Angesichts des Elends im Gazastreifen treten die Differenzen zwischen Israel und seinem wichtigsten Verbündeten USA immer mehr zutage. Der Überblick.

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Vier Monate nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel hat US-Aussenminister Antony Blinken mit deutlichen Worten eine Mässigung beim israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen gefordert. Die Entmenschlichung, die Israel bei dem Massaker der Hamas am 7. Oktober erlebt habe, könne "kein Freibrief" sein, um selbst andere zu entmenschlichen, sagte er nach Gesprächen in Tel Aviv.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hingegen bekräftigte die harte Linie seiner Regierung. Es sei nötig, weiter militärischen Druck auf die Hamas auszuüben, um die in den Gazastreifen verschleppten Geiseln freizubekommen, sagte er. Es gebe keine Alternative zu einem militärischen Zusammenbruch der militanten Palästinenserorganisation. Der Gaza-Krieg könne in wenigen Monaten gewonnen werden, zeigte sich der Regierungschef überzeugt.

Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wegen der israelischen Militäroffensive rief Blinken die Regierung in Tel Aviv dazu auf, mehr humanitäre Hilfe zuzulassen. Die überwältigende Mehrheit der Menschen in dem Küstengebiet habe nichts mit dem Angriff der Hamas zu tun gehabt, sagte er. "Wir können und dürfen unsere gemeinsame Menschlichkeit nicht aus den Augen verlieren", mahnte er.

Terroristen hatten am 7. Oktober im Auftrag der Hamas ein verheerendes Massaker an Hunderten Zivilisten in Israel angerichtet. Seitdem führt Israel Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen. Bei dem Überfall auf Israel waren damals auch mehr als 200 Menschen als Geiseln genommen und in den Gazastreifen verschleppt worden. Einige davon wurden inzwischen freigelassen.

Seit Kriegsbeginn sind nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde mehr als 100.000 Menschen getötet und verletzt worden oder werden unter Trümmern vermisst. Die Angaben sind unabhängig faktisch nicht zu überprüfen. Die hohe Zahl ziviler Opfer im Gaza-Krieg und die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung durch den Konflikt haben international Kritik am Vorgehen Israels ausgelöst.

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Netanjahu kritisiert Forderungen der Hamas für Geisel-Deal

Israels Regierungschef Netanjahu wies die von der Hamas im Gegenzug für einen möglichen neuen Geisel-Deal aufgestellten Forderungen vehement zurück. Die gestellten Bedingungen würden absehbar zu einem weiteren Massaker führen, sagte er. Die Palästinenserorganisation hatte zuvor auf einen internationalen Vermittlungsvorschlag geantwortet und im Gegenzug für eine weitere Freilassung von Geiseln gefordert, dass Israel mehr als 1500 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen entlässt - unter ihnen 500 Häftlinge, die zu lebenslangen oder sehr langen Haftstrafen verurteilt wurden.

Die Hamas forderte darüber hinaus einen vollständigen und umfassenden Waffenstillstand, eine Beendigung der Blockade des Gazastreifens und den Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Küstengebiets. Israel lehnt dies ab.

Blinken sieht Chancen auf Deal zwischen Israel und Hamas

US-Aussenminister Blinken hingegen sieht Chancen auf einen möglichen Deal zwischen Israel und der Hamas. Die Reaktion der Hamas auf den internationalen Vermittlungsvorschlag enthalte zwar einige "Rohrkrepierer", sagte Blinken. "Aber wir sehen in dem, was zurückkam, auch Raum, um die Verhandlungen fortzusetzen und zu sehen, ob wir zu einer Einigung kommen können", betonte er. "Und wir glauben, dass wir ihn nutzen sollten."

Ehemalige Hamas-Geiseln kritisieren Regierungskurs

Mehrere ehemalige Geiseln kritisierten derweil den Kurs der israelischen Regierung. Der Preis, um die noch im Gazastreifen festgehaltenen Menschen zu befreien, sei hoch, räumte eine Frau nach Angaben der Zeitung "Times of Israel" bei einer Pressekonferenz ein. "Aber wenn wir es nicht tun, wird es Israel für immer beschmutzen." Wenn die Geiseln nicht nach Hause kämen, werde jeder wissen, "dass wir in einem Land leben, das sich keine Sorgen um unsere Sicherheit macht, das seine Bürger nicht schützt", sagte eine andere freigelassene Frau. Alles liege in Netanjahus Händen, erklärte dem Bericht zufolge eine weitere ehemalige Geisel. Sie habe grosse Angst, dass es keine Verschleppten mehr zu befreien geben werde, sollte der Ministerpräsident seinen Weg fortsetzen.

Guterres warnt Israel vor Militäroffensive im Süden Gazas

UN-Generalsekretär António Guterres warnte Israel vor einer Militäroffensive im südlichen Gazastreifen. "Ich bin besonders beunruhigt über Berichte, dass das israelische Militär beabsichtigt, sich als Nächstes auf Rafah zu konzentrieren – wo Hunderttausende Palästinenser auf der verzweifelten Suche nach Sicherheit unter Druck geraten", sagte Guterres vor der UN-Vollversammlung in New York. Eine solche Aktion würde das, "was bereits ein humanitärer Albtraum mit ungeahnten regionalen Folgen ist, exponentiell verstärken". Netanjahu hatte zuvor gesagt, er habe die politische Führung der Armee angewiesen, sich auf einen Kampf in Rafah vorzubereiten.

EU-Militäroperation im Roten Meer soll in Kürze beginnen

Derweil stehen die Planungen für den EU-Militäreinsatz zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer kurz vor dem Abschluss. Wie mehrere Diplomaten der dpa bestätigten, soll bereits am Freitag ein schriftliches Beschlussverfahren zur Einrichtung der Operation Aspides beginnen. Der grundsätzliche Plan für den EU-Militäreinsatz sieht vor, europäische Kriegsschiffe zum Schutz von Frachtschiffen in die Region zu entsenden. Diese sollen dann dort Handelsschiffe vor Angriffen der militant-islamistischen Huthi aus dem Jemen schützen. Die Miliz will mit dem Beschuss von Schiffen ein Ende der israelischen Angriffe im Gazastreifen erzwingen.

Was heute wichtig wird

In der ägyptischen Hauptstadt Kairo sollen Medienberichten zufolge neue Verhandlungen über die Freilassung weiterer von der Hamas verschleppter Geiseln beginnen. Zu den von Ägypten und Katar moderierten Gesprächen wurde laut einem Bericht des Fernsehsenders Al-Dschasira auch Hamas-Chef Ismail Hanija erwartet. In Israel wollte sich US-Aussenminister Blinken zudem mit Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, und Oppositionsführer Jair Lapid treffen. (dpa/mak)

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