In ihrer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen leidenschaftlichen Appell an die Weltöffentlichkeit gerichtet. Sie forderte zu verstärkter internationaler Zusammenarbeit auf, um die zentralen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.
Bundeskanzlerin
Merkel forderte eine verstärkte multilaterale Zusammenarbeit. Gleichzeitig betonte die Kanzlerin, wie wichtig die Fähigkeit sei, Kompromisse zu schliessen.
Merkel: "Nicht um den heissen Brei herumreden"
"Wir dürfen nicht um den heissen Brei herumreden", betonte Merkel: "Eine globale Architektur wird nur funktionieren, wenn wir insgesamt fähig zum Kompromiss sind."
Bei allen notwendigen Reformen an der globalen Ordnung sei es wichtig, dass die bestehende Ordnung nicht soweit ruinierte werde, dass kein Mensch mehr an neue Leitplanken glaube.
Zu Beginn ihrer Rede versicherte Merkel den Zuhörern: "Ich darf Ihnen sagen, dass Deutschland wieder eine stabile Regierung hat und wir nach anfänglichen Schwierigkeiten auch gewillt sind, gut zu arbeiten."
Die Regierungschefin kritisierte eine "Vielzahl von Störungen und Verunsicherungen im multilateralen System". Das führe neben anderen Herausforderungen zu sinkenden Wachstumsprognosen durch den Internationalen Währungsfonds.
Länder wie China und Indien beeinflussten die Weltwirtschaft inzwischen viel stärker. Wenn ein bestehendes multilaterales System aber zu langsam darauf reagiere, sei die Folge, dass sich andere Institutionen bildeten.
Vor diesem Hintergrund solle das Forum in Davos einen Beitrag leisten, nämlich "besser mehr Sicherheit wieder in die Dinge hineinzubringen, als dass die Unsicherheit noch wachsen sollte".
Merkel: Mehr Ehrlichkeit bei Fragen der Klimaveränderung
Die Industrieländer forderte Merkel dazu auf, ihrer Verantwortung für das Weltklima gerecht zu werden. Das Thema Klimaveränderung habe für die gesamte Welt eine riesige Bedeutung. Die Industrieländer hätten die Fähigkeit und auch die Verantwortung, Technologien zu entwickeln, von denen andere dann profitieren könnten.
In Deutschland werde angesichts des geplanten Kohleausstiegs in den kommenden Jahrzehnten Erdgas eine grössere Rolle spielen, sagte Merkel. Das werde weiterhin aus Russland kommen, möglicherweise aber auch als Flüssiggas aus den USA und anderen Ländern. Die Infrastruktur werde in alle Richtungen ausgebaut.
"Wenn wir aus der Kohle aussteigen, wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, dann müssen wir den Menschen ehrlich sagen, werden wir mehr Erdgas brauchen", sagte Merkel.
Brexit: Merkel setzt auf geregelten Austritt
Auch zum Brexit äusserte sich die Bundeskanzlerin: Sie setzt trotz des Wirrwarrs in London weiter auf einen geregelten Austritt Grossbritanniens aus der EU.
"Mein ganzes Sinnen und Trachten richtet sich darauf, das in einer geregelten Form hinzubekommen, in der wir eine gute Partnerschaft haben können zum Wohle aller", sagte Merkel.
Bei innerer und äusserer Sicherheit sowie der Verteidigung sei man dringend auf eine Kooperation mit den Briten angewiesen. "Aber wir sind eben auch ein Handelsraum, und je näher und unkomplizierter unsere Beziehungen sind, umso besser", betonte Merkel. Das liege aber auch in der Hand Grossbritanniens.
Bankenkrise: Vertrauen wieder zurückgewinnen
Ein weiteres Thema ihrer Rede: die Bankenkrise. Politik und Wirtschaft rief Merkel dazu auf, alles zu tun, um eine Wiederholung der Bankenkrise von vor mehr als zehn Jahren zu verhindern.
Die Zinspolitik der grossen Notenbanken zeige, "dass wir letztendlich immer noch an dieser Krise knabbern, dass wir immer noch nicht raus sind", sagte Merkel.
Die Krise stecke uns "heute noch in die Knochen", analysierte die Kanzlerin: "Sie hat unglaublich viel Vertrauen gekostet in der Politik, aber auch im Bereich der Wirtschaft, insbesondere im Finanzsektor."
Die als Reaktion auf die Bankenkrise eingeführten Regulierungen seien zwar Fortschritte gewesen. Bei den Menschen habe der "Glaube an einen stabilen, internationalen Finanzsektor doch sehr gelitten". Alles müsse dafür getan werden, um zu verhindern, dass eine solche Krise erneut entstehe.
Merkel nannte als Beispiel die Bildung einer asiatischen Investitionsbank als Gegengewicht zur Weltbank. Sie sagte weiter: "Wenn China sich ein 16 plus 1-Format sucht, um mit Teilen der Europäischen Union zusammenzuarbeiten, dann ist das wie ich finde ein Warnschuss."
US-Präsident Trump kommt nicht nach Davos
Die Tagung mit mehr als 3.000 Teilnehmern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dauert noch bis Freitag. Im Mittelpunkt steht die Suche nach Lösungen für die "Globalisierung 4.0", einer neuen Phase der Globalisierung.
Merkel ist nach den Absagen von zahlreichen anderen Staatschefs wie US-Präsident Donald Trump eine der einflussreichsten Teilnehmerinnen auf der Konferenz in dem Schweizer Skiort.
Nach ihrer Rede wollte sie mit internationalen Unternehmensführern über das Thema künstliche Intelligenz sprechen. Bei einer Abendveranstaltung soll es dann um Europa gehen.
Am Donnerstag will sich Merkel mit weiblichen Führungskräften grosser Unternehmen austauschen. Anschliessend spricht sie mit anderen Staats- und Regierungschefs, Unternehmern und Vertreter internationaler Organisationen über Afrika. Begleitet wird Merkel von Gesundheitsminister Jens Spahn, Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (alle CDU).
(hub/afp/dpa)
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