Im Nahen Osten geht die Furcht vor einem neuen Krieg um. Die USA und die EU wollen dem Iran Einhalt gebieten – und kündigen nach den Angriffen auf Israel Sanktionen an.
Die USA und die EU wollen mit neuen Sanktionen gegen den Iran nach dessen Grossangriff auf Israel einen neuen Krieg im Nahen Osten verhindern. Die Sanktionen richteten sich unter anderem gegen das Raketen- und Drohnenprogramm der Islamischen Republik und würden mit Verbündeten wie den G7-Staaten koordiniert, teilte der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Jake Sullivan, in Washington mit. Kurz zuvor hatte auch EU-Chefdiplomat Josep Borrell neue Sanktionen angekündigt.
Bundesaussenministerin
Israels Reaktion auf Irans Angriff steht noch aus
Das gelte vor allem für den Iran und seine Stellvertreter. Noch ist unklar, wie Israel auf den iranischen Angriff vom Wochenende reagieren wird. Nach ihrem Besuch in Israel reist Baerbock zum G7-Aussenministertreffen nach Italien weiter, wo es ebenfalls um die Konfliktlage in Nahost gehen dürfte.
Der Iran hatte Israel in der Nacht zum Sonntag mit Hunderten von Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern angegriffen, die aber fast vollständig abgefangen wurden. Der Angriff war eine Reaktion auf einen mutmasslich von Israel geführten Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus, bei dem am 1. April zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden getötet wurden. Experten sehen nun eine grosse Kriegsgefahr in Nahost.
Israels Aussenminister: Der Iran muss gestoppt werden
Israels Aussenminister Israel Katz sagte, er führe eine "diplomatische Offensive" an und habe Dutzende von Regierungen angeschrieben, um mehr Sanktionen gegen Teheran zu fordern. Diese sollten eine "militärische Antwort" flankieren, schrieb er auf der Plattform X (vormals Twitter), ohne Details zu nennen. "Der Iran muss jetzt gestoppt werden - bevor es zu spät ist", so Katz.
Nach einer Videoschalte der Aussenminister der EU-Staaten sagte EU-Chefdiplomat Borrell, er werde sein Team um Vorbereitungen für weitere Strafmassnahmen bitten. "Wir werden das Sanktionsregime (...) ausweiten und verschärfen." Wann die geplanten neuen Sanktionen in Kraft gesetzt werden könnten, sagte er nicht.
Die von US-Sicherheitsberater Sullivan angekündigten neuen Sanktionen Washingtons sollen neben dem iranischen Raketen- und Drohnenprogramm auch Unterstützer der iranischen Revolutionsgarden sowie das iranische Verteidigungsministerium treffen. Die Revolutionsgarden sind die Elitestreitmacht des Irans und einflussreicher als die reguläre Armee des Landes. Schon in den vergangenen Jahren hatten die USA weitreichende Sanktionen verhängt, die unter anderem auf iranischen Ölhandel zielen. Sie sollen den Erzfeind der Atommacht Israel an der Entwicklung von Atomwaffen und ballistischen Raketen hindern.
Experten warnen vor weiterer Eskalation
Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, kündigte einen Vergeltungsschlag gegen militärische Einrichtungen des Irans an. Israels Verteidigungsminister Joav Galant sagte, jeder Feind, der Israel bekämpfe, werde selbst zum Ziel. "Die Iraner werden nicht in der Lage sein, einen neuen Status der Abschreckung gegen den Staat Israel zu schaffen", so Galant. Sollten sich der Iran und Israel weiter mit Angriffen und Gegenangriffen überziehen, "führt das zu einer echten Eskalation", warnte Ofer Fridman, israelischer Ex-Offizier und Militärexperte am King's College London, im "Wall Street Journal".
"So eine Eskalationsspirale entgleitet sehr schnell und sehr einfach, weil für beide Seiten sowohl Eskalation als auch Deeskalation riskant ist", sagte der Konflikt- und Protestforscher Tareq Sydiq von der Universität Marburg der Deutschen Presse-Agentur. "Man weiss nicht genau, wie die andere Seite reagieren wird und ab welchem Zeitpunkt ein Krieg auch unausweichlich wird. Das Risiko würde ich sehr hoch einschätzen."
Baerbock erneut in Israel
Damit es nicht zu einem neuen Krieg kommt, laufen die diplomatischen Bemühungen auf Hochtouren. In Israel werde sie ihren Gesprächspartnern "die volle Solidarität Deutschlands versichern und wir werden darüber sprechen, wie eine weitere Eskalation mit Zug um Zug mehr Gewalt verhindert werden kann", sagte Baerbock vor ihrem überraschend angekündigten Besuch - ihrem siebten seit dem Überfall islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober. "Es kommt jetzt darauf an, Iran Einhalt zu gebieten, ohne einer weiteren Eskalation Vorschub zu leisten", sagte sie bei einem Treffen mit ihrem jordanischen Kollegen Aiman al-Safadi in Berlin.
Neben Netanjahu will die Grünen-Politikerin mit ihrem israelischen Kollegen Katz sowie mit Benny Gantz sprechen, der dem Kriegskabinett angehört. Anschliessend reist sie weiter zum Treffen mit den Aussenministern der G7-Runde wirtschaftsstarker Demokratien auf der italienischen Insel Capri.
Britischer Premier rät Israel zur Besonnenheit
Der britische Premierminister Rishi Sunak riet in einem Telefonat mit Netanjahu zu Besonnenheit. Eine erhebliche Eskalation sei in niemandes Interesse. Sunak habe bei dem Gespräch die Unterstützung Grossbritanniens für Israels Sicherheit und die Stabilität in der Region bekräftigt, teilte die britische Regierung mit. Der Iran habe sich schwer verrechnet und sei international zunehmend isoliert, während die G7-Gruppe eine diplomatische Antwort vorbereite.
Im Mittelpunkt der bis Freitag andauernden G7-Beratungen auf Capri werden auch Israels Militäraktion gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen und die verheerende humanitäre Lage der Zivilbevölkerung dort stehen. Zur G7-Runde gehören neben Deutschland die USA, Kanada, Grossbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Italien hat dieses Jahr den Vorsitz.
EU und USA auch über Gewalt im Westjordanland besorgt
Die Europäische Union und die USA sind zudem besorgt über die Lage im Westjordanland, die sich ebenfalls zusehends verschärft. Die Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser und deren Besitztum habe in den vergangenen Tagen nach der Ermordung eines 14-Jährigen aus einer Siedlung stark zugenommen, sagte ein Sprecher von EU-Chefdiplomat Borrell.
Israel müsse Siedlergewalt verhindern und sicherstellen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. In der gegenwärtigen Situation sollten alle Anstrengungen darauf gerichtet sein, weitere Spannungen zu verhindern. Ähnlich äusserte sich am Dienstag auch der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller. Die israelische Regierung habe die Verantwortung, extremistische Siedler für Gewalttaten zur Verantwortung zu ziehen.
Israel hatte im Sechstagekrieg 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute inmitten drei Millionen Palästinensern rund 700.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen eigenen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. (dpa/lag)
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