere Gründe für die Rückzugsankündigung, so der ehemalige Leiter des Moskauer Büros der Heinrich-Böll-Stiftung und Autor des "Russland-Blog" im Gespräch mit unserer Redaktion.
Einer davon könnte nach seiner Einschätzung sein, dass Russland es jetzt geschafft hat, international - oder genauer gesagt beim Westen - wieder mehr Gehör zu finden und den USA auf Augenhöhe zu begegnen.
Dass die russische Intervention in Syrien da geholfen hat, zeigt auch eine Äusserung von Aussenminister Sergej Lawrow vom Montag. Er sagte, Russland habe immer für einen innersyrischen Dialog plädiert, aber nicht all seine Partner hätten den Wunsch gehabt, sich mit Russlands Vorschlägen zu beschäftigen.
"Mit dem Aktivwerden unserer Luftwaffe hat sich das geändert." Das Ergebnis: "Der Waffenstillstand von Ende Februar wurde de facto zwischen Moskau und Washington ausgehandelt", sagt Jens Siegert.
Kein zweites Afghanistan
Er sieht noch weitere Gründe, die einen Rückzug Russlands aus Syrien zu diesem Zeitpunkt sinnvoll, und vielleicht sogar notwendig, machen würden: "Das militärische Engagement in Syrien ist sehr teuer und Russland wirtschaftlich schwach."
Zudem sei die Zustimmung zur Syrien-Intervention in Russland selbst zwar gross, "allerdings gibt es Befürchtungen, dass man in einen längeren Konflikt - womöglich unter Einsatz von Bodentruppen - hineingezwungen wird und somit ein 'zweites Afghanistan' erleben könnte".
Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass Russland trotz aller Unklarheiten über mögliche Motive ernsthaft am Friedensprozess interessiert ist. "Zumindest ist Putin insofern an ihm interessiert, als er an ihm beteiligt sein möchte", sagt Siegert.
Eine der offenen Fragen ist noch - neben den genauen Modalitäten für den Truppenabzug - wie Putins Ankündigung mit dem kürzlich gemachten Angebot zusammenpasst, im Kampf gegen den "Islamischen Staat" mit den USA kooperieren zu wollen und wie die regionalen Mächte in Syriens Nachbarschaft Putins Rückzugsvorhaben interpretieren werden.
Jens Siegert glaubt, dass sie bei Wladimir Putins Bemühen um den Status quo in Syrien ein Hindernis sein könnten - "zumindest im Verhältnis zu anderen regionalen Mächten, wie dem Iran oder Saudi-Arabien. Diese könnten den Rückzug Russlands als Schwäche auslegen.
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