Zuerst die Bundeshaus-Sekretärin, jetzt der Badener Stadtammann und Nationalrat Geri Müller: Derzeit jagt in der Schweiz ein Nackt-Selfie-Skandal den nächsten. Doch welche juristischen Konsequenzen drohen Müller im schlimmsten Falle? Worauf muss er sich noch gefasst machen? Wir haben mit einem Arbeitsrechtsexperten darüber gesprochen.

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Kurz nach dem Nackt-Selfie-Skandal einer Bundeshaus-Sekretärin vergangene Woche sorgt derzeit Stadtammann und Nationalrat Geri Müller für Aufsehen. Er soll Nacktfotos von sich – die er angeblich teilweise während der Arbeitszeit in seinem Büro aufgenommen hatte – an eine Bekannte verschickt haben.

Die schlüpfrigen Fotos ziehen bereits erste Konsequenzen nach sich. Geri Müller muss seine Führungs- und Repräsentativaufgaben vorläufig aufgeben. Ganz ähnlich erging es der nicht minder freizügigen Sekretärin. Nach ihren Nackedei-Selfies wurde sie bis auf Weiteres freigestellt. Arbeitsrechtsexperte Daniel Ordás erläutert im Interview, welche Konsequenzen solche Bilder haben können und warum.

Geri Müller wurde wegen seiner Nackt-Selfies suspendiert. Er soll Fotos von sich einer Bekannten geschickt haben. Welche juristischen oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen ihm und woraus ergeben sich diese?

Daniel Ordás: Die Fragen und Konsequenzen, mit denen sich Herr Müller konfrontiert sieht, sind weit mehr politischer denn rechtlicher Natur. Herr Müller wurde vom Stimmvolk des Kantons Aargau zum Nationalrat gewählt. Es gibt in der Bundesverfassung keine Bestimmungen über die Amtsenthebung von Mitgliedern des Nationalrates oder des Bundesrates. Wer auf Bundesebene stimmberechtigt ist, kann auch in den Nationalrat gewählt werden. Es bleibt damit Sache des Aargauer Stimmvolkes, ob es auch nach der nächsten Wahl von Herrn Müller in Bern vertreten sein will.

Auch in das Amt des Stadtammans von Baden wurde Herr Müller vom Stimmvolk für eine ganze Amtsdauer gewählt. Wenn die Gemeindeordnung kein Amtsenthebungsverfahren vorsieht, dann ist es an Herrn Müller zu entscheiden, ob er im Amt verbleiben will. Woran man bei einem Exekutivpolitiker den Begriff der Arbeitszeit festmachen will, bleibt schleierhaft. Das ist kein Bürojob mit fixen Arbeitszeiten.

Was ist das rechtlich Problematische an diesen Fotos? Könnte man nicht einfach sagen, das ist seine Privatsache?

Ordás: Die Beurteilung der Fotos richtet sich nach ihrem Inhalt und den Adressaten. Sich selber nackt zu fotografieren ist völlig unproblematisch. Selbst dann, wenn man das am Arbeitsplatz macht. Problematisch werden solche Fotos, wenn der Arbeitsplatz identifizierbar ist und damit das Amt oder die Behörde in ihrem Ansehen beschädigt werden können. Das ist dann der Fall, wenn die Fotos der Öffentlichkeit zugänglich werden. Das ist aber, was Herr Müller nie wollte und womit er schlechterdings auch nicht rechnen musste. Solche Fotos sind, wenn sie privat bleiben, wirklich Privatsache.

Je höherrangig nun aber die Person ist, die sich da abbildet, umso grösser ist die Gefahr, dass solche Bilder missbraucht werden und der Amtsinhaber erpressbar wird. Dies und der Umstand, dass im digitalen Zeitalter jede Information mit geringstem Aufwand eine gigantische Öffentlichkeit findet, sollten hochrangige Personen aus Politik und Wirtschaft dazu bewegen, in diesen sehr intimen Bereichen allerhöchste Vorsicht walten zu lassen.

Was wäre, wenn sich ein "normaler" Arbeitnehmer so verhalten hätte wie Müller?

Ordás: Bei den "normalen" Arbeitnehmern gilt es, einen grundlegenden Unterschied zu machen zwischen Angestellten des öffentlichen Dienstes und Arbeitnehmern der Privatwirtschaft. Angestellte des öffentlichen Dienstes unterstehen nicht dem Arbeitsrecht des OR, sondern den personalrechtlichen Erlassen der diversen Gemeinwesen (Bund, Kantone Städte, Gemeinden). Ein privatwirtschaftlicher Arbeitgeber braucht keine Gründe, um einen Angestellten zu entlassen. Auch sonst stehen ihm alle Sanktionen offen, die das Gesetz nicht verbietet. Insoweit kann niemand sagen, wie der einzelne Arbeitgeber reagieren wird.

Im öffentlichen Dienst sind alle Sanktionen in Gesetzen und Verordnungen festgehalten. Eine Kündigung kann nur wegen bestimmten Gründen erfolgen und auch alle anderen Sanktionen unterliegen genauen Vorschriften und sogar Rechtsmitteln. Hier hängen die Konsequenzen vom Inhalt und der Anwendung des Regelwerks des Gemeinwesens ab.

Welche Parallelen aber auch Unterschiede lassen sich zwischen diesem Fall und dem der Nackt-Selfies der Bundeshaus Sekretärin ausmachen?

Ordás: Die Parallelen erschöpfen sich darin, dass beide Personen Nacktfotos von sich am Arbeitsplatz erstellt haben.

Die Unterschiede sind, wie schon erklärt, dass Geri Müller ein auf kommunaler und nationaler Ebene gewählter Politiker ist und selber die Fotos nie veröffentlicht hat oder dies tun wollte. Der Fall im Bundeshaus wurde von einer Angestellten begangen und die Fotos waren mit voller Absicht von Anfang an für die Öffentlichkeit gedacht.

Die Konsequenzen unterscheiden sich dann auch gerade darin. Herrn Müller kann vom Volk lediglich die Wiederwahl verweigert werden. Das ist aber eine politische und keine rechtliche Frage. Die Angestellte des Bundes hat allenfalls personalrechtliche Konsequenzen zu erwarten. Da ist es die Bundesverwaltung und eben nicht das Volk, das entscheidet.

Daniel Ordás ist ein Spanisch-Schweizerischer Jurist aus Basel. Er ist zudem ehemaliger Verleger des Polit-Magazins "Statements Magazin". Als Anwalt in der "Advokatur & Rechtsberatung TRIAS AG" ist Daniel Ordás in den unterschiedlichsten Rechtsgebieten tätig.
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