FDP-Chef Christian Lindner hat seine Partei bei ihrem traditionellen Dreikönigstreffen auf weitere Konflikte in der Koalition eingestimmt. In seiner Rede im Stuttgarter Opernhaus erteilte Lindner den Ausgabewünschen der Ampel-Partner SPD und Grünen am Samstag eine klare Absage. Eine auf Umverteilung basierende Politik sei mit der FDP nicht zu machen, sagte Lindner - und beklagte eine "geradezu klassenkämpferische Diktion" in der Debatte um den Sozialstaat.
FDP als marktwirtschaftliches Korrektiv
Lindner positionierte die FDP als marktwirtschaftliches Korrektiv in dem Regierungsbündnis mit den weiter links stehenden Parteien SPD und Grüne. Selbstkritisch äusserte er sich zum Erscheinungsbild der Koalition. Deren Bestand stellte er jedoch nicht in Frage. "Die Bundesregierung handelt, sie ist nicht fehlerfrei - wer wäre das?", sagte der FDP-Vorsitzende. "Aber wir entscheiden mehr richtig als falsch, denn sonst würde die FDP dieser Regierung nicht angehören."
Angesichts der schwierigen Haushaltslage mahnte der Bundesfinanzminister die Koalitionspartner zu einer sparsamen Ausgabenpolitik. "SPD und Grünen schwant, dass die ganzen sozialpolitischen und auch ökologischen Vorhaben, die diese Parteien haben, im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld nur sehr schwer unter grossen Anstrengungen zu realisieren sind", sagte
Lindner warb eindringlich für eine wachstumsfördende Politik, welche den finanziellen Spielraum des Staates durch steigende Einnahmen wieder erweitern werde. "Mein Vorschlag ist: Sorgen wir doch dafür, dass eine wieder starke und wachsende Wirtschaft uns die Mittel zur Verfügung stellt, die wir brauchen für Soziales, Ökologisches und die Sicherheitspolitik", sagte Lindner. "Deshalb brauchen wir in diesem Jahr die Wirtschaftswende."
Der Bundesfinanzminister forderte konkret eine weitere steuerliche Entlastung der "arbeitenden Mitte". Er begründete dies auch mit dem kräftigen Anstieg der Bürgergeldsätze zum Jahreswechsel.
Es sei "eine Frage der Gerechtigkeit, wenn nicht nur die Leistungen für diejenigen, die nicht arbeiten, an die Preisentwicklung angepasst werden", sagte Lindner. "Genauso muss auch die Einkommenssteuer an die Inflation angepasst werden für diejenigen, die den Sozialstaat mit ihrer Arbeit tragen."
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai machte in seiner Rede klar, dass seine Partei Konflikte in der Koalition über den haushaltspolitischen Kurs auch weiterhin nicht scheuen werde. "Wir werden diejenigen sein, die bei jeder Diskussion daran erinnern: Es muss erst erwirtschaftet werden, bevor verteilt werden kann", sagte er. Es gehe um eine solide Haushaltspolitik, mehr Wettbewerbsfähigkeit und eine grössere Attraktivität des Standorts Deutschland: "Mit diesen Fragen werden wir uns beschäftigen - die anderen in der Koalition werden dies nicht tun."
Spitzenkandidaton warnt
Die designierte Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, warnte in ihrer Rede vor dem Erstarken antidemokratischer Kräfte. Mit Blick auf die Zeit nach der Wahl im Juni sagte sie: "Ich möchte nicht, dass dann die Kacke hier am Dampfen ist, und zwar braun und rot." Den Wählerinnen und Wählern müsse klar sein: "Die Nationalisten sind toxisch und gefährlich." Die AfD und die geplante Wagenknecht-Partei seien Kräfte, die "in die EU reinwollen, um sie von innen kaputtzumachen."
Die FDP war unter dem Eindruck schwacher Umfragewerte und koalitionsinterner Streitereien zu ihrem traditionellen Dreikönigstreffen im Stuttgarter Opernhaus zusammengekommen. Die Kundgebung hat eine lange Tradition: Bereits seit 1866 treffen sich Liberale aus dem Südwesten am Dreikönigstag in Stuttgart. Die Partei nutzt die Kundgebung traditionell zur politischen Standortbestimmung zu Jahresbeginn.
Die FDP-Mitgliederbefragung, bei der sich kürzlich nur eine knappe Mehrheit der Teilnehmenden für den Verbleib in der "Ampel" ausgesprochen hatte, wurde in den Reden in der Stuttgarter Oper nicht ausdrücklich angesprochen. Lindner sagte in allgemeiner Form: "Ich nehme jede Kritik von Unterstützern und Mitgliedern der FDP an." Er warb zugleich um Verständnis dafür, "dass wir manchen Kompromiss schliessen - denn das gehört zur demokratischen Realität." © AFP
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