- Die gestiegenen Energiepreise bieten den Staats- und Regierungschefs in der EU eigentlich genug Gesprächsstoff.
- Doch ein anderes Thema schiebt sich in den Vordergrund - und droht zu eskalieren.
- Für Kanzlerin Angela Merkel könnte es der letzte EU-Gipfel sein.
Der erbitterte Streit um den Rechtsstaat in Polen droht den womöglich letzten EU-Gipfel von Kanzlerin
Polen, der Rechtsstaat und die offene Konfrontation
EU-Ratschef Charles Michel wollte die Debatte über das Thema eigentlich vom Gipfel fernhalten. Doch da der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zuletzt keinerlei Entgegenkommen signalisiert hat, führt an einer Diskussion kein Weg mehr vorbei.
Hintergrund des eskalierenden Streits ist das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, nach dem Teile des EU-Rechts nicht mit Polens Verfassung vereinbar sind. Diese Entscheidung wird von der EU-Kommission und etlichen anderen Staaten als höchst problematisch angesehen, weil sie der polnischen Regierung einen Vorwand geben könnte, ihr unliebsame Urteile des Europäischen Gerichtshofes zu ignorieren.
Im Europaparlament kam es am Dienstag zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen den Parteien. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drohte Polen wegen des Urteils offen mit finanziellen Sanktionen, Morawiecki wiederum warf der EU-Kommission Erpressung und Kompetenzüberschreitungen vor.
Wie es weitergeht, ist unklar. Während Länder wie die Niederlande einen knallharten Kurs gegen Rechtsstaatsverstösse fordern, rief Bundeskanzlerin Angela Merkel noch am vergangenen Freitag zum Dialog mit Warschau auf. "Wir haben grosse Probleme, aber ich rate dazu, sie im Gespräch zu lösen und Kompromisse zu finden", sagte sie. Die CDU-Politikerin fürchtet auch, dass Polen bei zu viel Druck wichtige EU-Vorhaben wie die Klimapolitik blockieren könnte.
Was tun gegen die Explosion der Gaspreis?
Das eigentliche Topthema der Staats- und Regierungschefs ist der dramatische Energiepreisanstieg. Seit Monaten schnellen die Preise - besonders für Gas - in die Höhe. Das spiegelt sich in höheren Strom- und Heizkosten für Verbraucher. Die EU-Kommission stellte kürzlich Möglichkeiten vor, wie die EU-Länder dagegen vorgehen können. Dazu gehören Steuersenkungen, Zahlungen an betroffene Haushalte oder Subventionen für kleine Unternehmen. Mehrere Länder haben solche Massnahmen bereits ergriffen. Staaten wie Spanien oder Frankreich fordern allerdings tiefergreifende Massnahmen auf EU-Ebene.
Auf dem Gipfel soll nun etwa darüber diskutiert werden, wie unter anderem von Spanien und Griechenland gefordert, gemeinsame Gasvorräte anzulegen oder zusammen Gas einzukaufen. Dafür gibt es allerdings keinen Konsens, Deutschland etwa ist kritisch. Unter anderem Frankreich hatte zudem gefordert, das System zur Bildung der europäischen Strompreise für den Grosshandel zu ändern. Paris nutzt die Gelegenheit auch, um für Atomkraft zu werben. Da die Positionen weit auseinandergehen, dürfte es bei dem Gipfel kaum konkrete Ergebnisse geben.
Und sonst?
Beim Abendessen wollen die Staats- und Regierungschefs eine Strategiedebatte über die Handelspolitik der EU führen. Zudem werden auch aussenpolitische Fragen erörtert. Am Freitag steht dann einmal mehr eine Diskussion über die Lage im Bereich auf Migration und den digitalen Wandel auf der Agenda. Irgendwo zwischen den Gesprächen soll es zudem eine kleine Abschiedsfeier für die wahrscheinlich zum letzten Mal an einem EU-Gipfel teilnehmende Angela Merkel geben. Deren Bilanz ist nach 16 Jahren im Kanzleramt aussergewöhnlich. Der für Donnerstag geplante Gipfel sei das 107. Treffen mit Merkel, teilte ein Sprecher des Europäischen Rats am Mittwochabend mit. (dpa/mgb)
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