Die AfD hat bei der Bundestagswahl ein Rekordergebnis erzielt. Doch es bleibt dabei: Ihr fehlt die Machtperspektive. Was also tun? Die Parteichefs wollen einmal mehr die "Brandmauer" einreissen. Grund zur Mässigung sehen sie nicht.
Alice Weidel spricht in Superlativen. Das Wahlergebnis sei ein "historischer Erfolg", noch keine Partei in Europa habe in so kurzer Zeit so viel erreicht. Die AfD sei "Volkspartei". Und: "Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen".
Montagmorgen, 9:00 Uhr in der Bundespressekonferenz in Berlin. Es ist Tag eins nach der Bundestagswahl. Die AfD hat 20,8 Prozent geholt, sie ist damit zweitstärkste Kraft im Parlament. Und sie übernimmt die Rolle des Oppositionsführers.
Weidel attackiert die Union
Dann greift sie CDU-Chef
Auch Weidels Co-Vorsitzender Tino Chrupalla fordert ein Ende der Brandmauer. In Ostdeutschland habe die AfD 45 von 48 Wahlkreisen gewonnen, sagt er. "Der Wähler hat gezeigt, was er von der Brandmauer hält".
Trotzdem werde man immer für "vernünftige Politik" bereitstehen. Die AfD-Chefs setzen in ihren Eingangsstatements auf die ausgestreckte Hand. So soll es zumindest wirken.
Wer nach dem Wahlabend, bei dem die AfD ihr Ergebnis nahezu verdoppelt und damit zweifellos einen grossen Erfolg eingefahren hat, auf einen versöhnlichen Auftritt hoffte, sieht sich aber schnell getäuscht. Spätestens mit Beginn der Reporter-Fragen ändert sich der Ton – vor allem bei Alice Weidel.
Auf eine mögliche Reform der Schuldenbremse angesprochen, redet sie sich förmlich in Rage. Nein, die Zustimmung der AfD dazu sei ausgeschlossen. Sie bemüht das schiefe Sprachbild, dass jetzt vielmehr mit "eisernem Besen" zusammengestrichen werden müsse.
"Der Steuerzahler wird geschröpft", schimpft Weidel. In Deutschland gebe es nach wie vor die "Herrschaft des Unrechts" – gemeint sind vermeintlich offene Grenzen. Weidel spricht von einem "kompletten Kontrollverlust". Dabei war nach Migration gar nicht gefragt.
Schulden sind für die AfD-Chefin Teufelszeug. Der Staat müsse zusammengestutzt werden, sagt sie. Weidels libertäre Positionen sind kein Geheimnis. Dass die promovierte Ökonomin aber behauptet, dass Staaten wie Unternehmen wirtschaften müssen, verwundert doch.
Weidel ist für die schrillen Töne zuständig
Auf dem Podium der Bundespressekonferenz ist es vor allem Weidel, die für die schrillen Töne zuständig ist, nicht ihr Co-Chef Tino Chrupalla, der ohnehin meistens erst nach Weidel spricht. Die Machtverhältnisse in der AfD sind klar.
Auch die Medien attackiert Weidel. Die würden zu oft nur die Regierungsmeinung "rauströten", sagt sie. Als Beispiel nennt sie die Euro-Rettungspolitik, Corona, Migration. Auch das: bekannte Weidel-Positionen. Sie bleibt wie immer im Allgemeinen, schwarz oder weiss, gut oder böse.
Die AfD-Chefs betonen die internationale Unterstützung, die sie erfahren. Und damit haben sie vermutlich sogar recht. Ob Ungarns Regierungschef Orban, Putin in Russland oder die Trump-Administration in den USA: Die AfD kommt in diesen Kreisen an.
Weidel drückt es so aus: Man wolle gute Beziehungen pflegen, egal, ob nach Russland, in die Ukraine, zu China oder in die USA. Dort mache Präsident Trump übrigens einen "sehr guten Job", sagt Weidel.
Eine Stunde sitzen sie und ihr Co-Chef Chrupalla auf dem Podium der Bundespressekonferenz. Die beiden sind mit ihrer Partei radikal erfolgreich. Doch die Schärfe im Ton, die Unverrückbarkeit der eigenen Positionen zeigt, warum CDU und CSU mit dieser Partei nicht regieren wollen, ja es nicht können. Mit Mässigung ist bei der AfD nicht zu rechnen.
Ein Anruf, der begeistert
Am Schluss berichtet Weidel noch von einem für sie erfreulichen Ereignis. Als sie am Morgen nach der Wahl auf ihr Smartphone blickt, sieht sie dort einen entgangenen Anruf: von Elon Musk. Der Tesla-Chef und Trump-Berater wollte Weidel zum Wahlsieg persönlich gratulieren.
Ähnlich erging es Tino Chrupalla. Er habe von zwei Nationalspielern und ehemaligen Spielern des FC Bayern München Glückwünsche bekommen "Von daher auch viele Grüsse an Uli Hoeness", sagt Chrupalla. Er grinst.
Verwendete Quellen
- Besuch in der Bundespressekonferenz am 24. Februar
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