Mit der Katastrophe von Beirut droht der Libanon in seine nächste politische Krise abzurutschen. Bevor die Diskussion über eine Neuwahl ins Rollen kommt, räumt eine Ministerin ihren Posten. Zugleich beraten Geldgeber über Hilfen für die schwer getroffene Bevölkerung.

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Im krisenerschütterten Libanon droht nach der Explosion in Beirut mit mehr als 150 Toten und über 6.000 Verletzten eine neue politische Zerreissprobe. Während internationale Geber bei einer Videokonferenz Gelder für rasche Nothilfen sammelten, gab es Anzeichen für einen weiteren schrittweisen Zerfall der Regierung.

Ministerpräsident Hassan Diab will dem Kabinett an diesem Montag eine Neuwahl vorschlagen. Am Wochenende machten Tausende ihrem Zorn über die politische Elite bei teils gewaltsamen Protesten Luft. 250 Menschen wurden dabei verletzt, ein Polizist starb.

Macron fordert massive Nothilfe

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron forderte die Partner bei einem mit den Vereinten Nationen organisierten virtuellen Treffen zu einer massiven Nothilfe auf. Beirut sei im Herzen getroffen worden, sagte der 42-Jährige am Sonntag zum Auftakt der Videoschalte, an der nach Angaben des Élyséepalastes Vertreter von mindestens 36 Staaten und Organisationen teilnahmen.

Neben UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock beteiligten sich demnach auch US-Präsident Donald Trump, mehrere europäische Regierungschefs und Bundesaussenminister Heiko Maas.

Die EU kündigte an, über ihren Gemeinschaftshaushalt zusätzliche 30 Millionen Euro für Nothilfen bereitzustellen. Das Geld ergänzt den Betrag von 33 Millionen Euro, der bereits direkt nach der Katastrophe zugesagt worden war. Davon unabhängig hatte Maas vorab ein deutsches Soforthilfepaket im Umfang von zehn Millionen Euro angekündigt.

"Die Menschen in Beirut brauchen unsere Hilfe und sie brauchen Anlass zur Hoffnung", erklärte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag".

Direkte Hilfe soll Unterschlagung verhindern

Benötigt werden Macron zufolge medizinische Hilfe, Nahrungsmittel und Geld für den Wiederaufbau von Schulen und Krankenhäusern. Der schwer getroffenen Bevölkerung soll nach französischen Angaben direkt geholfen werden, damit es dabei nicht zu Unterschlagungen kommt.

Frankreich richtete eine Luftbrücke ein, um Katastrophenhelfer und Hilfsgüter ins Land zu bringen. Zudem sollten zwei französische Schiffe, darunter ein Kriegsschiff, unter anderem Nahrungsmittel in den Libanon transportieren. Papst Franziskus erneuerte seinen Appell für "grosszügige Hilfe" für die Betroffenen der Katastrophe.

Schon zwei Politiker-Rücktritte - weitere könnten folgen

Im Libanon führte der Rücktritt von Informationsministerin Manal Abdel Samad am Sonntag zu Spekulationen über mögliche weitere Rücktritte. "Ich entschuldige mich bei allen Libanesen, die ihre Ziele nicht erreichen konnten", sagte Samad bei einer im Fernsehen übertragenen Erklärung.

Einen Tag vor der Explosion hatte bereits Aussenminister Nassif Hitti sein Amt niedergelegt. Als Begründung nannte er die seiner Meinung nach schwache Leistung der Regierung im Versuch, das Land aus seiner wirtschaftlichen und politischen Krise zu führen. Nachfolger Scharbil Wihbi wurde bereits vereidigt.

Polizist bei Zusammenstoss mit Demonstranten getötet

Tausende Libanesen, von denen viele nach der Explosion das letzte Vertrauen in die politische Führung verloren haben, zogen am Wochenende auf die Strasse. Viele protestierten friedlich gegen die Regierung, die sie für die Explosion am Hafen verantwortlich machen.

Die Wut ist gross, weil dort offenbar über Jahre grosse Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ohne Sicherheitsvorkehrungen lagerten. Dies soll die gewaltige Explosion verursacht haben. Bis zu 300.000 Menschen wurden durch die Schäden an ihren Häusern obdachlos.

Die Spannungen erhöhten sich bei gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in Beirut. Ein Polizist wurde dabei nach Angaben der Sicherheitskräfte getötet. 250 Menschen wurden dem libanesischen Rote Kreuz zufolge verletzt.

Wahlankündigung wird Druck auf Regierung kaum verringern

Einige Demonstranten versuchten, Absperrungen zum Parlament zu durchbrechen und warfen Steine. Andere stürmten das Gebäude der Bankenvereinigung oder drangen lokalen Medienberichten zufolge in Ministerien ein. Die Sicherheitskräfte setzten in grossen Mengen Tränengas ein. Augenzeugen berichteten auch, sie hätten Schüsse gehört.

Regierungschef Diab reagierte mit seinem Vorschlag für eine Neuwahl auf den massiven Druck auf die Regierung. Einen möglichen Termin dafür nannte er nicht. Die nächste Wahl stünde eigentlich 2022 an.

Es scheint aber unwahrscheinlich, dass Diabs Ankündigung die Wut der Menschen besänftigen kann. Viele Libanesen klagen, Wahlen hätten bisher an den realen Machtverhältnissen im Land wenig verändert. (hub/dpa)

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