- Ein Schnellzug für Maya-Touristen? Das seit 2018 geplante Milliarden-Projekt "Tren Maya" nimmt konkrete Formen an.
- Das Ziel des 160 Kilometer in der Stunde schnellen Zuges: Ökotouristen zu wichtigen Maya-Stätten befördern.
- Doch das Ganze hat massive Konsequenzen für die Umwelt und zahlreiche Maya-Schätze.
Ab 2024 soll Zug auf 1.500 Kilometern Strecke durch den Dschungel rasen. Für den Fortschritt zahlt das Land einen hohen Preis: Dem Bau fallen unzählige archäologische Stätten und riesige Flächen Regenwald zum Opfer, Menschenrechte indigener Einwohner werden missachtet. Der Protest ist entsprechend gross. Auch in Deutschland: Die Deutsche Bahn ist an dem höchst umstrittenen Projekt wesentlich beteiligt.
Drei Millionen Touristen im Jahr rasen bald durch den Dschungel
Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador setzt alles daran, den "Tren Maya" bis zum Ende seiner Amtszeit 2024 fertigstellen zu lassen. Die mit dem Bau verbundenen Versprechen klingen auf den ersten Blick verlockend: Der Zug soll drei Millionen Touristen im Jahr an mehr als ein Dutzend Orte und Maya-Stätten bringen. Wirtschaftlich schwache Regionen sollen so für Fremde zugänglicher gemacht werden. Auch von Güterverkehr ist die Rede.
Starke Argumente für eine Bevölkerung, von der 40 Prozent in Armut lebt. Doch Kritiker werfen dem mexikanischen Präsidenten Augenwischerei, Grössenwahn und fehlenden Respekt vor dem kulturellen Erbe Mexikos vor, der sich, so heisst es, mit dem teuren Projekt ein Denkmal setzen wolle.
Wohlstand der Mexikaner wichtiger als indigenes, kulturelles Erbe
Klar ist schon jetzt, dass dem Bau unzählige archäologische Stätten zum Opfer fallen. Bevor die Bagger in Bauabschnitten ansetzen, reisen ihnen Experten der Regierung voraus, um unentdeckte und betroffene archäologische Stätten vorab zu sichten. Diese reichen von unerforschten Höhlen über Gräber bis hin zu grossen Pyramiden und Dörfern.
Die Aufgabe der Experten ist dabei, die neuen Entdeckungen zu kategorisieren. Für die komplette Sichtung der Funde bleiben den Experten nur wenige Wochen, obwohl das für gewöhnlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen dürfte. Am Ende werden, so will es der mexikanische Präsident, nur die besonders wertvollen Entdeckungen vor der Planierraupe verschont. Der Rest wird zerstört. Der kulturelle Schaden am Erbe Mexikos könnte kaum grösser sein.
Proteste von Menschenrechtlern ignoriert: Enteignung ist die Folge
Gegen den respektlosen Umgang mit dem Erbe der Maya protestieren seit Baubeginn zahlreiche Vertreter indigener Gruppen. Ihre Kritik: Obwohl Mexiko das ILO-169-Abkommen zum Schutz der Rechte indigener Völker unterzeichnet hat, verletze der Staat im Hinblick auf das "Tren Maya"-Bauprojekt ihre Rechte. Mexiko habe die indigene Bevölkerung nicht, wie es das Abkommen verlangt, ausreichend befragt und bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich des Maya-Zuges eingebunden.
Präsident López Obrador argumentiert dagegen, dass es 2019 per Wahl eine eindeutige Zustimmung der indigenen Gruppen zu "Tren Maya" gegeben habe. Tatsächlich fand diese unter recht fragwürdigen Bedingungen statt. Das Ergebnis der Abstimmung wird deshalb von vielen nicht anerkannt und als nicht repräsentativ bewertet.
Die Klagen der indigenen Protestler haben Erfolg – hier und da erteilen Richter Baustopps. Doch halten sie das Mega-Projekt auf der Halbinsel Yucatan wirklich auf? Präsident López Obrador ist sich für keinen Trick zu schade. Erst jüngst deklarierte er den "Tren Maya" zu einem Bauprojekt von "nationaler Sicherheit". Die Folge: Viele indigene Mexikaner, deren Land am Bahnabschnitt lag, konnte er enteignen. Die betroffene Fläche betrug mehr als eine Million Quadratmeter. Jetzt rollen die Bagger wieder weiter.
