Israels Armee stösst im Süden des Gazastreifens weiter vor und hat einem Medienbericht zufolge Ziele im Raum Chan Junis unter Beschuss genommen.
Die "Times of Israel" zitierte in der Nacht zum Dienstag palästinensische Berichte, wonach es intensive Angriffe der israelischen Streitkräfte in der grössten Stadt des südlichen Teils des abgeriegelten Küstengebiets gebe. Zuvor seien Dutzende israelischer Panzer in den Süden Gazas vorgestossen und nahe Chan Junis gesichtet worden. Augenzeugen hätten auch gepanzerte Mannschaftstransporter und Planierraupen gesehen, hiess es weiter.
Wachsende Kritik an Israels Vorgehen
Nach der Ausweitung des israelischen Militäreinsatzes gegen die islamistische Hamas auf den Süden des abgeriegelten Küstengebiets wächst angesichts des Leids der Zivilbevölkerung die Kritik am Vorgehen der Armee. Hilfsorganisationen sprechen im Süden von "Horror" und "unerträglichem Leid der Zivilbevölkerung". Keiner fühle sich sicher, wenn alle zehn Minuten Bomben fallen würden, sagte der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks Unicef, James Elder, der BBC.
Zwei Krankenhäuser im Süden können nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen den Zustrom von Patienten kaum mehr bewältigen. Vor allem das Al-Aksa-Krankenhaus sowie das Nasser-Krankenhaus seien betroffen, teilte die Organisation am Montag mit. Israel wirft der Hamas vor, Angriffe aus Wohngebieten und Krankenhäusern heraus zu verüben und Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.
Armeesprecher: Kein Netz-Totalausfall in Gaza
Ein israelischer Armeesprecher dementierte unterdessen einen erneuten Totalausfall der Telekommunikationsdienste in dem Küstenstreifen. Er selbst habe Live-Übertragungen palästinensischer Propaganda-Leute auf TikTok gesehen, sagte Armeesprecher Jonathan Conricus dem US-Sender CNN in der Nacht zum Dienstag. Die Netzwerke seien vielleicht nicht perfekt, aber einen vom palästinensischen Unternehmen Paltel zuvor gemeldeten Blackout in Gaza gebe es nicht, sagte der Armeesprecher.
Die israelische Armee hat eine Evakuierungskarte aktiviert, die den Gazastreifen in Hunderte kleiner Zonen unterteilt, um die Zivilisten über Kampfzonen zu informieren. Kritiker beklagen jedoch, dass die Menschen vielfach weder Strom noch Internet hätten, um sich die Karte anzusehen. Viele wüssten auch nicht, wie sie mit ihr umgehen sollten. Im Süden Gazas drängen sich Hunderttausende Palästinenser, die auf Israels Anweisung aus dem Norden des Gebiets dorthin geflohen waren.
Bei Israels Angriffen sind im gesamten Küstengebiet laut des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums inzwischen fast 15.900 Menschen getötet worden. Die Opferzahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen, die Vereinten Nationen und andere Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.
Israel hat geheime Informationen zu Geiseln
Der Armeesprecher sagte unterdessen, man habe nachrichtendienstliche Hinweise zum Verbleib der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Auf die Frage, ob das Militär nachrichtendienstliche Informationen habe, wo sich die Geiseln befinden könnten, sagte Conricus: "Ja, haben wir". Nähere Angaben könne er nicht machen. Israel geht davon aus, dass noch 137 Geiseln festgehalten werden.
Unter ihnen sind laut Verteidigungsminister Joav Galant 15 Frauen und zwei Kinder. Tausende Terroristen der Hamas und anderer Gruppierungen hatten Israel am 7. Oktober überfallen und ein Massaker angerichtet. Rund 1.200 Menschen wurden ermordet, der Grossteil davon Zivilisten. Rund 240 Menschen wurden an dem Tag in den Gazastreifen verschleppt. Vergangene Woche wurden während einer Feuerpause 105 Geiseln im Austausch gegen 240 palästinensische Gefängnisinsassen freigelassen.
Die Hamas will nach eigenen Angaben Verhandlungen über die Freilassung weiterer Geiseln erst nach Ende des Kriegs fortsetzen. Man wolle alle Geiseln zurückholen, sagte der israelische Armeesprecher Conricus in der Nacht zum Dienstag. Falls dies nicht durch Verhandlungen möglich sei, werde man andere Mittel anwenden.
Bericht: Israel ist zur Flutung der Tunnel in der Lage
Israel hat einem Medienbericht zufolge ein System aus grossen Pumpen zusammengebaut, mit denen es das ausgedehnte Tunnelnetz der Hamas unter dem Gazastreifen mit Meerwasser fluten könnte. Wie das "Wall Street Journal" am Montag unter Berufung auf US-Beamte berichtete, sei nicht bekannt, ob Israels Regierung diese Taktik anwenden will. Israel habe weder eine endgültige Entscheidung dazu getroffen, noch einen solchen Plan ausgeschlossen, hiess es.
Mit einer solchen Taktik wäre Israel in der Lage, die Tunnel zu zerstören und die Terroristen aus ihrem unterirdischen Versteck zu vertreiben. Andererseits würde dies die Wasserversorgung des Gazastreifens bedrohen, hiess es. Israels Armee hat nach eigenen Angaben seit Beginn des Kriegs mehr als 800 Tunnelschächte gefunden. Rund 500 davon seien bereits zerstört worden, hiess es am Sonntag. Viele Kilometer der unterirdischen Tunnelrouten seien zerstört worden. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Erneut Gefechte an Israels Grenze zum Libanon
Israels Militär hat unterdessen in Reaktion auf Beschuss aus dem Libanon Stellungen der dortigen Hisbollah-Miliz angegriffen. Wie die israelische Armee in der Nacht zum Dienstag mitteilte, hätten Kampfflugzeuge kurz zuvor Raketenstellungen der vom Iran unterstützten Schiiten-Miliz getroffen.
Auch "Terrorinfrastruktur und ein Militärgelände" seien unter Feuer genommen worden. Man habe auf Beschüsse aus dem Libanon auf Ziele in Israel vom Vortag reagiert. Seit Beginn des Gaza-Krieges kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und militanten Gruppierungen wie der Hisbollah in der Grenzregion zum Libanon. Auf beiden Seiten gab es schon Tote.
Was am Dienstag wichtig wird
Israel rückt im Süden des Gazastreifens auch mit Bodentruppen weiter gegen die islamistische Hamas vor. Die Lage für die dortige Zivilbevölkerung bezeichnen Hilfsorganisationen als blanken Horror. (dpa/the)
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