• Historischer Tag in Berlin: Der Bundestag hat am Mittwochmorgen Olaf Scholz (SPD) zum neunten Bundeskanzler gewählt. Er erhielt 395 Stimmen - 369 wären nötig gewesen.
  • Wenig später wurde er von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier offiziell ernannt und legte gegen Mittag seinen Amtseid ab.
  • Auch die 16 Ministerinnen und Minister leisteten am Nachmittag ihren Amtseid.

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Olaf Scholz ist neunter Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ernannte den SPD-Politiker am Mittwoch zum Nachfolger von Angela Merkel (CDU). Zuvor hatte ihn der Bundestag zum Bundeskanzler gewählt.

Scholz legte im Bundestag seinen Amtseid ab. Der SPD-Politiker schwor unter anderem, seine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden. Am Mittwochnachmittag leisteten auch seine 16 Ministerinnen und Minister ihren Amtseid. Zuvor waren sie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ernannt worden.

Scholz übernimmt Amtsgeschäfte und dankt Vorgängerin Angela Merkel

Ebenfalls am Nachmittag übergab Angela Merkel die Amtsgeschäfte an ihren Nachfolger. "Nehmen Sie dieses Haus in Besitz und arbeiten Sie mit ihm zum Besten unseres Landes", sagte die CDU-Politikerin. Sie wisse aus eigenem Erleben, dass es ein bewegender Moment sei, in dieses Amt gewählt zu werden.

Scholz erahne vielleicht, dass dies eine spannende, erfüllende und auch fordernde Aufgabe sei. "Aber wenn man sie mit Freude angeht, dann ist es vielleicht auch eine der schönsten Aufgaben, die es gibt, für dieses Land Verantwortung zu tragen", sagte Merkel. Sie wünsche von Herzen alles Gute und immer eine glückliche Hand für das Land.

Scholz dankte seiner Vorgängerin für ihren Einsatz als Kanzlerin für Deutschland. In ihrer Amtszeit habe Merkel viele Krisen zu bewältigen gehabt, manche davon hätten sie auch zusammen durchgestanden. "Das hat zusammengeschweisst", sagte Scholz bei der Amtsübergabe im Kanzleramt. "Zwischen uns hat immer eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit existiert." Das zeige, dass Deutschland eine starke und leistungsfähige Demokratie sei.

Wenn er jetzt das Kanzleramt übernehme, werde sich gar nicht so viel ändern, sagte Scholz mit einem Schmunzeln. "Ich will gerne anknüpfen an die, wie soll man das sagen, nord-ostdeutsche Mentalität, die da bisher geherrscht hat. So viel wird sich da nicht ändern", versprach er.

Später fügte er ernst hinzu, ein Regierungsübergang in einer grossen, nicht abgeschlossenen Krise setze auch Kontinuität und Gemeinschaft voraus. "Und ich gehe davon aus, dass uns das auch gelingt", sagte er.

Scholz bekam mehr Stimmen, als erforderlich waren

Scholz war am Vormittag mit 395 von 707 abgegebenen Stimmen vom Bundestag gewählt worden. Es gab 303 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen, 3 Stimmen waren ungültig. Zur Wahl des Sozialdemokraten waren 369 Stimmen nötig. SPD, Grüne und FDP verfügen im Parlament zusammen über 416 Mandate, liegen also um 47 Mandate über der so genannten Kanzlermehrheit.

Kühnert geht davon aus: Abweichler kommen von FDP und Grünen

SPD-Vize Kevin Kühnert geht davon aus, dass die Abweichler bei der Kanzlerwahl nicht aus Reihen der SPD, sondern von FDP und Grünen kamen. Den Koalitionspartnern falle es naturgemäss schwerer, jemanden von einer anderen Partei zum Kanzler zu wählen, sagte Kühnert am Mittwoch dem Sender Phoenix. Gefragt nach dem Wahlverhalten der Jusos unter den Bundestagsabgeordneten sagte er: "Da würde ich meine Hand ins Feuer legen, dass bei uns alle gestanden haben."

Kühnert, der am Wochenende zum SPD-Generalsekretär gewählt werden soll, betonte, die SPD werde auch als Partner in einer Ampel-Koalition die grosse linke Volkspartei bleiben. "Wir werden hier nicht zum politischen Neutrum", sagte er. Man werde aber weder ein Gegeneinander von Kanzler und Parteispitze noch einen Kleinkrieg mit den Koalitionspartnern erleben.

Scholz steht damit nun an der Spitze einer Ampel-Koalition - es ist das erste derartige Bündnis auf Bundesebene. Nach Vorgabe des Grundgesetzes hat die Abstimmung ohne vorherige Debatte stattgefunden.

Scholz ist nun der neunte Kanzler der Bundesrepublik und der vierte, den die Sozialdemokraten stellen - nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Die CDU stellte bislang die vier Kanzler Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Helmut Kohl sowie zuletzt Kanzlerin Merkel.

Frank-Walter Steinmeier händigt Scholz Ernennungsurkunde aus

Gegen 10:15 Uhr händigte Steinmeier Scholz die Ernennungsurkunde aus. Damit geht die Regierungsgewalt auf den neuen Kanzler über. Um 12:00 Uhr wurde Scholz dann im Bundestag von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vereidigt. Das hat vor allem symbolischen Charakter: Damit gibt der neue Kanzler das Versprechen ab, die ihm auferlegten Pflichten zu erfüllen.

Auf Vorschlag des Kanzlers werden auch die Bundesminister und -ministerinnen vom Bundespräsidenten ernannt. Auf der Gästetribüne des Bundestags sass auch die noch geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie erhielt nach der Begrüssung durch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) langen Beifall. Die AfD-Fraktion zollte ihr zum Abschied keinen Respekt.

Das neue Bundeskabinett kommt bereits am Mittwochabend zu seiner ersten Sitzung zusammen. Wie das Bundespresseamt mitteilte, findet die konstituierende Sitzung um 18:00 Uhr im Kanzleramt statt.

Klingbeil nennt Tag der Kanzlerwahl "total besonderen Tag"

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil den Tag der Kanzlerwahl von Olaf Scholz als einen "total besonderen Tag" bezeichnet. Dies sei für ihn auch emotional nach eineinhalb Jahren Wahlkampf, sagte er am Mittwoch am Rande der Bundestagssitzung. "Niemand hat an uns geglaubt, als wir vor anderthalb Jahren Olaf Scholz als Kanzlerkandidat aufgestellt haben. Jetzt wird er gewählt und ich darf meine Stimme abgeben dafür."

Klingbeil sprach von einem "Riesenerfolg". Er werde nach den aktuellen Ereignissen ein bisschen Ruhe brauchen, um das zu realisieren. Jeden Tag passiere momentan etwas anderes, sagte er mit Blick auf die zurückliegenden Koalitionsverhandlungen, die Regierungsbildung und Parteitage. An diesem Samstag soll Klingbeil bei einem SPD-Parteitag zum Co-Parteichef gewählt werden. "Aber heute ist das Highlight mit der Wahl des Kanzlers."

Mit der neuen Bundesregierung gibt es auch einen neuen Regierungssprecher: Steffen Hebestreit übernimmt das Amt von Steffen Seibert. Hebestreit war bisher schon im Bundesfinanzministerium Sprecher von Olaf Scholz. Er übernimmt auch den Twitter-Account @RegSprecher.

"Allen, die mir hier gefolgt sind, danke ich herzlich für das grosse Interesse über die lange Zeit!", schrieb Seibert. Sein Account werde als @RegSprecherStS archiviert. (pak/ank/AFP/dpa)

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