• Noch Anfang Februar demonstrierten Peking und Moskau ihre Einigkeit bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Winterspiele.
  • Nun hat Putin mit dem Angriff auf die Ukraine neue Tatsachen geschaffen und Xi Jinping in die Zwickmühle gebracht.
  • Wovor China jetzt Angst hat und was seine grosse Hoffnung ist.

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China und Russland haben viel gemeinsam: Beide wollen den globalen Einfluss ihres Landes ausweiten, beide haben Furcht vor Demokratiebewegungen, beide sehen die USA als Feind. Wie gut sich die beiden Staatschefs Xi Jinping und Wladimir Putin verstehen, stellten sie zuletzt bei der Eröffnungszeremonie der olympischen Winterspiele unter Beweis.

Da demonstrierten sie nicht nur Seite an Seite ihre Einigkeit, sondern veröffentlichten kurze Zeit später auch ein gemeinsames Statement, in dem sie von einer "neuen Ära" der internationalen Beziehungen sprechen. In ihrer 15-seitigen Erklärung bekräftigen Peking und Moskau, sie lehnten "eine weitere Erweiterung der Nato ab" und forderten das Nordatlantische Bündnis auf, "seine ideologisierten Ansätze des Kalten Krieges aufzugeben".

Rückenwind für Putin

"Das war für Putin viel Rückenwind", bekräftigt auch die Expertin für chinesische Politik, Didi Kirsten Tatlow. China habe Putins Forderungen nach vermeintlichen Sicherheitsgarantien offen unterstützt. Durch die Angriffe auf die Ukraine hat Putin nun aber neue Tatsachen geschaffen – und China damit in eine missliche Lage gebracht. "China befindet sich in einer widersprüchlichen Situation", sagt Tatlow.

Bislang hat Peking die militärischen Angriffe auf die Ukraine nicht verurteilt. Lediglich zur Mässigung hat der chinesische Aussenminister Wang Yi beide Seiten aufgerufen, äusserte Sorge über die Entwicklung. Man solle die "Differenzen durch Dialog" beilegen, so Yi im Telefonat mit dem US-Aussenminister Antony Blinken.

Peking appelliert an Diplomatie

"Diese Äquivalenz-Position sendet aber aus meiner Sicht das klare Signal, dass China eher hinter dem Aggressor steht", sagt Tatlow. Xi Jinping sei ein Komplize von Putin, habe sich zum Verbündeten erklärt. "Es gibt zwar nur einen sogenannten Freundschaftsvertrag und keine formale Allianz, aber im Statement vom 4. Februar wird von grenzenloser Zusammenarbeit gesprochen", erinnert Tatlow.

Tatsächlich sind die beiden Länder in den letzten Jahren enger zusammengerückt. Wirtschaftlich, politisch und strategisch. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte auf der Münchener Sicherheitskonferenz, beide Länder zögen die Herrschaft des Stärkeren der Herrschaft des Rechts vor, die Einschüchterung der Selbstbestimmung und die Nötigung der Kooperation.

Schwieriger Schulterschluss

Aber auf der Münchener Sicherheitskonferenz waren auch andere Töne zu vernehmen: Chinas Aussenminister Wang Yi sagte: "Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität eines jeden Landes sollten geschützt und respektiert werden." Das sei eine der Grundnormen der internationalen Beziehungen – und gelte auch für die Ukraine. Tatlow meint jedoch: "Es bleibt aber unklar, ob diese Aussage mehr als beruhigende Rhetorik für die demokratischen Länder gemeint war."

Mit grundlegender Hilfe aus China dürfte Putin aber weniger rechnen. Das hat mehrere Gründe: Chinas Beziehung zum Westen, Pekings Sorge vor zu viel Aufmerksamkeit für seine Taiwan-Problematik und Misstrauen gegenüber Russland, das die Beziehungen noch immer prägt. Auch, wenn das Verhältnis der Länder im Westen als Schulterschluss wahrgenommen wird – so einfach ist es nicht.

Mehrere Risiken für China

"Die westlichen Sanktionen sind auch für China ein Risiko, welches immer weiterwächst", sagt Expertin Tatlow. Zwar hätten Russland und China kein so grosses Handelsvolumen, wie es eigentlich möglich wäre – aber es wachse. Auch gäbe es ein milliardenschweres Gasabkommen. Steigende Rohstoffpreise könnten indes die Wirtschaft Chinas ausbremsen.

Gleichzeitig ist China der grösste Handelspartner der Ukraine, welche wiederum Partner im Projekt der "Belt and Road Initiative" ist. Aus der Ukraine gehen viele landwirtschaftliche Produkte nach China – Krieg in der Ukraine könnte Lieferungen erschweren, die Preise dürften anziehen.

