Ab Montag werden die Grenzkontrollen auf alle deutschen Landesgrenzen ausgeweitet. Ein Forscher ist sich sicher, dass die Massnahme nicht für weniger Zuwanderung sorgen wird.

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Der Migrationsforscher Gerald Knaus erwartet von der anstehenden Ausweitung der Grenzkontrollen auf alle deutschen Landgrenzen keinen spürbaren Rückgang der Asylbewerberzahlen. "Wer erwartet, dass die Grenzkontrollen dazu führen werden, dass irreguläre Migration zurückgeht, der weckt eine Erwartung, die ist unerfüllbar", sagte der Mitinitiator des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei im Deutschlandfunk.

Anlass ist die Ausweitung der bereits bestehenden punktuellen Kontrollen auch auf die Grenzen zu Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und Dänemark an diesem Montag. Die ausgeweiteten Kontrollen sollen zunächst für sechs Monate andauern.

"Dafür braucht man dann auch Zäune an der grünen Grenze"

Viele EU-Länder hätten schon sehr lange Grenzkontrollen, etwa Frankreich und Österreich. Aber: "Es hat die Zahl der Asylanträge überhaupt nicht reduziert", erklärte Knaus. Grenzkontrollen seien auch kein Mittel, um etwa islamistischen Terror zu verhindern, denn viele der Täter hätten sich erst in Deutschland radikalisiert.

Möglich wäre das nach seinen Worten nur mit radikalen Massnahmen wie einem totalen Ende des kontrollfreien Reise- und Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des entsprechenden Schengener Abkommens. "Wenn die Idee tatsächlich die ist, wir stoppen jede irreguläre Migration an den deutschen Grenzen: Das geht nur dauerhaft mit einem Ende von Schengen. Dafür braucht man dann auch Zäune an der grünen Grenze."

"Ich fürchte, der ganze Ansatz, irreguläre Migration innerhalb der EU, das Weiterziehen zu verhindern, wird scheitern."

Migrationsforscher Gerald Knaus

Knaus verspricht sich auch wenig von einer Beschleunigung der Rückführung von Migranten, die bereits in einem anderen EU-Land angekommen und registriert sind, wie es die Bundesregierung plant. "Wenn ein Land wie Italien sagt, wir nehmen gar niemanden, und die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet, ja, dann sehen das auch andere Länder", sagte er.

"Ich fürchte, der ganze Ansatz, irreguläre Migration innerhalb der EU, das Weiterziehen zu verhindern, wird scheitern. Es ist bis jetzt immer gescheitert." Nötig ist ihm zufolge ein EU-weiter Ansatz: "Wir müssen irreguläre Migration in die EU reduzieren, darüber brauchen wir eine Diskussion."

Tusk kritisiert zunehmende Kontrollen an Binnengrenzen

Polens Ministerpräsident Donald Tusk kritisiert die Zunahme der Kontrollen an europäischen Binnengrenzen. "Das einzige Mittel, um nicht ordnungsgemässe Einwanderung zu stoppen ist es, die Aussengrenzen der EU effizient zu kontrollieren. Nicht die Binnengrenzen", erklärte Tusk am späten Freitagabend auf X. Er äusserte sich nach einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die polnische Haltung sei in dieser Frage unverändert, erklärte Tusk weiter.

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte am Freitagnachmittag nach dem Telefonat von Scholz mit Tusk mitgeteilt, es sei dabei um "weitere Überlegungen zur Reduzierung irregulärer Migration, die sich im Rahmen der europäischen Rechtsordnung bewegen", gegangen.

Auch habe der Kanzler die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten migrationspolitischen Massnahmen erläutert. Beide hätten darin überein gestimmt, "dass die Herausforderungen irregulärer Migration und Schleuseraktivitäten nur gemeinsam bewältigt werden können und eine enge Zusammenarbeit der europäischen Partner unerlässlich" sei.

Dobrindt erhöht den Druck auf andere Länder

Tusk hatte die Ausweitung der Kontrollen bereits vor dem Gespräch mit Scholz als "aus polnischer Sicht inakzeptabel" kritisiert. Die Einführung der Grenzkontrollen sei das "Ende des Geistes von Schengen", warnte auch der polnische Vizeaussenminister Wladyslaw Teofil Bartoszewski.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rief seinerseits andere europäische Länder auf, dem deutschen Beispiel zu folgen. "Es geht darum, einen Dominoeffekt in Richtung der europäischen Aussengrenzen zu erzeugen", sagte Dobrindt den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er äusserte sich konkret mit Blick auf Österreich.

"Wenn Flüchtlinge über Österreich zur deutschen Grenze kommen, muss ihnen die Einreise verweigert werden", forderte Dobrindt. Österreich habe die Möglichkeit, "seinerseits dafür zu sorgen, dass Asylbewerber nicht einfach nach Österreich kommen". Diese müssten bereits in den Ländern an der EU-Aussengrenze registriert werden, verlangte der CSU-Politiker. Die österreichische Regierung hat allerdings bereits deutlich gemacht, das Land werde von Deutschland an der Grenze abgewiesene Geflüchtete nicht wieder zurücknehmen. (dpa/AFP/bearbeitet von ms)

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