Die britische Premierministerin setzt sich mit ihren Brexit-Plänen im eigenen Kabinett durch. Doch im Parlament steht Theresa May noch ein schwerer Kampf bevor.

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Die Chancen auf einen geordneten Brexit sind deutlich gestiegen. Die britische Regierung billigte am Mittwochabend den Entwurf eines Austrittsvertrags mit der Europäischen Union.

Damit ist aus Sicht der EU-Kommission ausreichender Fortschritt erreicht, sodass ein Brexit-Sondergipfel einberufen werden könnte - nach Angaben von Diplomaten voraussichtlich am 25. November.

Die grösste Hürde wartet aber noch. Im britischen Parlament, das den Vertrag letztlich ratifizieren muss, gibt es grossen Widerstand.

Kommt der Vertrag zustande, wäre ein geordneter Austritt am 29. März 2019 gesichert sowie eine Übergangsphase bis mindestens Ende 2020, in der sich fast nichts ändert. Ob dies gelingt, dürfte sich aber erst nach einer Zitterpartie in den nächsten Wochen herausstellen.

Barnier: "Bleibt noch viel, viel Arbeit"

Schon die Billigung durch das britische Kabinett gestaltete sich langwierig. Schliesslich teilte Premierministerin Theresa May nach einer etwa fünfstündigen Sitzung mit, ihre Minister hätten zugestimmt. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, vor allem mit Blick auf die umstrittene Irland-Frage. May sprach dennoch vom bestmöglichen Abkommen, das habe ausgehandelt werden können.

"Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen, aber ich glaube, es ist eine Entscheidung, die zutiefst im nationalen Interesse ist", sagte May vor ihrem Regierungssitz. Vorausgegangen sei eine "lange, detaillierte und leidenschaftliche" Debatte.

Mit Blick auf das britische Parlament betonte die Regierungschefin: "Das ist ein Beschluss, der einer intensiven Prüfung unterzogen wird, und das ist genau, wie es sein sollte, und vollkommen verständlich. May will am Donnerstag den vom Kabinett gebilligten Entwurf im Parlament in London vorstellen.

Wenig später trat in Brüssel EU-Chefunterhändler Michel Barnier vor Journalisten und sprach von einer "entscheidenden Etappe", die nun erreicht sei. "Wir sind an einem wichtigen Punkt dieser aussergewöhnlichen Verhandlungen angekommen", sagte Barnier. Er fügte hinzu: "Es bleibt noch viel, viel Arbeit. Ich weiss, dass der Weg noch weit ist und vielleicht schwierig, um einen geordneten Austritt zu garantieren und darüber hinaus eine ambitionierte und dauerhafte Partnerschaft mit Grossbritannien aufzubauen."

Widerstand über Parteigrenzen hinweg

Von EU-Seite dürfte es nach Darstellung von Diplomaten nicht allzu grosse Schwierigkeiten geben. Die Botschafter der 27 bleibenden EU-Länder wurden am Mittwoch ausführlich informiert. Es seien keine entscheidenden Bedenken geäussert worden, hiess es anschliessend.

Eine Vorentscheidung treffen die Staats- und Regierungschefs bei dem geplanten Sondergipfel. Letztlich muss auch das Europaparlament den Vertrag ratifizieren. Mehrere Europaabgeordnete begrüssten die Einigung, kündigten aber eine genaue Prüfung an.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker schrieb am Abend in einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk, die Brexit-Verhandlungen seien fast am Ziel. Die EU-Kommission empfehle den EU-Staaten, auf Grundlage des entscheidenden Fortschritts die Verhandlungen abzuschliessen.

In Grossbritannien formiert sich hingegen parteiübergreifender Widerstand gegen den Entwurf. Ob die Regierung eine Mehrheit erreichen kann, scheint zweifelhaft. Umstritten ist vor allem die jetzt von den Unterhändlern gefundene Lösung für die Frage, wie künftig Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden sollen.

Die Europäische Union verlangte dafür eine Garantie und setzte sie im Entwurf auch durch. Barnier beschrieb den nun getroffenen Kompromiss so: Man werde alles daran setzen, in der im Vertrag vorgesehenen Übergangsphase eine dauerhafte Lösung auszuhandeln. Im Juli 2020 könne man entscheiden, die Übergangsphase zu verlängern.

Nur wenn nach dieser Frist keine Lösung gefunden ist, tritt eine Notfallklausel in Kraft. Demnach würde Grossbritannien zunächst als Ganzes in der Europäischen Zollunion bleiben. Für Nordirland würden einige weitergehende Bestimmungen gelten.

Ruf nach zweitem Brexit-Referendum

Der sogenannte Backstop stösst auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und in der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung im Parlament angewiesen ist. Die DUP sträubt sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands. Zudem fordern die Brexit-Hardliner in Mays Partei, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten dürfe. Beide drohen damit, das Abkommen durchfallen zu lassen.

Auch von anderer Seite droht May Ungemach. Die Brexit-Gegner im Parlament hoffen, eine Niederlage Mays könnte zu einem zweiten Brexit-Referendum und so zum Verbleib des Landes in der EU führen. Die Labour-Opposition rechnet sich Chancen auf eine Neuwahl aus.

Sollte die angekündigte Einigung im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit schweren Folgen für alle Lebensbereiche. Zunächst wäre es aber wohl das Ende der Regierung May.

Mehrere britische Medien spekulierten unter Verweis auf Informationen aus Kreisen der Konservativen Partei über einen bevorstehenden Misstrauensantrag gegen May. Für einen solchen Antrag wären entsprechende Briefe von 48 Tory-Parlamentariern notwendig. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass May ein Misstrauensvotum verlieren würde.  © dpa

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