Die Vergiftung des Oppositionsführers Alexej Nawalny überschattet die Wahl in den Regionen Russlands. Für den Kreml stand dabei einiges auf dem Spiel. Wahlbeobachter berichteten von Hinweisen auf gezielte Stimmenfälschung und "demonstrativer Missachtung des Gesetzes".
Bei von massiven Fälschungsvorwürfen überschatteten Wahlen sind in Russland neue Gouverneure und Regionalparlamente bestimmt worden. Die Abstimmung gilt als wichtiger Stimmungstest für die Parlamentswahl im nächsten Jahr und stand unter dem Eindruck der Vergiftung des Kremlkritikers
Es war die erste Wahl seit dem umstrittenen Referendum über eine neue Verfassung, die Kremlchef
Landesweit gab es mehr als 9000 verschiedene Wahlen auf unterschiedlichen Ebenen. Für die Regierungspartei besonders wichtig waren die Abstimmungen über neue Gouverneure in 18 Gebieten, die die Politik des Kremls in die Regionen tragen. In 22 Städten standen zudem Stadtratswahlen an. Die Wahlbeteiligung war lokalen Wahlkommissionen zufolge unterschiedlich und lag meist bei mehr als 50 Prozent.
Die Abstimmung hatte in vielen Wahllokalen bereits am Freitag begonnen. Damit wollte die Wahlkommission nach eigenen Angaben das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus verringern. Kritiker befürchteten aber ähnlich wie bei vorangegangen Wahlen Manipulationen, weil eine Kontrolle über drei Tage hinweg schwierig sei.
Hinweise auf bewusste Fälschungen, Wahlzwang und Bestechungen
Die Wahlbeobachtungsgruppe Golos sprach von "demonstrativer Missachtung des Gesetzes" bei einigen Wahlkommissionen. So etwas habe es in den vergangenen vier Jahren nicht gegeben. Es seien Hinweise auf bewusste Fälschungen eingegangen. Die Organisation beklagte auch Gewalt gegenüber Wahlbeobachtern. "Es gibt Berichte über Wahlzwang und Bestechung aus vielen Regionen", hiess es.
Das Innenministerium erhielt der Agentur Interfax zufolge seit Beginn des Wahlkampfes mehr als 2500 Hinweise auf mögliche Unregelmässigkeiten. Schwerwiegende Verstösse seien darunter aber nicht gewesen.
Die Opposition musste bei den diesjährigen Regionalwahlen auf ihren Anführer Nawalny verzichten, der seit mittlerweile drei Wochen in Berlin behandelt wird und zeitweise im künstlichen Koma lag. Die Bundesregierung sieht es nach einer Untersuchung in einem Speziallabor für erwiesen an, dass der 44-Jährige mit einem Nervenkampfstoff der vom internationalen Chemiewaffenverbot betroffenen Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde. Russland weist jegliche Verwicklung in den Fall zurück, eigene Ärzte sähen dort keinen Beweis für eine Vergiftung, heisst es aus Moskau.
Nawalnys Team will Macht der regierenden Kremlpartei brechen
Nawalnys Team hatte die Wähler aufgerufen, für beliebige Kandidaten zu stimmen, nur nicht für die regierende Kremlpartei Geeintes Russland, um deren Macht zu brechen. Diese Strategie war schon zuletzt unerwartet erfolgreich. Vor der Wahl hatte es Angriffe auf Anhänger des Oppositionspolitikers gegeben. Sein Team veröffentlichte Bilder von Wahllokalen in ländlichen Regionen in Bushaltestellen, im Kofferraum von Autos und auf einer Wiese.
Es war nicht ausgeschlossen worden, dass es in einigen Regionen zu einer Stichwahl kommen wird - weil die Menschen entweder aus Protest die Opposition wählten oder der Kreml-Kandidat als schwach galt.
Unterdessen kritisierte die Ukraine die Abstimmung auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim. Man werde die Ergebnisse nicht anerkennen, teilte das Aussenministerium auf Twitter mit. "Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, die illegalen Handlungen Russlands zu verurteilen."
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(ash/dpa)
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