Lange stellte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer schützend vor Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maassen, auch als dieser sich bereits im verbalen Kreuzfeuer von Opposition und medialer Öffentlichkeit befand. Doch nach den umstrittenen Abschiedsworten, die Maassen selbst verbreitete, riss auch bei dem CSU-Vorsitzenden der Geduldsfaden. Die AfD ist währenddessen voll des Lobes über den beurlaubten Verfassungsschutzchef.
"Natürlich ist man dann auch ein Stück menschlich enttäuscht", sagt
Was ist passiert? Als im September nach einer tödlichen Messerattacke in Chemnitz empörte Bürger und Rechtsextremisten durch die sächsische Stadt ziehen, ärgert sich Verfassungsschutzpräsident
Maassen bringt Opposition zum schäumen
Seinem Ärger macht Maassen in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung Luft. Er schürt dabei auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Bundesregierung. Maassen verwahrt sich dagegen, dass Vorgänge, die in einem Video aus Chemnitz zu sehen sind, als "Hetzjagd" bezeichnet werden. Er sagt, es sprächen "gute Gründe" dafür, dass es sich bei dem Video "um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken". Die Opposition schäumt. Die Grünen sagen, Maassen befeuere politische Kampagnen, "die rechte Verschwörungstheorien ins Land tragen".
Seehofer hält trotzdem zu ihm. Nach einer Sitzung im Innenausschuss, in dem die Abgeordneten den Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz befragen, sagt der CSU-Vorsitzende, er wolle seinen erfahrenen Behördenleiter nicht wegen eines Interview-Zitats opfern.
Seehofer verteidigt Fürsorgepflicht
War diese Loyalität damals ein Fehler? Sieht Seehofer rückblickend vielleicht Anlass für Selbstkritik? "Nein, beim besten Willen nicht", sagt er. Seine Aufgabe als Dienstherr sei es, auch in schwierigen Zeiten zu den Mitarbeitern der Behörden, für die er zuständig ist, zu stehen. Das habe er auch getan, als Maassen im Kreuzfeuer der Kritik stand.
Seehofers Fürsorge geht ziemlich weit. Erst will er Maassen als Staatssekretär in sein Ministerium holen. Als dieser Plan auf breite Ablehnung stösst, schafft er einen neuen Beraterposten für ihn. Doch Maassen ist damit nicht so richtig zufrieden. Schon im Oktober kursiert in Berlin das Gerücht, Maassen wolle die massgeschneiderte Stelle im Ministerium gar nicht antreten. Er suche stattdessen nach einem Job in der Wirtschaft. In der CSU wird parallel dazu darüber spekuliert, wer Seehofer vielleicht als Innenminister ablösen könnte.
AfD-Spitze bejubelt Maassen
In seiner Abschiedsrede, die dazu geführt hat, dass ihn Seehofer jetzt doch in den einstweiligen Ruhestand versetzt, sagt Maassen ganz offen: "Jedenfalls kann ich mir auch ein Leben ausserhalb des Staatsdienstes zum Beispiel in der Politik oder in der Wirtschaft vorstellen." Dass Maassen die Rede, die er in einer nicht-öffentlichen Veranstaltung mit anderen Chefs europäischer Inlandsnachrichtendienste gehalten hat, im Intranet seiner Behörde veröffentlicht, interpretieren Beobachter als bewusste Provokation.
Wo will Maassen nach so einem solchen Schritt in die Politik andocken? Von den im Bundestag vertretenen Parteien gibt es jetzt nur noch eine einzige, in der man voll des Lobes für Maassen ist. "Herr Maassen ist ein pflichtbewusster, exzellenter und sorgfältiger Beamter", sagt der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen. AfD-Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland sagt, über die Zukunft von Maassen habe er sich zwar noch keine Gedanken gemacht, "ich glaube aber, dass Herr Maassen ein Fachwissen hat, das wir gut gebrauchen können".
Stellvertreter übernimmt kommissarisch
Anders als Horst Seehofer, der es unmöglich findet, dass Maassen in der SPD "linksradikale Kräfte" entdeckt haben will, findet man diese Äusserungen des Juristen mit der goldgerahmten Brille in der AfD hervorragend. Meuthen hiess Maassen in der AfD jederzeit willkommen: "Er hat Mut zur Wahrheit bewiesen, das ist bei uns Parteimotto."
Und was bedeutet der ganze Schlamassel für die Behörde, der Maassen bislang vorstand? Maassen soll seinen Schreibtisch sofort räumen. Sein Stellvertreter Thomas Haldenwang übernimmt vorerst. Wahrscheinlich wird Haldenwang den Verfassungsschutz auch dauerhaft leiten. In Berlin hört man jedenfalls, für seine Ernennung fehle nur noch die Zustimmung des Kabinetts. (mc/dpa)
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