Den Empfang in Köln dürfte sich der türkische Präsident anders vorgestellt haben. Statt in einem Schloss wurde Recep Tayyip Erdogan in einem kleinen Zimmer am Flughafen begrüsst. In den Strassen vor der Ditib-Moschee warteten Hunderte Anhänger. Bei seiner Rede kritisierte Erdogan den Umgang Deutschlands mit Mesut Özil und Ilkay Gündogan.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Umgang Deutschlands mit dem ehemaligen Fussballnationalspieler Mesut Özil und seinem Kollegen Ilkay Gündogan, die nach einem Foto mit Erdogan starker Kritik ausgesetzt waren, kritisiert. Nur deswegen seien sie "aus der Gesellschaft ausgegrenzt worden", sagte Erdogan. "Dafür habe ich kein Verständnis." Er wolle denen danken, die zu Özil gehalten hätten.

Bessere Integration der Türken gefordert

Zudem forderte er eine bessere Integration der Türken in Deutschland. Die Türkei habe die Integration unterstützt und werde das auch weiterhin tun. "Wir sehen die Zukunft unserer Brüder hier." Gegen Rassismus müsse aber "gemeinsam Haltung" angenommen werden.

Zuvor ist Erdogan vor seinem mit Spannung erwarteten Auftritt in der Kölner Zentralmoschee von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet empfangen und mit deutlichen Worten kritisiert worden.

Er habe in dem etwa einstündigen Gespräch am Flughafen Köln/Bonn Rechtsstaatlichkeit in der Türkei angemahnt, sagte Laschet. Die Beziehungen der beiden Länder seien aktuell "überschattet". Das betreffe vor allem Verhaftungswellen, die Presse- und Religionsfreiheit.

Er habe daher bei Erdogan "deutlich gemacht, dass wenn die Beziehungen sich normalisieren sollen in der Zukunft, wenn die wirtschaftlichen Beziehungen vertieft werden sollen, dass dafür Rechtsstaatlichkeit eine ganz wichtige Voraussetzung ist".

Einer der grössten Einsätze der Kölner Polizei

Gesichert durch einen der grössten Einsätze der Kölner Polizei wollte der Präsident am Nachmittag die Moschee der Islam-Organisation Ditib im Stadtteil Ehrenfeld offiziell eröffnen.

Bereits Stunden vor seiner Ankunft hatten Hunderte von Polizisten die Strassen rund um die Moschee abgesperrt und Anwohner ebenso wie Besucher streng kontrolliert.

Stadt und Polizei legten einen grossen Sicherheitsbereich fest, es fuhren Wasserwerfer und Hundertschaften auf. "Niemand wird auch nur in die Nähe der Moschee kommen", hatte die Stadt vor der Feier betont. "Ein Einlass ist nur mit einer Einladung möglich."

Die Lage blieb trotz des Andrangs feiernder Türken bis zur Ankunft Erdogans am Nachmittag ruhig, wie die Polizei mitteilte. Feiernde Erdogan-Anhänger zogen fahnenschwingend durch das Viertel an der Moschee.

Die Veranstaltung an der Moschee war kurzfristig umgeplant worden: Wegen erheblicher Sicherheitsbedenken hatte die Stadt am Vorabend eine dort geplante Aussenveranstaltung mit Tausenden Besuchern untersagt.

Türkische Delegation "sehr enttäuscht" über Stadt Köln

Die Ditib hatte auf Facebook zu der Feier eingeladen und mit zahlreichen Besuchern gerechnet. Die Kölner Behörden hatten dafür ein ausreichendes Sicherheitskonzept verlangt, etwa zu Sanitätern und Fluchtmöglichkeiten - nach eigenen Angaben vergeblich.

Die Ditib reagierte mit Unverständnis auf das Verbot. "Mit Bedauern entgegnet DITIB dieser Verfügung und kann die Begründungen nicht nachvollziehen", teilte sie auf Facebook mit.

Auch Erdogans türkische Delegation zeigte sich nach Angaben eines prominenten Mitglieds "sehr enttäuscht" über die mangelnde Unterstützung der Stadt.

Der Erdogan-Vertraute Mustafa Yeneroglu sagte, es sei erst wenige Tage zuvor von den Erwartungen der Behörden die Rede gewesen. "Das Ganze ist unschön, wo auf der anderen Seite die Türkei ständig wegen Beschneidung der Versammlungsfreiheit und anderem kritisiert wird", sagte Yeneroglu, der selber lange in Köln gelebt hat. Er sei "verbittert".

Deutlich weniger Protestierende als erwartet

Neben der Moschee-Eröffnung waren in Köln mehrere Kundgebungen anlässlich des Erdogan-Besuches angemeldet. Bei einer der grössten Protestveranstaltungen gegen Erdogan versammelten sich allerdings deutlich weniger Menschen als im Vorhinein vermutet.

Statt der erwarteten 10.000 Teilnehmer kamen nach dpa-Schätzungen rund 2.000 Menschen zusammen. Die Polizei hielt sich mit Angaben zu den Teilnehmerzahlen zurück. Unter dem Titel "Erdogan not welcome" hatten kurdische und linke Erdogan-Gegner zum Protest am Rheinufer aufgerufen.

Vor dem Abflug nach Köln war Erdogan am letzten Tag seines Staatsbesuchs in Deutschland erneut mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammengetroffen.

Nach Angaben eines Regierungssprechers diente das Treffen "einem vertieften Gespräch über das deutsch-türkische Verhältnis, die innenpolitische Lage in der der Türkei und die gemeinsamen Interessen im Kampf gegen den Terrorismus". Details wurden nicht bekannt. (ank/dpa)

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