Union und SPD im rapiden Sinkflug: Eine Woche vor dem schon als Schicksalswahl bezeichneten Urnengang in Hessen schmeissen sich die Parteichefinnen in die Bresche - es geht auch um ihre Zukunft.
Eine Woche vor der auch für die grosse Koalition wichtigen Hessen-Wahl hat Kanzlerin
"Dann verlieren wir Charakter einer Volkspartei"
Wenn man sich weiter so stark damit beschäftige, was in der Flüchtlingspolitik 2015 vielleicht anders hätte laufen müssen, statt zukunftsorientierte Politik zu machen, "dann werden wir den Charakter einer Volkspartei verlieren", sagte Merkel am Samstag beim Landesparteitag der Thüringer CDU in Leinefelde-Worbis (Eichsfeld).
CDU und SPD müssen am 28. Oktober bei der Landtagswahl in Hessen herbe Verluste befürchten - in einer ZDF-Umfrage lag die CDU mit 26 Prozent vor den Grünen (22) und der SPD (20).
So ein Beben - mit womöglich einem Ministerpräsidenten der Grünen - könnte gerade bei der SPD zu Forderungen führen, die Koalition im Bund bald aufzukündigen.
Aber auch eine geplante erneute Kandidatur Merkels für den CDU-Vorsitz beim Parteitag im Dezember könnte dann zur Disposition stehen - Merkel hat stets betont, dass Parteivorsitz und Kanzlerschaft in eine Hand gehören, da sonst die Macht zunehmend zerbröseln kann.
Besonders für die SPD gibt es aber angesichts der bundesweiten Umfragen von 14 Prozent kaum Alternativen, bei einer Neuwahl könnte sie hinter Grünen und AfD nur auf Platz vier landen.
Merkel fordert mehr Optimismus
"Seit einem Jahr beschäftigen wir uns viel zu sehr damit, ob wir beleidigt sein sollen oder nicht", sagte Merkel mit Blick auf die innerparteilichen Querelen zwischen CDU und CSU nach dem schlechten Bundestagswahlergebnis 2017 (32,9 Prozent). "Solche Menschen wählt man nicht. Wir sollten optimistisch in die Zukunft blicken."
Sie forderte die rund 175 Delegierten dazu auf, ein Zeichen zu setzen, "für Zukunftsoffenheit, für Optimismus, für Mut". Merkel fügte hinzu: "Mit Griesgram gewinnt man die Menschen nicht."
"Es spricht keine Sau darüber"
Die angeschlagene SPD-Vorsitzende
Es gebe jetzt Leitartikel um Leitartikel, die vom Ende der SPD ein Lied singen würden. Die SPD solle aber nicht auf die Umfragen wie ein Kaninchen auf die Schlange schauen.
Am 28. Oktober könne Thorsten Schäfer-Gümbel Ministerpräsident in Hessen werden, sagte Nahles. "Wie amtsmüde muss dieser Bouffier noch werden, dass die Hessen ihn endlich mal in den Ruhestand schicken", fragte Nahles mit Blick auf Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).
Die SPD setze sich am stärksten für bezahlbaren Wohnraum und stabile Renten ein. "Wir machen Politik für die Vielen und nicht für die Wenigen." Nahles räumte ein, dass die SPD damit kaum durchdringe. "Es spricht nur keine Sau darüber." Sie wolle, dass die SPD wieder die interessanteste Partei werde, wenn es um Zukunftsdebatten gehe.
Nahles ist seit April die erste Vorsitzende der mit 155 Jahren Geschichte ältesten Partei Deutschlands. Neben der AfD profitieren die Grünen derzeit am stärksten vom Verdruss vieler Bürger über Union und SPD und ihrem Dauerstreit über die Asylpolitik.
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sieht eine "tektonische Plattenverschiebung in der Parteienlandschaft". "Wir sind die Partei der Schöpfungsbewahrung, der Ökologie und der Nachhaltigkeit. Ist das links? Ist das rechts? Das ist alles nur noch Gesässgeografie", sagte er der "Welt am Sonntag" mit Blick auf das Konzept der Volkspartei, die wie ein Kaufhaus versucht, durch ein breites Angebot möglichst viele Bürger zu binden.
In Zeiten zunehmender Polarisierung birgt der ständige Kompromiss aber die Gefahr, ein klares Profil zu verlieren. © dpa
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