In Libyen tobt ein Machtkampf zwischen General Haftar und der Regierung in Tripolis. Viele internationale Akteure mischen in dem Bürgerkrieg mit. Nun hat das türkische Parlament Erdogan die Entsendung von Truppen erlaubt. Ihm geht es um Einfluss, aber auch um Bodenschätze.

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Das türkische Parlament hat grünes Licht für eine mögliche Militärintervention im Bürgerkriegsland Libyen gegeben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erhielt am Donnerstag für ein Jahr das Mandat, türkische Soldaten nach Libyen zu schicken. Er will damit die international anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch in Tripolis stützen. Die liefert sich einen Machtkampf mit dem einflussreichen General Chalifa Haftar.

Nach insgesamt drei Einmärschen in Syrien begibt sich die Türkei damit voraussichtlich auf ihr nächstes aussenpolitisches Abenteuer. Der Türkei geht es dabei um Einfluss in der Region, aber auch um Erdgasvorkommen im Mittelmeer.

Eine "notwendige Botschaft"

325 Abgeordnete stimmten in Ankara für eine Entsendung von Truppen, 184 dagegen. Eine Zustimmung war erwartet worden, da Erdogans Regierungsallianz im Parlament eine Mehrheit hat. Vize-Präsident Fuat Oktay schrieb auf Twitter: "Ich hoffe, dass mit der Annahme des Mandats diejenigen, die ihre aggressive Haltung in Libyen beibehalten, die notwendige Botschaft erhalten."

Ein Grossteil der Opposition kritisierte das Vorhaben dagegen scharf. Der stellvertretende Parteivorsitzende der grössten Oppositionspartei CHP, Ünal Ceviköz, nannte das Vorhaben unsinnig und gefährlich.

Auch Ägypten, ein Unterstützer Haftars, verurteilte die Entscheidung "aufs Schärfste". Die Türkei verstosse damit unter anderem gegen das von den Vereinten Nationen verhängte Waffenembargo.

Russland zeigt sich alarmiert

Auch aus Russland kam Kritik. Die Entscheidung sei alarmierend, sagte Aussenpolitiker Leonid Sluzki der Agentur Interfax. Dies könnte die Krise verschärfen und die Situation verkomplizieren. Russland habe sich für eine diplomatische Lösung ausgesprochen, meinte der Chef des Aussenausschusses im russischen Parlament. Eine militärische Intervention aus dem Ausland "ist nicht die beste Lösung".

In Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 Bürgerkriegschaos. Haftar kontrolliert mit seiner selbst ernannten Libyschen Nationalarmee ( LNA ) Gebiete im Osten des Landes, will aber die Macht über das ganze Land. Im vergangenen Jahr begann er einen Angriff auf Tripolis, wo die Sarradsch-Regierung sitzt. Diese wird von lokalen Milizen unterstützt, konnte ihre Macht aber bisher kaum über die Hauptstadt hinaus ausbauen.

Zahlreiche internationale Mächte sind in dem Konflikt verstrickt. Die Regierung in Tripolis wird von der Türkei, Katar und Italien unterstützt, General Haftar von Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Zudem gibt es Vorwürfe gegen Frankreich, Haftar zu unterstützen.

Putin zu Besuch in Istanbul

Wie in Syrien unterstützen damit die Türkei und Russland unterschiedliche Parteien. Kremlchef Wladimir Putin wird am kommenden Mittwoch in Istanbul erwartet, und die Themen Libyen und Syrien werden sicher hoch oben auf der Agenda stehen. Mit US-Präsident Donald Trump besprach Erdogan die Situation in den beiden Bürgerkriegsländern am Donnerstag am Telefon. Das türkische Kommunikationsministerium teilte mit, die beiden hätten sich auch darauf verständigt, ihre Zusammenarbeit zu verstärken.

Erdogan hatte in der vergangenen Woche gesagt, er handele in Libyen auf Einladung Al-Sarradschs, dieser habe ihn um eine Entsendung von Truppen gebeten. Mit der Zustimmung des Parlaments ist der Präsident nun berechtigt, über "Grenze, Ausmass, Menge und den Zeitpunkt" der Entsendung zu entscheiden, "um militärische Operationen und Interventionen durchzuführen, falls nötig".

Syrische Milizionäre in Libyen

Ob Erdogan die Erlaubnis sofort in Anspruch nehmen wird, ist unklar. Der Konflikt wird nach Ansicht von Experten auf beiden Seiten schon jetzt auch mit Hilfe ausländischer Söldner ausgetragen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sollen sich bereits rund 300 von der Türkei unterstütze syrische Milizionäre in Libyen aufhalten. Die türkische Regierung hat sich bislang nicht zu dem Vorwurf geäussert.

Einen möglichen Militäreinsatz in Libyen begründet die Regierung vor dem Parlament unter anderem mit den Interessen der Türkei im Mittelmeerraum und Nordafrika. Diese würden durch die verschlechterte Lage in Libyen bedroht, so die Argumentation.

Konkurrierende Interessen im Mittelmeerraum

Tatsächlich ist Erdogan daran gelegen, Al-Sarradsch an der Macht zu halten. Im Streit um Erdgasvorkommen im Mittelmeer fühlt sich die Türkei von anderen Anrainerstaaten wie Griechenland ausgeschlossen und schmiedet deshalb eigene Allianzen. Im November hatten Al-Sarradsch und Erdogan Abkommen unterzeichnet, die neben einer militärischen Kooperation auch Seegrenzen im Mittelmeer festlegen. Damit erhebt die Türkei Anspruch auf Gebiete nahe der griechischen Insel Kreta, wo reiche Erdgasvorkommen vermutet werden.

In seiner Neujahrsansprache sagte Erdogan, mit den Vereinbarungen seien "Projekte, die darauf abzielten, die Türkei vollständig aus dem Mittelmeerraum auszuschliessen", vereitelt worden. Der Präsident hatte vergangene Woche zudem betont, dass Teile des heutigen Libyens unter Osmanischer Herrschaft waren und sprach von einer historischen Verbundenheit zu den "Brüdern" in Libyen.

Der stellvertretende CHP-Fraktionsvorsitzende Özgür Özel warf der Regierung vor, nationalistische Rhetorik zu bemühen, statt eine überzeugende Begründung für die Entsendung von Truppen vorzulegen.

"Krieg vor Europas Haustür"

Deutschland plant zum Thema Libyen für Anfang des Jahres eine Konferenz in Berlin, um die wichtigsten internationalen Akteure an einen Tisch zu bringen. Der Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin glaubt jedoch, dass die Europäer keinen Einfluss mehr auf die Entwicklungen haben. Es handele sich um einen "Krieg vor Europas Haustür, der von fernen Mächten wie Russland und den Emiraten angetrieben wird". (best/dpa)

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