In der Südkaukasusrepublik Georgien ist trotz wochenlanger Proteste ein neuer Präsident gewählt worden. Für den Ex-Fussballer Michail Kawelaschwili stimmten Mitglieder eines Wahlgremiums.
Vom Fussballer zum Politiker zum Präsidenten: Michail Kawelaschwili ist am Samstag von der Wahlversammlung zum neuen Staatsoberhaupt Georgiens gewählt worden. Als Kandidat der Regierungspartei Georgischer Traum gilt er als deren loyaler Gefolgsmann. Für pro-europäische Demonstranten ist er eine "Puppe" von Parteigründer Bidsina Iwanischwili - der wiederum bezeichnet den für seine mit Schimpfwörtern geladenen Tiraden und LGBTQ-feindlichen Aussagen bekannten Kawelaschwili als "Verkörperung eines georgischen Mannes".
Kawelaschwilis Wahl wurde von der Opposition boykottiert, die der Regierungspartei Betrug bei der Parlamentswahl Ende Oktober vorwirft. Das georgische Staatsoberhaupt wird aufgrund einer 2017 verabschiedeten Verfassungsänderung nicht mehr wie bisher direkt vom Volk gewählt, sondern von einer 300-köpfigen Wahlversammlung aus Parlamentsabgeordneten und Lokalpolitikern. Der Ex-Fussballer mit dem Schnauzbart und den zurückgekämmten Haaren war der einzige zur Wahl stehende Kandidat für das grösstenteils repräsentative Amt.
Karriere als Fussballer in den 1980er-Jahren gestartet
Kawelaschwili wurde 1971 in der Kleinstadt Bolnissi im Südwesten der damaligen Sowjetrepublik Georgien geboren. Seine Karriere als Fussballer begann er in den 1980er-Jahren bei Vereinen in Georgien und Russland. Bald wurde er Stürmer in der georgischen Nationalmannschaft. In den 1990er Jahren spielte er kurz für den englischen Verein Manchester City, bevor er in die Schweiz wechselte. Dort spielte er unter anderem für Grasshoppers Zürich, Luzern, Sion, Aarau und Basel.
2015 wurde Kawelaschwili von der Wahl zum Präsidenten des georgischen Fussballverbands ausgeschlossen, weil er nicht über eine Hochschulausbildung verfügte - eine Voraussetzung für dieses Amt. Seit 2016 sitzt er für den Georgischen Traum im Parlament. 2022 gründete er zusammen mit anderen Abgeordneten der Partei eine eigene Fraktion mit dem Namen Volksmacht - eine anti-westliche Gruppe, die sich offiziell von der Regierungspartei absonderte, aber allgemein als deren Anhängsel angesehen wurde. Kawelaschwilis politische Ansichten entsprechen ultrarechten Ideologien.
Für Schimpfwörter bekannt
Der 53-Jährige ist dafür bekannt, Gegner mit unflätigen Schimpfwörtern zu überziehen und wirft westlichen Länder vor, Georgien in den Ukraine-Krieg hineinziehen zu wollen. Zudem warf der dem Westen vor, "so viele Menschen wie möglich" dazu bringen zu wollen, der "LGBTQ-Ideologie gegenüber neutral oder tolerant" zu sein. Diese "verteidigt angeblich die Schwachen, aber ist in Wahrheit ein Akt gegen die Menschlichkeit".
Kawelaschwilis Nominierung für das Amt des Präsidenten sorgte bei vielen Menschen in Georgien für Empörung - insbesondere bei den pro-europäischen Demonstranten, die seit mehr als zwei Wochen täglich gegen die russlandfreundliche Politik der Regierung demonstrieren.
Historiker Nika Gobronidse sagte der Nachrichtenagentur AFP, er könne sich "kaum jemanden vorstellen, der weniger für die Rolle als Staatsoberhaupt geeignet ist". Der einflussreiche Unternehmer Iwanischwili sehe in dem Ex-Profifussballer ein Werkzeug, dass er kontrollieren könne. "Caligula wollte, dass sein Pferd ein Konsul wird. Unser Oligarch will, dass seine Puppe ein Präsident wird", verdeutlichte Gobronidse mit Verweis auf den berüchtigten römischen Kaiser.
Kawelaschwili wird seine Legitimität von Anfang an in Frage gestellt sehen. Verfassungsrechtsexperten hatten seine Wahl im Vorfeld als "illegitim" bezeichnet. Die amtierende, pro-westliche Präsidentin Salome Surabischwili fordert eine Wiederholung der Parlamentswahlen vom Oktober. Sie hat zudem geschworen, auch nach der für den 29. Dezember angesetzten Amtseinführung Kawelaschwilis nicht abtreten zu wollen, solange es keine Neuwahlen gibt.
Am Samstag demonstrierten hunderte Menschen vor dem Parlamentsgebäude in Tiflis gegen Kawelaschwili und die Regierung. Mit der Wahl des Präsidenten ist die Verfassungskrise in dem Kaukasusland nicht beendet. Ob der vom Mittelstürmer zum Rechtsaussen-Politiker gewordene Kawelaschwili tatsächlich demnächst Georgien anführen wird, bleibt also fraglich. (AFP/bearbeitet von tas)
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