Der vereinbarte Waffenstillstand in Syrien hat kurze Zeit auf Frieden hoffen lassen. Doch inzwischen gibt es fast stündlich Meldungen über Bombenexplosionen. Wie so oft ist besonders die zivile Bevölkerung betroffen. Wie ist die aktuelle Situation? Wer bombt weiter? Und gibt es noch Hoffnung auf Frieden?

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400.000 Tote, zwei Millionen zerstörte Häuser, elf Millionen Menschen auf der Flucht. Das ist die traurige Bilanz des Krieges in Syrien. Und die Gefechte, die seit 2011 toben, nehmen kein Ende. Bemühungen um eine Lösung und eine dauerhafte Waffenruhe finden statt - doch im Moment scheint das Land tiefer in Chaos und Gewalt abzurutschen als je zuvor.

Wie steht es um die Waffenruhe?

Die Waffenruhe in Syrien steht vor dem völligen Zusammenbruch. Seit der Vereinbarung Ende Februar sollten die Waffen zwischen den Konfliktparteien schweigen. Nur die radikalislamischen Terrormilizen "Islamischer Staat" und die "Al Nusra Front" waren davon ausgenommen. Die syrische Regierung, Russland, die oppositionellen Rebellengruppen sowie die internationale Allianz schienen die Feuerpause zunächst einhalten zu können.

Doch nun kommt es seit Tagen wieder zu Angriffen auf Aleppo und andere Orte Syriens. Dabei handelt es sich offensichtlich nicht um Angriffe auf militärische Ziele. Die Bomben fallen auf Städte, mitten in Wohngebiete. Unzählige Todesopfer sind zu beklagen: Laut den Menschenrechtlern von "Human Rights Watch" sind allein seit vergangenem Freitag 139 Zivilisten ums Leben gekommen.

Erst am Donnerstagnachmittag wurden Dutzende Menschen bei Luftangriffen auf ein Krankenhaus in Aleppo getötet.

Syriens Präsident Baschar al-Assad ging während der Waffenruhe weiterhin gegen den IS und die Al-Nusra-Front vor. Doch Regimegegner werfen ihm vor, auch Rebellengruppen massiv zu beschiessen.

Was macht Russland?

Russland beteiligt sich seit Ende September 2015 mit Luftschlägen an dem Bürgerkrieg. Das russische Verteidigungsministerium gab an, seit der Waffenruhe lediglich die Terrormiliz Al-Nusra-Front zu bekämpfen. Doch Regimegegner werfen auch Russland vor, weiterhin moderate Rebellengruppen im ganzen Land anzugreifen.

Rettungskräfte der syrischen "White Helmets" beispielsweise berichteten der "Bild", dass ihr Hauptquartier im Norden des Landes in der Nacht zum Dienstag von einem russischen Angriff getroffen worden sei.


Währenddessen zieht Russland seit Mitte März Truppen aus dem Bürgerkriegsland ab. Es wird heftig darüber spekuliert, was Kremlchef Wladimir Putin damit wirklich bezwecken will.

Wie mächtig ist Assad?

Syriens Diktator konnte seinen Machtbereich vor allem entlang der Küste und in Zentralsyrien sichern. Die Einmischung Russlands hat den Verlauf des Krieges zugunsten Assads verändert.


Und der IS?

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" ist in den vergangenen Wochen laut US-Geheimdienstberichten stark zurückgedrängt worden. Ausserdem verlor der IS Städte wie Palmyra an die syrische Armee.



Trotzdem gelang es der Terrorgruppe erst diese Woche, mehrere strategisch wichtige Orte in Nordsyrien nahe der türkischen Grenze von Rebellen zurückzuerobern.

Doch obwohl es so scheint, als werde die Miliz innerhalb Syriens insgesamt zurückgedrängt, ist sie länderübergreifend gesehen alles andere als geschwächt: Vor allem Nordafrika ist zunehmend in den Fokus der Terroristen gerückt. So hat sich beispielsweise in Libyen die Zahl der Terrorkämpfer binnen einen Jahres offenbar verdoppelt.

Noch schafft es der IS dort allerdings nicht, so schnell so viele Gebiete zu erobern, wie im noch stärker zerrissenen Syrien.

Was ist mit der zivilen Bevölkerung?

Zu Beginn des Waffenstillstands gingen Meldungen von Syrern um die Welt, die sich das erste Mal seit Monaten auf die Strasse wagten. Die Hoffnung auf ein bisschen Alltag scheint jedoch längst wieder zerstört.

Die UN-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura sagte bei Friedensgesprächen in Genf, dass bei den aktuellen Kämpfen alle 25 Minuten ein Syrer getötet worden sei.

Die katastrophale humanitäre Lage werde zudem noch verschlimmert, da die Rückschritte der Friedensverhandlungen auch die Hilfslieferungen in belagerte Gebiete erschweren. Laut Informationen der Deutschen Presseagentur (dpa) hat das Welternährungsprogramm keinen Zugang zu rund einer Million Menschen.

Ausserdem wird laut UN-Nothilfe-Experte Jan Egeland keine andere Gruppe so unter Feuer genommen wie Ärzte und Sanitäter. Ein katastrophaler Monat stehe bevor.

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