• Die USA, Grossbritannien und Australien haben sich zu einem neuen strategischen Sicherheitsbündnis zusammengeschlossen.
  • Im Fokus steht der Indopazifik, Australien soll dort beim Aufbau einer atombetriebenen U-Bootflotte unterstützt werden.
  • Wie sich die tektonischen Platten der Geopolitik und Diplomatie durch das Bündnis verschieben, erklärt Sozialwissenschaftlerin Cathleen Kantner.
Eine Analyse

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Explizit erwähnt wird China nicht. Aber es ist offensichtlich, gegen wen sich das neue strategische Bündnis zwischen den USA, Grossbritannien und Australien richtet: Die sich "rasch entwickelnden Bedrohungen", von denen US-Präsident Joe Biden im Indopazifik sprach, meinen ohne Zweifel die Volksrepublik China und ihre militärischen Ambitionen im Südpazifik.

In den vergangenen Jahren hatten sich die Machtkämpfe im Indopazifik immer weiter zugespitzt. Nun soll vor allem eine starke atombetriebene Unterwasserflotte, bei deren Aufbau Australien von den beiden anderen Bündnispartnern unterstützt werden soll, eine Drohkulisse aufbauen. Auch um die Themen Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie und Cybersicherheit soll es in dem Bündnis gehen.

Lange angebahnte Reaktion

"Die Machtkämpfe zwischen den USA und China im Indopazifik haben sich in den vergangenen Jahren immer weiter zugespitzt. Eine Reaktion wie das jetzige Bündnis hat sich also schon länger angebahnt", kommentiert Sozialwissenschaftlerin Cathleen Kantner.

Den Zusammenschluss an sich hält sie deshalb für nichts Ungewöhnliches: "Immer, wenn eine neue Macht aufsteigt, sehen wir eine neue Welle von Balanceversuchen. Man erinnere sich an den Aufstieg Japans in den 1930er und 1940er Jahren", so die Expertin.

Sicherheitsdilemma im Indopazifik

Als der Inselstaat damals zur See- und Kolonialmacht aufstieg, sei es zu einer Seeblockade der Amerikaner und Briten gekommen, die Japan von Öl- und Stahllieferungen abschnitt, so Kantner. Aktuell stecke die Welt in einer geopolitischen Spirale wechselseitiger Bedrohungswahrnehmungen und handelskriegerischer Massnahmen. "Das neue Bündnis macht dies nur offiziell", sagt Kantner.

China betrachtet das Südchinesische Meer als seinen Hinterhof und begründet diesen Anspruch mit legitimen Wirtschafts- und Handelsinteressen. Nachbarstaaten und der Westen nehmen Chinas Verhalten hingegen als Bedrohung wahr und betrachten die beanspruchten Gebiete als internationale Gewässer. "Ein typisches Sicherheitsdilemma", sagt Kantner.

Wütende Reaktionen aus China

"China hat in den letzten Jahren gespürt, was es bedeutet, wenn handelskriegerische Massnahmen ergriffen und potenziell Seewege zugemacht werden. Es hat gleichzeitig signalisiert, dass es selbst bereit ist, Macht in dieser Form zu demonstrieren", erinnert Kantner. Das Spiel, bei dem man sich gegenseitig mit der Bereitschaft zu härteren Konsequenzen bedrohe, habe nun eine neue Stufe erreicht.

Entsprechend wütend fiel die Reaktion der chinesischen Regierung unter Präsident Xi Jinping aus. Regierungssprecher Zhao Lijian nannte die Gründung des trilateralen Bündnisses "extrem unverantwortlich" und warf den Regierungen unter Joe Biden, Boris Johnson und Scott Morrison vor, im Stil des Kalten Krieges zu handeln. Das Abkommen gebe zudem Anlass, an der Ernsthaftigkeit Australiens bei der Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags zu zweifeln.

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"Quittung für strategisches Versagen"

"Chinas Wirtschaft ist extrem import- und exportabhängig. Dass die Seewege freigehalten werden, ist deshalb für China sehr wichtig", erinnert Kantner. Sie rechnet deshalb fest damit, dass von China eine Reaktion auf das Bündnis kommen wird. "Der Raum für mögliche neutrale Positionen anderer Länder in der Region wird dabei immer kleiner", analysiert die Expertin.

