Ein Angriff der USA auf den Iran steht unmittelbar bevor, dann sagt ihn Präsident Trump in letzter Minute ab. Endgültig gebannt ist die Gefahr eines Krieges damit nicht. Der Konflikt bleibt ungelöst.
Vor gut vier Jahren verfasste John Bolton einen Gastbeitrag für die "New York Times" mit dem Titel: "Bombardiert den Iran, um Irans Bombe zu stoppen". Inzwischen ist Bolton Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, und am Donnerstagabend hätte er seinen Willen fast bekommen. Nach dem Abschuss einer US-Drohne durch den Iran habe der Gegenschlag unmittelbar bevorgestanden, schrieb Trump am Freitag auf Twitter. Wegen der erwarteten 150 Toten auf der iranischen Seite habe er den Angriff nur zehn Minuten vorher dann doch noch gestoppt. Die unmittelbare Kriegsgefahr scheint damit gebannt zu sein - vorerst.
Es wäre ein begrenzter Gegenschlag auf jene Fähigkeiten des Irans gewesen, die die Revolutionsgarden zum Abschuss der Drohne in der Nacht zu Donnerstag einsetzten. Ein Abschuss, dessen zentrale Frage immer noch ungeklärt ist: Drang das unbemannte Flugzeug - wie von Teheran angegeben - in den iranischen Luftraum ein? Oder wurde sie - worauf Washington beharrt - im internationalen Luftraum abgeschossen? Beide Seiten behaupten, ihre Version belegen zu können.
Der US-Präsident greift den Iran zwar immer wieder mit verbalen Breitseiten an, erst im vergangenen Monat drohte er dem Land mit dem "offiziellen Ende" im Fall einer militärischen Konfrontation. Trump hat aber auch immer wieder betont, dass er keinen Krieg will. Tatsächlich gehört zu seinen vielen unerfüllten Versprechen, US-Truppen aus internationalen Konflikten abzuziehen.
Auch am Donnerstag, nach dem Abschuss der Drohne, betonte Trump wieder: "Ich habe gesagt, dass ich aus diesen endlosen Kriegen raus will. Ich habe damit Wahlkampf gemacht: Ich will raus." Seinen Wahlkampf zur Wiederwahl 2020 hat Trump erst am Dienstag offiziell eröffnet. Ein Krieg mit dem Iran wäre wohl das letzte, was er vor der Wahl im November kommenden Jahres gebrauchen könnte. Dass sich militärische Konflikte nicht an Zeitvorstellungen in Washington halten, hat sich nicht zuletzt in Afghanistan und im Irak gezeigt.
US-Präsident will Gesicht wahren
Trump schien am Donnerstag selber nach einem gesichtswahrenden Ausweg zu suchen. Vor Journalisten im Weissen Haus sagte er, es hätte "einen grossen, grossen Unterschied" gemacht, wenn das abgeschossene Flugzeug bemannt gewesen wäre. Und obwohl sich die iranische Führung klar zum Abschuss der Drohne bekannt hat, sagte Trump: "Ich finde es schwierig zu glauben, dass es absichtlich war." Der Präsident fügte hinzu: "Ich kann mir vorstellen, dass es ein General oder jemand war, der einen Fehler gemacht hat, indem er die Drohne abgeschossen hat."
Am Freitag sagte der Kommandeur des Luftwaffenarms der iranischen Revolutionsgarden, Amir Ali Hadschisadeh, nach Angaben iranischer Staatsmedien, seine Truppen hätte auch ein bemanntes US-Aufklärungsflugzeug vom Typ Poseidon abschiessen können, das gemeinsam mit der Drohne in den iranischen Luftraum eingedrungen sei. Man habe sich auf die Drohne beschränkt, "um den terroristischen amerikanischen Truppen eine Warnung zu erteilen".
