Droht eine Eskalation auf der Krim? Nach dem gewaltsamen Tod von zwei Soldaten am Dienstag nehmen die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine weiter zu. Die Hamburger Friedensforscherin und Russland-Expertin Regina Heller erklärt, von welcher Seite die grössten Gefahren ausgehen.
Frau Heller, die Spannungen auf der Krim nehmen zu. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine eskaliert?
Regina Heller: Wenn die Übergangsregierung in Kiew schlau ist, wird sie eine militärische Eskalation mit Russland vermeiden. Präsident Putin hat gestern in seiner Rede, in der er nochmal das Vorgehen auf der Krim erklärt hat, unterstrichen, dass Russland keine weiteren Übergriff auf die Ukraine plant oder auch wünscht.
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Es geht hier erstmal um die Krim. Die Krim ist in Russland symbolisch sehr hoch aufgeladen. Die Tatsache, dass die Krim 1953 von Chruschtschow der Ukraine zugeteilt wurde, wurde in Russland immer als Unrecht angesehen. Ich glaube, dass man jetzt einfach die Schwäche der Übergangsregierung in der Ukraine genutzt hat, um das "historische Unrecht" wiedergutzumachen. Man muss zwischen dem unterscheiden, was Russland auf der Krim macht und was Putin möglicherweise in Bezug auf die gesamte Ukraine plant.
Also glauben Sie nicht, dass Putin auch nach der Ukraine greifen wird?
In seiner Rede hat Putin betont, dass ein weiterer Übergriff in der Ukraine nicht im Interesse Russlands sei. Das grössere Problem ist wohl insgesamt der Umgang mit russischsprachigen Minderheiten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion oder einem Bevölkerungsteil, der sich über die Zugehörigkeit zur russischen Ethnie definiert. Die Angst vor Unterdrückung kommt ja nicht von ungefähr. In den 1990er Jahren haben zum Beispiel die Regierungen in den neuen baltischen Staaten Gesetze erlassen, die die russischsprachige Minderheit massiv diskriminierten. Das ging so weit, dass die Staaten von der internationalen Gemeinschaft regelrecht dazu genötigt werden mussten, diese Gesetze wieder rückgängig zu machen. Offensichtlich ist man in der Vergangenheit im postsowjetischen Raum sehr unsensibel mit der Frage der russischen Minderheit umgegangen. Da ist eben auch die ukrainische Regierung gefragt, in Zukunft einen besseren Umgang mit diesem Bevölkerungsteil zu pflegen.
Kann die Ukraine sich überhaupt im Falle eines Krieges wehren?
Die Ukraine ist dem russischen Militär ganz deutlich unterlegen. Es gibt wahrscheinlich keine Möglichkeit für das Land, militärisch aktiv zu werden. Man kann symbolische Schritte einleiten, indem man deutlich macht: Unser Militär ist in Gefechtsbereitschaft, wir nehmen die Situation ernst. Aber wenn es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen würde, wäre das ukrainische Militär eindeutig unterlegen.
Welche Rolle spielen Provokateure an der russisch-ukrainischen Grenze?
Das ist ein unkalkulierbares Risiko, von dem meines Erachtens die grösste Gefahr ausgeht. Wie schon gesagt, eigentlich hat keiner der Beteiligten auf der internationalen Ebene - EU, USA, Russland eingeschlossen - ein Interesse an einer Eskalation der Lage. Kritisch wird es aber, wenn die Politisierung der Bevölkerung entlang der ethnischen und sprachlichen Linien eine Eigendynamik entwickelt. Und tatsächlich findet ja diese Politisierung in der Ostukraine bereits statt. Dann sind auch die Entwicklungen dort nicht mehr zu kontrollieren - weder von Russland noch vom Westen.
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