Auch für die Europäer sieht Kantner grosse Konsequenzen: "Wir bekommen nun die Quittung für strategisches Versagen auf mehreren Ebenen. AUKUS hält uns den Spiegel vor, wie wenig wir von den militärischen Kapazitäten her in der Lage sind, bei geopolitischen Angelegenheiten mitzureden", so Kantner.

Besonders verstimmt reagierte Frankreich auf das neue Bündnis und nicht nur wegen des damit verbundenen U-Boot-Deals. Paris entgeht durch den Zusammenschluss der USA, Australien und Grossbritanniens ein Milliarden-Geschäft: Eigentlich hatte Australien 12 dieselelektrische U-Boote beim mehrheitlich französischen Unternehmen "DCNS" bestellt – Auftragsvolumen rund 35 Milliarden Euro. Dieser Deal ist nun geplatzt und Frankreich sieht sein Vertrauen betrogen.

Auch wenn die Bündnispartner versuchten, versöhnliche Signale in Richtung Macron zu senden – die diplomatische Krise liess sich nicht mehr einfangen. "Frankreich ist nach dem Ausscheiden von Grossbritannien aus der EU das einzige Land mit geopolitischem Gespür und im geopolitischen Massstab geforderten militärischen Kapazitäten. Alle anderen haben selbst zusammengenommen relativ wenig in die Waagschale zu werfen", erinnert Kantner. Sowohl die NATO als auch die eng mit dieser verbundene europäische gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik hatten sich in den 2000er Jahren mit geopolitischem Horizont neu definiert.

Expertin: "Ziemlicher Schock"

"Die Frustration ist nun besonders gross, denn innerhalb der NATO wurden das neue strategische Bündnis und seine Konsequenzen offenbar nicht beraten und abgestimmt. In den Brexitverhandlungen hiess es eigentlich, dass zuvor im Rahmen der NATO und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestehende Kooperationen nicht infrage gestellt würden", erinnert Kantner. Der Schritt sei deshalb ein ziemlicher Schock. "Das müsste uns sehr beunruhigen", sagt die Expertin.

Europa wirft sie vor, den grösseren geopolitischen Zusammenhang aus dem Blick zu verlieren. "Wir sehen immer Fragen der wirtschaftlichen Chancen und Risiken, Fragen der Menschenrechte und reden über 'Werte', die wir ohnehin nicht mit harten Mitteln durchzusetzen in der Lage wären. Eine liberale geopolitische Position müsste dagegen viel stärker und pragmatischer universalistische Prinzipien, wie sie im Völkerrecht und dem Kern der Menschenrechte institutionalisiert sind, verteidigen und globale Kollektivgüter, wie z.B. freie Seewege, auf dieser Basis zu schützen versuchen", sagt Kantner.

EU hinkt strategischer Diskussion hinterher

Sich zwischen der amerikanischen oder chinesischen Seite entscheiden zu müssen sei den Europäern sehr unangenehm. "Die strategische Diskussion, ob sich die EU stärker von den USA emanzipieren und militärisch unabhängiger werden sollte, muss stärker geführt werden", betont Kantner. Europa hinke dem Stand der strategischen Diskussion längst hinterher. Die globalen Fragen betreffen spätestens seit dem Abzug aus Afghanistan nicht mehr humanitäre militärische Interventionen, Staatsaufbau oder gar Demokratieexport, sondern so klassische Fragen wie die Freiheit der Meere.

Entfernen sich die Briten durch das neue Indopazifik-Sicherheitsbündnis damit noch weiter von der EU? "Es gibt natürlich Möglichkeiten, weiterhin miteinander zu kooperieren", sagt Kantner. "Aber im strategischen Denken sind die Briten ein Stück weiter, wir Europäer müssen uns bewegen", so die Expertin.

Über die Expertin: Prof. Dr. Cathleen Kantner ist Sozialwissenschaftlerin an der Universität Stuttgart. Zu ihren Fachgebieten zählen internationale Beziehungen sowie europäische Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Verwendete Quellen:

  • BBC: Aukus: UK, US and Australia launch pact to counter China.
  • The Guardian: Aukus deal showing France and EU that Biden not all he seems.
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