- Geht es nach der CDU-Spitze, ist die Kanzlerkandidatur von Parteichef Laschet eine ausgemachte Sache.
- Doch seinem Mitbewerber Söder reicht das Meinungsbild der Führungsgremien nicht aus.
- Er spielt auf Zeit.
CDU stärkt Laschet den Rücken
Bei den Beratungen von Präsidium und Vorstand der CDU traut sich an diesem Tag kaum einer aus der Deckung, der angesichts der miesen Umfragewerte für die Union und für Laschet persönlich an dem neuen Vorsitzenden zweifelt. Einmütig sei die Unterstützung für den Chef im engsten Führungsgremium gewesen, dem Präsidium, verkündet Hessens Ministerpräsident
Ist das nun schon die Blitz-Entscheidung im Machtkampf zwischen Laschet und seinem Rivalen
Söder spielt gegen Laschet auf Zeit
Viel hängt davon ab, wie der bayerische Ministerpräsident auf die Vorgänge in der CDU-Spitze reagieren würde - am Nachmittag wollte Söder mit seiner Parteispitze beraten. Und noch während der Sitzung sickern die ersten Aussagen Söders aus der Sitzung durch: "Heute ist nicht der Tag der Entscheidung. Ende der Woche werden wir uns zusammensetzen", wird Söder von Teilnehmern zitiert. Und noch etwas ist bemerkenswert: Die Entscheidung müsse "auf einer ehrlichen Basis" gefunden werden, "kein Hauruckverfahren".
Zur Erinnerung: Beim Auftritt mit Laschet vor der Spitze der Unionsfraktion am Sonntag hatte Söder seine Bereitschaft zur Kandidatur von einer Unterstützung durch die CDU abhängig gemacht - und zugesagt, sich andernfalls einzuordnen - ohne Groll. Unterstützung - und gar noch eine breite - gab es nun für ihn nicht aus den Spitzengremien der grossen Schwesterpartei. Doch Söder scheint noch nicht überzeugt. "Der Kanzlerkandidat muss von einer breiten Mehrheit der Mitglieder getragen werden", sagt Söder in der Schalte.
CSU setzt auf Ergebnis der Sitzung der Unionsfraktion
Laschet wollte noch am Montag versuchen, mit Söder über die Konsequenzen aus den CDU-Beratungen und das weitere gemeinsame Vorgehen zu sprechen. In der CSU gibt es wenig Begeisterung für Laschets Tempo bei der Entscheidungsfindung. Die nächsten 48 Stunden seien entscheidend, ob sich in der Kandidatenfrage noch etwas tue, hiess es da. Falls in dieser Zeit doch noch Rufe aus der CDU laut würden, könne sich das Blatt noch wenden. Viel Hoffnung wird in der CSU dabei wohl auf die Sitzung der Unionsfraktion am Dienstag gesetzt, wo etliche Abgeordnete fürchten, mit Laschet als Kanzlerkandidat würden sie bei der Wahl ihr Mandat verlieren.
Doch Laschet nahm solchen Gedankenspielen zunächst den Wind aus den Segeln. Er erwarte eine breite Diskussion in der Fraktion über die Pläne der Bundesregierung zum Infektionsschutzgesetz und zum Kurs gegen Corona - er plane nicht, bei der Sitzung dabei zu sein. Wann denn die endgültige Entscheidung mit Söder fallen müsse, wird Laschet noch gefragt. "Es muss nicht heute sein, ... es sollte nur sehr bald sein." Dies sei die "komplette Erwartung aller in der CDU" - auch von der Parteibasis, damit man sich endlich wieder anderen, wichtigeren Dingen widmen könne.
Laschet: Vieles ist wichtiger als unionsinterner Streit
Was er meint, macht Laschet ganz am Anfang seiner Ausführungen klar. Über das Stimmungsbild zur K-Frage lässt er seinen Generalsekretär Paul Ziemiak berichten - auch das soll wohl ein Zeichen sein, dass andere Dinge wichtiger seien als unionsinterner Streit. In einem für seine Verhältnisse geradezu flammendem Appell verteidigt er seinen Vorstoss für einen "Brücken-Lockdown", mit dem er über Ostern bei vor allem bei Ministerpräsidenten aus der SPD auf Granit gestossen war. Er bedauere sehr, dass die Pandemiebekämpfung derart von Parteipolitik überlagert werde, zürnt Laschet in Richtung des Koalitionspartners.
Und auch die AfD bekommt ihr Fett ab: Die Rechtspopulisten hätten auf ihrem Parteitag am Wochenende eine "Kampferklärung gegen alles, was unsere Republik ausmacht" abgegeben, indem sie Pandemie und Klimawandel leugneten und Deutschland aus der Europäischen Union führen wollten. Es ist, als sei Laschet schon im Wahlkampfmodus.
Doch nicht nur für ihn, auch für Söder geht es um viel im Showdown der Union in der K-Frage. Dabei ist die Lage der beiden Unions-Grössen nur bedingt vergleichbar. Denn für den Bayern wäre eine Frage vermutlich derzeit leichter zu beantworten als für den Nordrhein-Westfalen: Wie gross ist die Beschädigung, wenn der Machtkampf verloren geht?
Söder muss keinen Putsch in der CSU befürchten
Der Franke muss hier wohl keinen Putsch in der CSU befürchten. Dies liegt zum einen an seiner unangefochtenen Machtposition, die er gerade in der Corona-Krise ausbauen konnte. Zum anderen - auch das gehört zur Wahrheit - drängen sich keine Konkurrenten ins Bild. "Söders Glück ist, dass es keinen zweiten Söder gibt", sagt ein CSU-Vorstand. In der CSU scheint es unstreitig, dass Söder auch im Falle einer Entscheidung für Laschet ohne Machtverlust seine Arbeit als bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef fortsetzen kann.
In Bayern gibt es sogar Stimmen, die davon ausgehen, dass Söder in diesem Falle von den Wählern besonders wohlwollend wieder aufgenommen würde. Denn schon lange sprechen sich in Umfragen die Menschen im Freistaat mehrheitlich gegen einen Gang von Söder nach Berlin aus.
Image Söders als Erfolgspolitiker müsste sich neu justieren
Klar ist aber auch, dass sich das Image Söders als Erfolgspolitiker neu justieren müsste. Nicht zum ersten Mal übrigens, denn schon bei der Landtagswahl 2018 in Bayern, als er Spitzenkandidat war, musste die CSU schwere Verluste hinnehmen. Am Ende ging die Wahl aber dennoch zumindest für Söder als Erfolg ins kollektive Gedächtnis ein, da er mit der Koalition mit den Freien Wählern die Regierungsmacht für die CSU sicherte. Dass die absolute Mehrheit verloren ging, wurde Söder nie wirklich angekreidet.
Ungeachtet der Kandidatenfrage gibt es für Söder wie Laschet aber noch ein weiteres Risiko. Denn nach der Kandidatenkür steht die Union ja noch vor der nicht minder schweren Aufgabe, bei der Bundestagswahl erfolgreich zu sein. Längst deuten Umfragen darauf hin, dass dies keineswegs ausgemachte Sache ist. Eine Niederlage im Herbst wäre für beide Parteichefs in jedem Fall das noch grössere Problem. Denn die Verantwortung liegt dann eben nicht nur beim Kanzlerkandidaten, auch wenn er die Kampagne anführt. In den Geschichtsbüchern würden dann für immer die Namen Laschet und Söder mit dem Verlust des Kanzleramtes nach 16 Jahren Angela Merkel verknüpft. © dpa
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