Der venezolanische Staatschef Nicolás Maduro hatte bis zum Wochenende Zeit: Deutschland und sechs weitere EU-Staaten hatten ihm ein Ultimatum gestellt, bis dahin eine freie und faire Präsidentenwahl auszurufen. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass er dieser Forderung nachkommt.

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In Kampf um die Macht in Venezuela zwischen Staatschef Nicolás Maduro und seinem jungen Herausforderer Juan Guaidó läuft am Wochenende ein Ultimatum Deutschlands und sechs weiterer EU-Staaten ab.

Ruft Maduro keine freie und faire Präsidentenwahl aus, wollen Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Grossbritannien, die Niederlande und Belgien seinen Rivalen Guaidó als legitimen Übergangsstaatschef anerkennen. Die USA und zahlreiche weitere Länder haben das bereits getan.

Dass Maduro klein beigeben würde, galt aber als unwahrscheinlich. Das Ultimatum hatte er umgehend als "Frechheit" zurückgewiesen. Bei einer Grosskundgebung am Samstag in Caracas sagte er: "Ich bin der wahre Präsident Venezuelas. Und wir werden weiter regieren."

Die Militärführung und der Sicherheitsapparat stehen zu ihm - auch wenn ein General am Wochenende überlief.

Nicolás Maduro warnt vor Bürgerkrieg

Maduro sagte, er sei bereit, sich für die Vorziehung der eigentlich für 2020 anstehenden Wahl des von der Opposition dominierten Parlaments auf dieses Jahr einzusetzen. Diese Position hatte er allerdings auch schon vergangenen Mittwoch in einem Interview mit der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti dargelegt.

Eine Neuwahl des Präsidenten, wie sie Guaidó fordert, lehnt er weiterhin ab. Anschliessend legte er eine Tanzeinlage vor seinen Anhängern ein. Maduro kann auf die Unterstützung Russlands, Chinas, der Türkei, Kubas, Boliviens und Nicaraguas sowie der Militärführer setzen, die viele wichtige Posten auch in der Wirtschaft besetzen.

In dem Machtkampf schliesst Maduro auch einen Bürgerkrieg nicht mehr aus. Niemand könne heute mit Sicherheit sagen, wie gross die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs sei, erklärte Maduro im Interview des spanischen Fernsehsenders La Sexta. "Alles hängt vom Grad der Verrücktheit und der Aggressivität des Imperiums des Nordens (USA) und von dessen westlichen Verbündeten ab", sagte er.

Der linksnationalistische Politiker betonte: "Wir leben einfach in unserem Land und verlangen, dass sich niemand in unsere internen Angelegenheiten einmischt. Und wir bereiten uns darauf vor, unser Land zu verteidigen."

In den Fabriken, in den Universitäten und in verschiedenen anderen Bereichen sei "das Volk dabei, sich (zum Schutz der Regierung) zu bewaffnen", betonte Maduro. Es handele sich um "Milicianos", die militärisches Training absolviert hätten. "Wir werden Venezuela nicht hergeben", so der Machthaber.

John Bolton bezeichnet Venezuelas Regierung als "Diktatur"

John Bolton, Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, rief das Militär am Samstag auf Twitter erneut auf, zum Lager Guaidós überzulaufen. "Jetzt ist die Zeit, sich an die Seite des venezolanischen Volkes zu stellen", schrieb Bolton, der Maduros Regierung als "Diktatur" bezeichnet.

Die USA unterhalten in anderen Weltregionen allerdings durchaus enge Kontakte zu autoritär gelenkten Ländern ohne demokratische Regierungen, etwa Saudi-Arabien oder Ägypten.

Ein Anhänger Guaidós äusserte sich skeptisch über die Rolle des Militärs. "Ich habe ziemliche Zweifel, dass sie die Opposition unterstützen werden, weil es ihnen mit Unterschlagungen und Schmuggel einfach zu gut geht", sagte der 63-jährige Fernando bei einer Grosskundgebung Guaidós in der Hauptstadt.

Hunger leide nur das Volk, und das sei wohl noch nicht ganz aufgewacht. "Aber worauf warten wir denn eigentlich? Dass wir alle verrecken? Entweder wir gehen auf die Strasse, oder er (Maduro) verschwindet nie", sagte der Mann.

Bargeld ist hier faktisch wertlos

Venezuela befindet sich seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise. Obwohl das Land über die grössten bekannten Erdölreserven weltweit verfügt, fehlen Lebensmittel und Medikamente, Hyperinflation macht Bargeld faktisch wertlos.

Etwa drei Millionen Menschen sind bereits ins Ausland geflüchtet. Wie andere südamerikanische Länder leidet auch Venezuela zudem unter Korruption und krassen Unterschieden zwischen Arm und Reich. Seit die Ölpreise weltweit fielen, ging es mit der Wirtschaft steil bergab. US-Sanktionen trugen ihren Teil zum Niedergang bei.

Die EU konnte sich bislang nicht auf eine einheitliche Linie aller Mitgliedstaaten einigen. Kanzlerin Angela Merkel hatte am Freitag vor einer weiteren Zuspitzung der Lage gewarnt.

Man wolle "einen Beitrag dazu leisten, dass es zu keiner Eskalation kommt", sagte sie in Berlin. Allerdings müsse auch das venezolanische Volk seine Interessen durchsetzen können. "Und das kann nach unserer Meinung nur über Wahlen gelingen", betonte Merkel.

Menschen protestieren gegen Nicolás Maduro

Maduro sprach in Caracas vor seinen Anhängern aus Anlass des 20. Jahrestages des Amtsantritts seines Mentors Hugo Chávez. Der Oberstleutnant Chávez, Anführer eines gescheiterten Putschversuches 1992, hatte Ende 1998 die Präsidentenwahl gewonnen.

Als Staatschef machte er sich mit kubanischer Unterstützung daran, das erdölreiche Land im Sinne eines "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" umzubauen. Chávez starb 2013 an Krebs, Maduro wurde in umstrittenen Wahlen zu seinem Nachfolger erkoren.

Guaidó kündigte für den 24. Februar erste humanitäre Hilfslieferungen aus dem Ausland an. Bolton teilte mit, die USA würden damit beginnen, Hilfslieferungen wie medizinische Geräte und Nahrungsmittel zu schicken.

Wie sie gegen den Willen der Regierung Maduro ins Land kommen sollen, war unklar. "Wir brauchen Hilfskorridore, um Hunger und Krankheiten zu bekämpfen", sagte die 62-jährige Guaidó-Anhängerin Estela.

Auch in anderen Ländern demonstrierten am Wochenende Menschen gegen Maduro, so etwa in Spanien, Kolumbien und Argentinien. (ff/dpa)

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