Das zentrale Streitthema zwischen Kanzlerin Angela Merkel und der CSU von Horst Seehofer ist wieder zurück: die Migrationspolitik. Grund dafür ist eine Aussage des Innenministers. Die SPD reagiert dünnhäutig - und fordert ein Ende des Unionsstreits. Dabei wählt vor allem SPD-Vize Natascha Kohnen deutliche Worte.

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Sie ist wieder da: Die Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU über die Migrationspolitik von Kanzlerin Angela Merkel - und zwar mit Wucht. Im Kern geht es um die zentrale Frage der Unionspolitik: Was ist das richtige Rezept im Kampf gegen die AfD?

Innenminister Horst Seehofer und die CSU sind der Meinung, dass man den Rechtspopulisten von der AfD nur entgegenwirken kann, wenn man immer wieder die Sorgen der Menschen thematisiert, die sie mit dem Thema Migration und Flucht verbinden.

Die Migrationsfrage sei "die Mutter aller Probleme", sagt er den CSU-Bundestagsabgeordneten bei ihrer Klausur in Brandenburg. Das berichteten hinterher mehrere Teilnehmer.

Auch in einem Interview verwendete er diesen Satz. Vor den Kameras sagte der CSU-Vorsitzende ausserdem, die zweistelligen Umfragewerte für die AfD in Bayern seien eine Neuerscheinung, "wo ja die Grundlage oder die Ursache dafür in der Migrationspolitik liegt".

Angela Merkel setzt auf Sachlichkeit

Merkel dürfte es nach den Vorkommnissen von Chemnitz kaum überrascht haben, dass das teils angstbesetzte Thema Migration ausgerechnet jetzt von der CSU wieder thematisiert wird.

Ungewöhnlich deutlich hat sie am Donnerstag aber Seehofers Worten widersprochen. Im RTL-Sommerinterview antwortete sie ruhig auf die Frage, ob sie die Äusserung ihres Innenministers unterschreiben könne: "Ich sag' das anders."

Die Migrationsfrage stelle Deutschland vor Herausforderungen, "und dabei gibt es auch Probleme". Aber es gebe eben auch Erfolge. Es sei schon viel geleistet worden bei der Aufnahme der Flüchtlinge und der Ordnung der Migration.

Dann fügte Merkel wieder ihr Credo an, das viele Kritiker auch in den eigenen Reihen so aufregt: "Ich finde, wir sollten den Weg weitergehen, den wir eingeschlagen haben. Wo wir noch nicht am Ende sind, aber Schritt für Schritt die Probleme lösen."

Als Regierungschefin, das ist schon immer Merkels Meinung, müsse sie Ruhe vermitteln und auch im Ton besonders sachlich sein. Immer wieder mahnt sie deswegen auch öffentlich vor einer verbalen Eskalation der politischen Auseinandersetzung. Die plakative Seehofer-Äusserung dürfte sie da nicht als besonders hilfreich ansehen.

Später sagte sie in dem Interview noch, die Botschaft von Chemnitz solle sein, "dass allen Kräften der Rücken gestärkt wird, die sich gegen Rassismus und gegen Hass wenden".

Nahles ganz und gar nicht erfreut von neuem Streit

Auch die SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles ist von Seehofers Aussagen nicht begeistert. Sie hat den Bundesinnenminister zu "null Toleranz gegenüber Hetzern" aufgefordert.

Bei den Ereignissen in Chemnitz gehe es ums Ganze, "nämlich um die Frage, wie geht es weiter mit unserer Demokratie", sagte Nahles am Donnerstag in Berlin zum Auftakt einer Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion.

"Wenn Horst Seehofer von der Mutter aller Probleme spricht, meint er in Wahrheit Frau Merkel", erklärte Nahles. "Die Regierung hat den Auftrag, Probleme zu lösen. Für uns ist klar: Die Mutter aller Lösungen ist der soziale Zusammenhalt aller Menschen in unserem Land!"

Und weiter: "Ich kann nur sagen, dass Horst Seehofer und die CSU wieder zündeln und die unionsinternen Auseinandersetzungen, die wir vor dem Sommer erlebt haben, wieder aufleben." Das sei nicht in Ordnung. "Wir erwarten, dass das aufhört." Der Streit in der Union schade der gesamten Regierung.

Natascha Kohnen fordert Seehofer-Rücktritt

Noch deutlicher reagiert die SPD. Die bayerische Spitzenkandiedatin Natascha Kohnen forderte sogar den Rücktritt von Seehofer. "Migration als 'Mutter aller politischen Probleme in unserem Land' zu bezeichnen, ist falsch und gefährlich", sagte die SPD-Vize am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in München.

Die Verharmlosung der Ereignisse in Chemnitz durch den CSU-Chef sei unerträglich. "Dass er erklärt hat, dass er als einfacher Bürger auch in Chemnitz mitmarschiert wäre, macht ihn als Innenminister unhaltbar. Damit akzeptiert und unterstützt er, dass eine einzelne Gewalttat zur Hetze gegen alle Migrantinnen und Migranten instrumentalisiert wird." (ff/dpa)

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