Benjamin Netanjahu ist sauer. Hintergrund ist der Antrag auf Haftbefehle gegen ihn und Verteidigungsminister Joav Galant wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen im Nahost-Konflikt. Er lässt sich sogar zu einem NS-Vergleich hinreissen.
Der israelische Ministerpräsident
In einer am späten Montagabend veröffentlichten Videobotschaft auf Englisch sagte Netanjahu, Khan giesse "hartherzig Öl in die Feuer des Antisemitismus, die auf der ganzen Welt wüten".
Netanjahu zieht NS-Vergleich
Netanjahu verglich Khan sogar mit den NS-Scharfrichtern. "Er steht nun Seite an Seite mit jenen berüchtigten deutschen Richtern, die ihre Roben anzogen und für Gesetze eintraten, die dem jüdischen Volk die elementarsten Rechte verweigerten und es den Nazis ermöglichten, das schlimmste Verbrechen der Geschichte zu begehen."
Der israelische Regierungschef sagte, er habe vor zwei Wochen während des Holocaust-Gedenktags in Israel gelobt: "Kein Druck und keine Entscheidung irgendeines internationalen Forums werden Israel davon abhalten, sich selbst zu verteidigen gegen jene, die uns zerstören wollen."
Netanjahu warf Khan zudem "Blutverleumdung" vor - dieser auch als Ritualmordlegende bekannte Begriff bezieht sich auf antisemitische falsche Anschuldigungen gegen Juden seit dem Mittelalter. "Vor achtzig Jahren war das jüdische Volk vollkommen wehrlos gegen unsere Feinde", sagte Netanjahu. "Diese Zeiten sind vorbei: Jetzt hat das jüdische Volk einen Staat und wir haben eine Armee, um unseren Staat zu verteidigen."
Israels Verteidigungsminister nennt IStGH-Anträge "verachtenswert"
Auch Israels Verteidigungsminister Galant reagierte empört auf das Vorgehen des IStGH. "Der Versuch des IStGH-Anklägers Karim Khan, die Situation umzukehren, wird keinen Erfolg haben", erklärte er am Dienstag. "Die Parallele, die er zwischen der Terrororganisation Hamas und dem Staat Israel gezogen hat, ist verachtenswert", fügte er hinzu.
Das Vorgehen des IStGH-Chefanklägers ziele darauf ab, "dem Staat Israel das Recht abzusprechen, sich zu verteidigen und die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen zu erreichen", erklärte Galant. Am Montag hatte bereits Netanjahu die Anschuldigungen zurückgewiesen.
Auch die USA kritisierten das Vorgehen des IStGH-Chefanklägers gegen Netanjahu und Galant. US-Präsident Joe Biden nannte das Vorgehen "empörend". "Was auch immer dieser Ankläger andeuten mag, es gibt keine Gleichwertigkeit - keine! - zwischen Israel und der Hamas." Die Vereinigten Staaten würden "immer an der Seite Israels gegen Bedrohungen seiner Sicherheit stehen".
Das deutsche Auswärtige Amt erklärte, die gleichzeitige Beantragung von Haftbefehlen gegen Anführer der Hamas und Regierungsvertreter Israels erwecke den "unzutreffenden Eindruck einer Gleichsetzung".
Frankreich unterstützt den IStGH
Frankreich stellte sich unterdessen aufseiten des IStGH. "Frankreich unterstützt den Internationalen Strafgerichtshof, seine Unabhängigkeit und den Kampf gegen Straflosigkeit in allen Situationen", teilte das französische Aussenministerium in der Nacht zum Dienstag mit.
Frankreich habe die von der Hamas verübten antisemitischen Massaker von Anfang an verurteilt, hiess es in Paris. Was Israel angehe, poche Frankreich seit vielen Monaten auf die strikte Einhaltung des humanitären Völkerrechts und beklage insbesondere die Opfer unter der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und den unzureichenden Zugang für Hilfslieferungen.
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"Frankreich setzt sich für die Suche nach einer dauerhaften politischen Lösung in der Region ein, die als einzige einen Friedenshorizont wiederherstellen und das Leiden sowohl der Israelis als auch der Palästinenser beenden kann", teilte das Ministerium mit.
IStGH-Chefankläger Karim Khan verfolgt Verbrechen beider Seiten im Gaza-Krieg
Khan verfolgt Verbrechen während des Gaza-Kriegs. Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant werden von ihm unter anderem beschuldigt, für das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung sowie für willkürliche Tötungen und zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten verantwortlich zu sein.
Khan beantragte Haftbefehle auch gegen Hamas-Führer, konkret gegen den Anführer der islamistischen Terrorvereinigung, Jihia al-Sinwar, dessen Stellvertreter Mohammed Deif sowie gegen den Auslandschef der Hamas, Ismail Hanija.
Den Hamas-Führern wirft der Ankläger unter anderem "Ausrottung" sowie Mord, Geiselnahme, Vergewaltigungen und Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Er forderte die Terrororganisation auf, alle israelischen Geiseln umgehend freizulassen und für die "sichere Rückkehr zu ihren Familien" zu sorgen.
Bei den Attacken der Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober waren rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Der Terroranschlag war Auslöser für die militärische Offensive Israels im Gazastreifen, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 35.500 Menschen getötet worden sind. (dpa/AFP/ank)
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