Die Erwartungen sind hoch. Mit einem Milliardenpaket will die grosse Koalition die Wirtschaft ankurbeln, zugleich einen Schub bei Klimaschutz und digitalem Wandel auslösen. So viel zur Wunschliste. Union und SPD aber stehen vor harten Verhandlungen.
Es geht zu wie auf einem Basar. Beim Konjunkturpaket der Bundesregierung aber geht es nicht um kleine Summen, sondern um Milliarden - laut "Bild am Sonntag" ist die Rede von bis zu 80 Milliarden Euro. Denn die Lage ist ernst. Infolge der Coronakrise droht Deutschland in eine schwere Rezession zu stürzen. Die Arbeitslosigkeit könnte deutlich steigen. Konsumenten halten sich zurück, auch weil viele Beschäftigte wegen Kurzarbeit Einkommensverluste haben.
An diesem Dienstag wollen die Spitzen der schwarz-roten Koalition Entscheidungen treffen. Finanzminister
Hilfe für die Autoindustrie: Autoprämien und Mobilität
Die Nachfrage nach neuen Autos ist fast beispiellos in den Keller gerauscht. Die deutsche Schlüsselindustrie, die ohnehin in einem schwierigen Umbruch Richtung alternative Antriebe steckt, erhofft sich von Kaufprämien, dass das Geschäft wieder in Gang kommt. Das stösst angesichts der Klimakrise aber nicht nur bei Umweltverbänden auf Ablehnung, sondern ist auch in der Koalition umstritten. Schützenhilfe kommt hingegen von Ländern, in denen die Autoindustrie eine wichtige Rolle spielt.
In der Debatte ist aber auch eine Mobilitätsprämie - davon könnte dann auch profitieren, wer sich ein neues Fahrrad kauft oder eine Bahncard. Ausserdem plant die Bundesregierung schon seit langem eine Reform der Kfz-Steuer ab 2021, die umweltfreundlichere Autos besserstellen soll. Milliardenhilfen soll es für die Deutsche Bahn geben, die wegen einbrechender Fahrgastzahlen unter finanziellen Druck geraten ist.
Familienbonus soll unter die Arme greifen
Um Familien unter die Arme zu greifen und zugleich für Nachfrage im Einzelhandel zu sorgen, ist ein Familien- oder Kinderbonus in der Debatte. Die SPD schlägt vor, dass Eltern für jedes Kind einmalig 300 Euro bekommen. Kostenpunkt: zwischen fünf und sechs Milliarden Euro. In der Union gibt es Vorbehalte aber auch Zustimmung. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, etwa sagte, stattdessen müssten Innovationen und neue Technologien gefördert werden. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kann sich dagegen sogar einen Familienbonus von 600 Euro vorstellen.
Solidaritätszuschlag fällt schon im Juli weg
Im Geldbeutel der Bürger könnte sich auch der Abbau des Solidaritätszuschlags auswirken. In der Debatte ist, dass der Soli schon im Juli wegfällt und nicht wie bisher geplant Anfang 2021. Aus dem Mittelstand kommen Forderungen nach kurzfristiger, kompletter Abschaffung. Die Union will ebenfalls eine vollständige Abschaffung, die SPD lehnt das ab. Bisher ist geplant, dass der Soli ab Januar für 90 Prozent der Zahler wegfällt.
Hilfen für Firmen
Viele Branchen sind nach wie vor massiv belastet, weil es weiter Beschränkungen gibt und ausgefallene Umsätze nicht so einfach nachgeholt werde können. Das geht an die Finanzpolster, viele Betriebe mit zigtausend Beschäftigten fürchten um ihre Existenz - etwa in der Gastronomie und im Tourismus, aber auch in der Messebranche. Dazu kommen Schausteller, Solo-Selbstständige oder Künstler. Deswegen könnten nun zusätzliche Milliardenhilfen etwa in Form von Zuschüssen aufgelegt werden.
Bei Wirtschaftsverbänden auf der Wunschliste ganz oben steht die Ausweitung des Verlustrücktrags. Firmen könnten Verluste in diesem Jahr dann mehr als bisher mit Gewinnen aus den Vorjahren verrechnen, was schnell Geld in die Kasse brächte. Daneben geht es um Erleichterungen bei Abschreibungen und weniger Bürokratie.
Strompreise senken um Bürger zu entlasten
Im europäischen Vergleich sind die deutschen Strompreise hoch, deswegen fordern viele Verbände, aber auch Politiker, Bürger und Firmen zu entlasten. Denkbar wäre, die Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz einzudampfen. Auch eine weitere Senkung der EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms ist im Gespräch - etwa indem Haushaltsmittel zur Finanzierung eingesetzt werden, also Steuergelder. Eine weitere Option wäre es, die Netzentgelte zu senken, ein weiterer Bestandteil des Strompreises.
Entlastung der Kommunen
Weil Steuereinnahmen wegbrechen, reisst die Coronakrise ein riesiges Loch in die Kassen der Kommunen. Scholz will das ausgleichen - und im gleichen Schritt einen Schuldenschnitt für heillos überschuldete Kommunen durchführen. Vor allem unionsgeführte Länder wie Bayern laufen dagegen Sturm. Aus der Union kommt ein Gegenvorschlag: Der Bund könnte stattdessen mehr Ausgaben der Kommunen übernehmen - zum Beispiel bei den Wohnkosten für Arbeitslose - und auf seinen Anteil kommunaler Steuern verzichten.
Studie zur Voranbringung des Klimaschutz
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) beauftragte gleich vier Institute mit einer Studie, wie im Zuge des Konjunkturprogramms der Klimaschutz voran gebracht werden kann. Dabei geht es um eine Sanierung von Gebäuden oder einen Abbau umweltschädlicher Subventionen. Die Ministerin warb konkret etwa für staatliche Zuschüsse bei der Umrüstung von Flotten und einen schnelleren Ausbau des Ökostroms. Ausserdem will sie "grünen" Wasserstoff vorantreiben.
Ausbau der Infrastruktur
Die Infrastruktur in Deutschland muss modernisiert werden. Das gilt für marode Bahnstrecken und Brücken, aber ebenso für Digitalisierung und Energiewende. Oft dauert es Jahre, bis Sende- oder Strommasten gebaut werden. Das führt dazu, dass es vor allem auf dem Land noch immer oft schlechten Empfang gibt und der Ausbau der Windkraft stockt. Deswegen sollen nicht nur Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, auch mehr Geld ist denkbar. Um die 28 Milliarden Euro möchte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) unter anderem in Bahnverkehr, Strassenbau und digitale Infrastruktur stecken.
Streit über Kosten der Coronakrise
Schon jetzt hat sich der Bund wegen der Corona-Pandemie mit 156 Milliarden Euro enorm verschuldet - wahrscheinlich sind für das Konjunkturpaket aber noch zusätzliche Kredite nötig. Wie viel mehr darf es kosten? CSU-Chef Markus Söder will, dass der Bund maximal noch 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufnehmen darf, um den Staat nicht zu "ruinieren". Bei der SPD stiess eine solche Grenze auf Ablehnung. (Andreas Hoenig und Theresa Münch/dar/dpa)
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