Eigentlich will Sandra Maischberger in ihrer Talkshow Antworten auf die Frage liefern, ob sich Deutschland angesichts der Flüchtlingsdebatte politisch nach rechts bewegt. Doch mehrere Gäste inklusive der Talk-Masterin verzetteln sich in einem Kleinkrieg mit einem AfD-Spitzenpolitiker. Nur einer behält bei all der Polemik stets den Durchblick.

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Was ist das Thema?

Flüchtlinge. Toleranz. Rassisten. Rechtsradikale. Und nicht zuletzt die Frage, wie rechts Deutschland wirklich ist. Als Aufhänger dient der Diskussion ein Zitat von Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD). Es stammt von dessen Besuch im sächsischen Heidenau. Gabriel hatte über die Rechtsradikalen, die dort wüteten, gesagt: "Bei uns zu Hause würde man sagen: Das ist Pack! Das sind Leute, die mit Deutschland nichts zu tun haben." Eine Minderheit oder doch mehr? Diese Frage soll bei "Menschen bei Maischberger" geklärt werden - eigentlich.

Wer sind die Gäste?

Margot Kässmann ist mit dabei. Deutschlands wohl bekannteste Theologin wird gerne eingeladen, wenn Sender auch der Kirche eine Stimme geben wollen. Die ehemalige Landesbischöfin "schämt" sich für die Bilder, die um die Welt gehen. Ansonsten trägt sie kaum zur Debatte bei. Und schon gar nicht zur Lösung der eingangs gestellten Frage. Man kommt zum Eindruck: Sie ist halt auch da. Zumindest einen polemischen Vergleich hat sie im Repertoire: "Ich möchte nicht in die Dreissiger Jahre zurück."

Julia Klöckner vertritt die CDU. Die stellvertretende Parteivorsitzende wirkt dabei, als sei sie gerade im Wahlkampf. "Ich halte es für falsch, Menschen als Pack zu bezeichnen", sagt sie. Ein kleiner Seitenhieb in Richtung SPD. Schön der Parteilinie treu bleiben. Doch sie hat auch Substanzielles zu bieten. Dass Rechtsradikale oft auch gebildete Menschen, etwa Rechtsanwälte seien. Sie hat das Thema offensichtlich ausführlich von ihren Assistenten recherchieren lassen, zeigt sich gut informiert, verweist beim Thema "Wirtschaftsflüchtlinge" auf ein Telefonat mit der Botschafterin Montenegros, lobt Polizisten und Helfer, kommt aber nicht auf den Punkt.

Sie ist damit nicht allein. Denn auch Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen macht eher den Eindruck, als stünde er mit Spickzettel bewaffnet in einer parlamentarischen Runde. Der innenpolitische Sprecher verzettelt sich in einem Kleinkrieg mit der Alternative für Deutschland (AfD), zeigt einen Tweet ihrer Parteivorsitzenden Frauke Petry. Diese schrieb, dass wegen der Flüchtlinge für Hartz IV künftig vier Milliarden Euro mehr eingeplant werden müssten. "Frau Petry, das ist Volksverhetzung", brüllt er in die Fernsehkamera. "Die Leute, die sowas sagen, sind verantwortlich." Es ist wohl seine Strategie. Kein Wunder: Zwischen Petry und ihm gibt es Spannungen. Nur, die gehören nicht in diese Sendung.

Alexander Gauland von der AfD ist den ersten Blick ein langweiliger, in die Jahre gekommener Mann - und auf jeden Fall gegen Einwanderung. Keiner polarisiert an diesem Abend mehr. "Ich kann das verstehen", sagt er im Repeat-Modus über besorgte Bürger. Und weiter: "Wenn in Königswinter auf dem Marktplatz Zelte aufgeschlagen werden (für Flüchtlinge, Anmerk. d. Red.), dann ist das kein Zustand."

Detlef D! Soost. Was hat denn der da verloren, denkt man sich. Der Tänzer und Choreograph hat deutsche und afrikanische Wurzeln, wuchs in der DDR auf. Er soll dem Ganzen eine Prise Reales verleihen. Tut er auch, erzählt von Angriffen Rechtsradikaler in der S-Bahn und in einem Shopping-Zentrum, "die haben uns durch das ganze Center verfolgt". In einer mitunter schwer wirkenden Debatte ist er der Mann für klare Ansagen. "Das sind Kriminelle. Sie sind für mich Angsthasen, sie stellen sich nicht, sind feige und greifen in der Nacht an."

Olaf Sundermeyer. Der Rechtsextremismus-Experte kommt spät in die Sendung. Trägt dann aber viel Substanzielles zur Diskussion bei. Und ist damit eine Ausnahme.

Was war das Rede-Duell des Abends?

Alle gegen Gauland. Den mag offensichtlich keiner. Vor allem Volker Beck nicht. Gauland wehrt sich: "Was Sie jetzt machen, ist Hetze. Sie wollen nichts, als die AfD in die Ecke drängen, nur weil wir sagen, dass wir keine unkontrollierte Einwanderung wollen. Was ist denn mit den TV-Bildern aus den Zügen …?" Der Grünen-Politiker attackiert den 74-Jährigen: "Perfide, wie 'Herr Gauleiter' hier den ganzen Abend versucht, diese Leute mit Verständnis zu übergiessen. Herr Gauland setzt sich schön bürgerlich in die Sendung und das Fussvolk verrichtet die schmutzige Arbeit." Harter Tobak. Der AfD-Mann bleibt cool, geht in die Offensive, lässt dabei kaum jemand aus. In Richtung Klöckner sagt er: "Ich bin gespannt, was die CDU sagt, wenn wir mal tatsächlich über eine Million (Flüchtlinge, Anmerk, d. Red.] haben."

Was war der Moment des Abends?

Als Sundermeyer kommt. Bei all den Kleinkriegen erfrischend aussagekräftig: "Fremdenfeindlichkeit ist ein gesamtdeutsches Problem", sagt er und referiert über Kölner Hooligans gegen Salafisten, Dresdner Rechtsextreme und Pegida. "Ein Rassist ist nicht gleich Rechtsextremist." Man gewinnt sofort den Eindruck: Der Mann will hier was sagen, und nicht eigenen Eitelkeiten frönen.

Wie hat sich Maischberger geschlagen?

Mässig. Denn offenbar hat auch sie keinen Bock auf den AfD-Mann. "Sagt sogar die AfD", meint sie einmal tendenziös und erklärt mit Verweis auf die Aussagen Gaulands': "Dafür haben wir ihn eingeladen." Einen Roten Faden kann sie auch nicht bieten.

Was ist das Ergebnis?

Gute Frage. Am Schluss geht Maischberger sogar die Zeit aus, so dass sie nicht alle Gäste nach einem Fazit fragen kann. Eine klare Antwort hätte bis auf Sundermeyer wohl aber ohnehin keiner parat gehabt. Zweierlei zeigt die Debatte: Fast alle begrüssen die Einwanderer, egal wie viele es sein werden. Steht einem auch gut zu Gesicht in diesen Tagen. Rational Choice nennt man das in der Politikwissenschaft. Umso mehr ist aber offenbar jeder darum bemüht, die Bilder der vergangenen Wochen erstmal einzuordnen. Beruhigend ist das nicht.

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