Dass der Iran auch nur einen begrenzten Militärschlag auf sich hätte sitzen lassen, ist unwahrscheinlich. An Möglichkeiten, im Fall eines US-Angriffs zurückzuschlagen, mangelt es nicht: Die US-Streitkräfte haben Kriegsschiffe und Bomber in die Region verlegt, die zum Ziel werden könnten. Auch ein indirekter Angriff durch Gruppen, die mit dem Iran verbündet sind, auf US-Soldaten etwa im Irak oder in Syrien wäre denkbar. Ein solcher Schlagabtausch könnte sich dann schnell zum Krieg auswachsen.
Flugverbot für amerikanische Airlines
Über welche militärischen Fähigkeiten Irans Revolutionsgarden verfügen, haben sie nicht zuletzt mit dem Abschuss des unbemannten US-Flugzeugs gezeigt: Die Drohne vom Typ "RQ-4A Global Hawk" operiert in extremer Höhe, weitaus höher als Verkehrsflugzeuge fliegen. Als Reaktion auf den Abschuss untersagte die US-Flugaufsichtsbehörde FAA amerikanischen Airlines, den Persischen Golf zu überfliegen.
Der Beinahe-Angriff auf den Iran ist der vorläufige Höhepunkt eines Konflikts, der in den vergangenen Monaten in atemberaubender Geschwindigkeit eskaliert ist. In Gang gesetzt wurde die Spirale im Mai vergangenen Jahres, als Trump einseitig das internationale Atomabkommen mit dem Iran aufkündigte, das die Europäer seitdem mit schwindendem Erfolg zu retten versuchen.
Das Abkommen von 2015 sollte verhindern, dass der Iran Atomwaffen entwickelt, und die Internationale Atomenergiebehörde IAEO bescheinigte Teheran, sich an die Vorgaben zu halten. Trump ging der "furchtbare" Vertrag, gegen den er auch am Freitag auf Twitter wieder wetterte, aber längst nicht weit genug.
Trump beschwichtigt
Mit dem Atomdeal wurden dem Iran im Gegenzug zu den Kontrollen, denen sich Teheran unterwarf, wirtschaftliche Entwicklung in Aussicht gestellt. Trump setzte nach dem Ausstieg aber harte US-Wirtschaftssanktionen wieder in Kraft, die sich vor allem gegen den Ölsektor richten, die Haupteinnahmequelle des Landes. Allerdings hat seine Politik des "maximalen Drucks" bislang nicht dazu geführt, dass die Führung in Teheran einknickte - eben so wenig zeigt diese Trump-Strategie übrigens Erfolge in Venezuela oder Nordkorea.
Der US-Präsident dementierte am Donnerstag, dass es Angehörige seiner Regierung gebe, die ihn in einen militärischen Konflikt mit dem Iran treiben wollten. Wie glaubwürdig das angesichts von Hardlinern wie Bolton in Trumps Team ist, ist offen. Schon in seiner "Nationalen Sicherheitsstrategie" vom Dezember 2017 hatte Trump den "Schurkenstaat" Iran als eine der grössten Bedrohungen auch für die Sicherheit der USA beschrieben.
Parallelen zum Irak-Krieg
Zwei Monate später zog Lawrence Wilkerson in einem Beitrag für die "New York Times" Parallelen zwischen den Bemühungen des damaligen Präsidenten George W. Bush, die USA im Jahr 2003 auf einen Krieg mit dem Irak einzustimmen, und der Iran-Politik der Trump-Regierung. Wilkerson hat Expertise: Er war Stabschef von Bushs Aussenminister Colin Powell, der Verbündete damals vom Waffengang überzeugen wollte.
"Die Bemühungen führten zu einem Krieg der Wahl mit dem Irak - einer, der zu katastrophalen Verlusten für die Region und für die US-geführte Koalition führte und der den gesamten Nahen Osten destabilisierte", schrieb Wilkerson im Februar 2018. Der Ex-Oberst warnte schon damals, ein Krieg mit dem Iran "würde hinsichtlich der Opfer und Kosten zehn bis 15 mal schlimmer als der Irak-Krieg". © dpa
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