Umwelt- und Klimaschutz: Für Mexiko kein Thema mehr
Auch Umwelt- und Klimaschützer protestieren vehement gegen den Maya-Zug, denn auch das ökologische Ausmass des Bauprojekts ist massiv. Über 20 Naturschutzgebiete, darunter auch UNESCO Welterbestätten, zerstöre der Bau des Maya-Zugs. Viele Tierarten wie Pumas und Jaguare seien ebenfalls durch die Bauarbeiten bedroht.
Allein im ersten Bauabschnitt sollen zudem elf Millionen Bäume abgeholzt werden. Und das, obwohl der Erhalt des Regenwals Mexiko helfen würde, seine Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Schliesslich nehmen die Bäume auf natürliche Art und Weise Kohlenstoffdioxid auf.
Doch unter Präsident López Obrador, der seit 2018 im Amt ist, ist das Thema Klimaschutz kaum noch relevant. Stattdessen gibt Mexiko kein bestimmtes Jahr mehr vor, ab dem es seinen CO2-Ausstoss senken will. Auch ein Datum für Klimaneutralität fehlt nun. Vor 2018 zählte Mexiko noch zu den Klimavorreitern unter den Schwellenländern.
Protest nur unter Lebensgefahr
Ob Menschenrechtler oder Umweltaktivist: Protest in Mexiko ist lebensgefährlich. Wer seinen Mund aufmacht, riskiert nicht nur enteignet zu werden. Bedrohungen und Morde sind an der Tagesordnung.
In 2021 sind in Mexiko nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Global Witness 54 Umweltprotestler getötet worden. Mexiko führt weltweit die Liste an getöteten Aktivisten an, dicht gefolgt von Kolumbien und Brasilien.
Für die Touristen und den Profit: Deutsche Bahn wirkt an dem Projekt mit
Auch die Deutsche Bahn, die vollständig dem deutschen Staat gehört, ist an dem Projekt in Mexiko beteiligt. Über ihre Tochterfirma DB Engineering & Consulting wirkt sie an dem Bau des Schnellzuges, der angesichts von Klimawandel und planetarischer Ressourcenknappheit aus der Zeit gefallen zu sein scheint, massgeblich mit. Das macht viele Aktivisten auch hierzulande fassungslos.
Der Vorwurf: Mit dem "Tren Maya" zerstöre die Deutsche Bahn den Regenwald sowie ihre eigenen Klimaversprechen und handle darüber hinaus auch noch gegen das Abkommen zum Schutz der Rechte indigener Völker. Deutschland hat das ILO-169-Abkommen erst 2021 unterzeichnet. Für Verstösse gegen die Umwelt und Menschenrechte sind Unternehmen aufgrund des Lieferkettengesetzes, das ab dem 1.1.2023 in Kraft tritt, allerdings nun haftbar.
Es regt sich entsprechend Protest. Eine aktuelle Petition fordert die Deutsche Bahn nun dazu auf, aus dem Projekt auszusteigen. Beinahe 150.000 Menschen unterstützen die Aktion bereits. Ob sich die Entscheider auf Bundesebene davon tatsächlich beeinflussen lassen und ihre Teilnahme an dem Projekt von sich aus überprüfen, bleibt abzuwarten. Die Deutsche Bahn hält sich mit Äusserungen zum Projekt "Tren Maya" konsequent bedeckt. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Menschenrechten und natürlichen Ressourcen sieht anders aus.
Verwendete Quellen:
- washingtonpost.com: Destroying Maya treasures to build a tourist train
- gtai.de: Mexiko - Klimaschutz steht nicht auf der Regierungsagenda
- taz.de: Ein gefährlicher Zug
- amerika21.de: Bahnprojekt "Tren Maya" in Mexiko bei umstrittener Befragung angenommen
- zeit.de: 200 Naturschützer laut Bericht im vergangenen Jahr getötet
- globalwitness.org: Decade of Defiance
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