Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt die Kandidatur von Manfred Weber (CSU) für das Amt des Kommissionspräsidenten. Doch mit dieser Position steht sie im politischen Europa zunehmend allein auf weiter Flur. Steht das Spitzenkandidaten-Prinzip der Europawahl vor dem Aus?

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Bei der Suche nach einer neuen Führung für die Europäische Union ist vor dem Sondergipfel am Sonntag noch keine Lösung in Sicht. Kanzlerin Angela Merkel bekräftigte zwar am Mittwoch, dass nur einer der Europawahl-Spitzenkandidaten Chef der EU-Kommission werden sollte. Ihr Wunschkandidat Manfred Weber (CSU) hat aber bisher weder im EU-Parlament noch im Rat der Staats- und Regierungschefs eine Mehrheit.

Am Mittwochabend beriet Merkel im Kanzleramt mit Weber, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder und dem EVP-Präsidenten Joseph Daul darüber, wie es nun weiter geht. Mit Weber als Spitzenkandidat war die EVP im Europaparlament wieder stärkste Kraft geworden, allerdings nach Verlusten und mit nur noch 24 Prozent der Mandate.

Merkel kämpft für Spitzenkandidaten

Im Bundestag räumte die Kanzlerin ein, dass die Ausgangslage komplizierter sei als nach der Europawahl vor fünf Jahren. Die Staats- und Regierungschefs müssten einen gemeinsamen Kandidaten finden. "Ich möchte, dass dies unter Berücksichtigung des Spitzenkandidaten-Konzepts geschieht - ob das im Rat gelingt, kann ich Ihnen heute nicht sagen", fügte die CDU-Politikerin hinzu.

Bei der Europawahl war Weber Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, zu der CDU und CSU gehören. Der Sozialdemokrat Frans Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager bewerben sich ebenfalls um die Nachfolge von Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Auch sie haben aber keine Mehrheiten.

Merkel bezeichnete es als wünschenswert, dass vor der Wahl des EU-Parlamentspräsidenten ein gemeinsames Personalpaket für die europäischen Spitzenposten geschnürt wird. Diese Wahl ist für den 2. oder 3. Juli vorgesehen. Merkel sagte, das Spitzenkandidaten-Modell dürfe nicht ausser Acht gelassen werden, Europa müsse aber auch handlungsfähig sein.

Der Rat hat das Recht zur Nominierung des neuen Kommissionschefs, das Parlament muss ihn anschliessend wählen. Daneben sind vier weitere Topjobs zu besetzen: die Präsidenten des Europäischen Rats, des Europaparlaments und der Europäischen Zentralbank sowie das Amt der EU-Aussenbeauftragten.

In Brüssel hatte Weber am Dienstagabend mit den Fraktionschefs der Sozialdemokraten, der Liberalen und der Grünen über ein inhaltliches Programm für den nächsten Kommissionschef verhandelt. Auf dieser Grundlage wollte Weber sich eine Mehrheit im Europaparlament sichern. Doch noch liegt kein Ergebnis vor.

Grünen-Fraktionschefin Ska Keller sagte nach dem Treffen: "Die Fraktionen arbeiten weiter an den Inhalten. Dass das nicht in zwei Tagen was wird, ist klar." Die Grünen seien mit grosser Ernsthaftigkeit dabei, "denn wir wollen echte Veränderung in der EU, zum Beispiel beim Klimaschutz. Nächste Woche reden wir also weiter".

Die sozialdemokratische Fraktionschefin Iratxe Garcia Perez machte auf Twitter deutlich, dass ihre Partei weiter zu Timmermans steht. "Wir glauben an den Spitzenkandidatenprozess und unser Kandidat ist der, der die meiste Unterstützung im Europaparlament bekommen kann", schrieb die Spanierin. Weber twitterte seinerseits, seine EVP-Fraktion stehe weiter geschlossen hinter ihm. "Der Kampf für ein demokratischeres Europa geht weiter", schrieb der CSU-Politiker.

Vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron hatte sich deutlich gegen Weber und das Spitzenkandidatenprinzip ausgesprochen. Weber griff Macron in einem Beitrag in der "Welt" indirekt scharf an: "Seit dem Europäischen Rat ist das Spitzenkandidatenprinzip vermeintlich begraben. Bisher haben diejenigen obsiegt, die destruktiv unterwegs sind und etwas verhindern wollen. Konstruktive Ansätze, Vorschläge, die auch eine Chance auf Akzeptanz im Europäischen Parlament haben, liegen in weiter Ferne." (mc/dpa)

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