Sanktionen nach Russlands Kriegsbeginn gegen die Ukraine treffen auch China

"China will Russland zwar unterstützen, aber gleichzeitig nicht selbst zu sehr unter den Sanktionen leiden", analysiert Expertin Tatlow. Weil das Land sich an den Sanktionen des Westens nicht offen beteilige, unterstütze es Russland damit aber indirekt. Ob China die Sanktionen aber deutlich unterlaufen wird, bleibt offen.

Nach dem Einmarsch Russlands auf der Krim hatten mehrere chinesische Staatsbanken Kredite für russische Staatsbanken bereitgestellt, die vom Westen sanktioniert worden waren.

Allerdings erklärte Ned Price, Sprecher des US-Aussenministeriums, bereits jetzt, auch chinesische Unternehmen müssten mit Konsequenzen rechnen, wenn sie versuchen würden, die gegen Moskau verhängten Exportkontrollen zu umgehen.

Sorge vor Blick auf Taiwan

Eine noch grössere Sorge dürfte Xi Jinping derweil umtreiben: "China will nicht, dass die internationale Gemeinschaft zu viele Parallelen zwischen Putins Angriff auf die Ukraine und Chinas Drohungen gegenüber Taiwan zieht", sagt Tatlow. Peking sehe sein Recht, Taiwan zurückzuerobern allerdings als fundamental anders und stärker.

"Putin versucht aus meiner Sicht aber, Chinas historische Argumente zu kopieren, wenn er sagt, dass er quasi ein ewiges historisch und kulturell begründetes Recht auf die Ukraine habe", analysiert Tatlow. Aus Pekings Sicht wäre ein Einmarsch in Taiwan vom Prinzip der Souveränität über das eigene Territorium abgedeckt.

Ukraine als weltweites Symbol

Schon 2014 hätten die Menschen in Hongkong aber sehr genau darauf geschaut, was in der Ukraine passiere, erinnert Tatlow. Bei den Protesten in Hongkong seien immer wieder ukrainische Flaggen zu sehen gewesen.

"Die Hongkonger haben verstanden, dass die Entwicklungen in der Ukraine ein Symbol für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit weltweit sind", so die Expertin. Die Auseinandersetzung sei deshalb weltumspannend.

"Wir sind an einem Wendepunkt im Verhältnis zwischen demokratischen und diktatorisch regierten Ländern angekommen", betont Tatlow. Wenn die Aktionen Putins nun zu sehr an die geforderte Zurücknahme Taiwans erinnerten, lenke das die Aufmerksamkeit auf den Konflikt und könnte die ohnehin fröstelnden Beziehungen zum Westen verschlechtern.

Wirtschaftliche Beziehungen

Für die EU ist China schliesslich der wichtigste Handelspartner, 2020 wurden Waren im Wert von 586 Milliarden Euro gehandelt. Die USA sind wichtigster Exportpartner Chinas. Gleichzeitig ist im Fall von Taiwan, als deren Schutzmacht sich die Amerikaner verstehen, die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Intervention durch die Amerikaner deutlich höher als in der Ukraine.

"Peking beleidigt die Amerikaner mit seinem Verhalten gerade ziemlich. Die Sprecherin des Aussenministeriums in Peking hat gesagt, die USA würden immer wieder Kriegsgefahr schüren. Damit hat sie die USA für die Situation in der Ukraine verantwortlich gemacht", sagt Tatlow.

China hat eine Hoffnung

"China hat sich insgesamt in eine missliche Lage gebracht", sagt Tatlow. Es könne sich nach der gemeinsamen Erklärung mit Putin nicht plötzlich um 180 Grad drehen. "In der nahen Zukunft wird China seinen Weg kaum ändern", ist sich die Expertin daher sicher.

"China setzt nun vielmehr darauf, dass die USA und die NATO international als unzuverlässig und schwach angesehen werden, wenn keine ausreichende Reaktion auf den Einmarsch in die Ukraine erfolgt", sagt sie.

China hoffe, dass die Position des Westens so geschwächt werde – vor allem in den Augen der Ukrainer und Taiwanesen. "Ein solcher Vertrauensverlust könnte China seinen eigenen Weg in Taiwan ebnen", warnt sie.

Über die Expertin: Didi Kirsten Tatlow ist Senior Fellow im Asien-Programm der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Sie forscht, publiziert und hält Vorträge zum politischen System Chinas, seinem Einfluss auf Europa, Technologie- und Welttransfer, demokratischer Sicherheit, Ideologie, Desinformation, Taiwan, Hongkong und dem Indopazifik.

Verwendete Quellen:

  • President of Russia: Joint Statement of the Russian Federation and the People’s Republic of China on the International Relations Entering a New Era and the Global Sustainable Development.
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