Verfahren und schwer durchschaubar - so erscheint der Nahostkonflikt vielen. Wir stellen die wichtigsten Akteure vor und erklären die zentralen Begriffe, die es braucht, um den derzeit blutig eskalierenden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern besser zu verstehen.
Die Hamas feuert Bomben und Raketen auf Israel. Die israelischen Verteidigungsstreitkräfte schlagen zurück, greifen den Gazastreifen aus der Luft an. Wer spielt welche Rolle im Nahostkonflikt? Welche Begriffe muss man kennen? Ein Überblick.
Hamas
Hamas ist die Abkürzung für "Harakat al-Muqawama al-Islamiya", was so viel wie "Bewegung des islamischen Widerstands" bedeutet. Der Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft gründete sich im Zuge der palästinensischen Aufstände gegen die israelische Besatzung im Gazastreifen 1987. Die Hamas lehnt das Existenzrecht Israels ab und will das Land mittels ihres bewaffneten Zweigs vernichten. Ihr Ziel: ein souveräner Staat Palästina.
Viele Länder, darunter Deutschland, stufen die Hamas als Terrororganisation ein. Sie ist jedoch nicht nur dschihadistische Miliz, sondern auch politische Partei. Seit den letzten Wahlen zum palästinensischen Parlament 2006 hat sie die Macht in Gaza inne, wenngleich die Legislaturperiode längst abgelaufen ist. Die Hamas agiert auch als karitative Organisation, die Bedürftige unterstützt, Schulen und Krankenhäuser unterhält und in die Infrastruktur investiert, was ihr in der verarmten Bevölkerung Zuspruch einbringt. Seit dem 7. Oktober 2023 greift sie Israel massiv an.
Fatah
Die Fatah ("Bewegung zur nationalen Befreiung Palästinas") ist stärkster innenpolitischer Widersacher der Hamas. Sie entstand 1995 als Guerillaorganisation, die mittels bewaffneten Kampfes die Unabhängigkeit Palästinas erreichen wollte. Dieses Zielt teilt sie bis heute mit der Hamas, nicht aber die Mittel: Die Fatah hat dem Terrorismus abgeschworen und das Existenzrecht Israels anerkannt.
Die sozialdemokratische Partei stellte mit Jassir Arafat (1996 bis 2004) und Mahmud Abbas (2004 bis 2007) den ersten und zweiten Präsidenten der palästinensischen Autonomiegebiete. Nach den Parlamentswahlen 2006, bei denen die Hamas die Mehrheit errang, kam es jedoch zu einem blutigen Machtkampf. Die Hamas vertrieb die Fatah aus dem Gazastreifen. Sie herrscht seither nur noch im Westjordanland und gilt als zutiefst korrupt.
Palästinensische Gebiete
Der Begriff "Palästinensische Gebiete", oft auch Autonomiegebiete genannt, umfasst das Westjordanland, den Gazastreifen und den arabisch geprägten, 1967 von Israel eroberten und später annektierten Ostteil Jerusalems. Die Palästinenser fordern diese Gebiete für einen unabhängigen Staat. Bislang verfügen sie lediglich über Teilautonomie im Gazastreifen und Westjordanland.
Gazastreifen
Der Küstenstreifen am Mittelmeer ist flächenmässig nur etwas grösser als München, mit 2,2 Millionen Einwohnern aber sehr dicht besiedelt. Ein Grossteil der überwiegend muslimischen Bevölkerung des Gazastreifens haust in Flüchtlingslagern. Die humanitäre Lage ist katastrophal, über die Hälfte der Menschen leben in Armut: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrug 2022 rund 1.300 Dollar - gegenüber 52.000 Dollar in Israel.
Die Arbeitslosigkeit unter Männern lag 2022 bei 39 Prozent, unter Jugendlichen gar bei 74 Prozent. Der Gazastreifen ist mit einer Sperranlage abgeriegelt. Es gibt lediglich drei Übergänge nach Israel. Seit 2007, seit die Hamas dort herrscht, hat Israel seine Blockade des Gazastreifens, die inzwischen von Ägypten mitgetragen wird, verschärft.
Westjordanland
Das Westjordanland, oft auch als West Bank bezeichnet, liegt im Osten des israelischen Kernlandes. Es grenzt im Westen an die Hauptstadt Jerusalem, die heute jedoch mit einer Sperranlage abgetrennt ist. Das Gebiet ist etwas kleiner als der Stadtstaat Hamburg und von rund drei Millionen Menschen bewohnt.
Die Mehrheit sind muslimische Palästinenser, es leben aber auch Juden dort. Die Armutsquote lag 2022 bei 14 Prozent, das Pro-Kopf-Einkommen war mit rund 4.500 Dollar immerhin mehr als dreimal so hoch wie im Gazastreifen. Die Macht im Westjordanland hat die Fatah inne - mangels Neuwahlen jedoch seit Jahren nicht mehr demokratisch legitimiert.
Palästinensische Befreiungsorganisation
Die Palästinensische Befreiungsorganisation, kurz PLO (Palestine Liberation Organization) entstand 1964 und ist eine Art Dachverband mehrerer Organisationen in verschiedenen Ländern, die einen unabhängigen Staat Palästina anstreben.
Auch sie verübte in der Vergangenheit Terroranschläge, Entführungen und Geiselnahmen, hat den bewaffneten Kampf jedoch zwischenzeitlich aufgegeben. Stärkste Fraktion der PLO ist die Fatah, ihr Vorsitzender ist Mahmud Abbas.
Palästinensische Autonomiebehörde
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wurde 1994 gegründet, auf der Basis der Friedensverträge zwischen Israel und der PLO. Sie ist zuständig für grundlegenden Dienstleistungen in den Palästinensergebieten, wie die Versorgung mit Wasser und Strom, das Schulsystem und die Müllabfuhr. Sie gibt aber auch Dokumente wie Pässe, Geburts- und Todesurkunden und Führerscheine heraus. Wichtigster Geldgeber der Palästinenserbehörde ist die Europäische Union.
Israelische Verteidigungsstreitkräfte
Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte, häufig auch IDF (Israel Defense Forces) abgekürzt, zählen zu den besten Armeen der Welt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt gibt kein Land mehr Geld für sein Militär aus als Israel - zuletzt waren es rund 5,2 Prozent. Zum Vergleich: Deutschland erreicht nicht einmal das Zwei-Prozent-Ziel der Nato.
Die Armee verfügt über technologisch hochwertigste Ausstattung. Die Zahl der aktiven Soldatinnen und Soldaten (173.000) ist vergleichbar mit der der Bundeswehr, hinzu kommen rund 465.000 Reservisten. Durch lange Wehrdienstzeiten (30 Monate für Männer, 24 für Frauen) ist das Militär mit der Bevölkerung stark verzahnt. Die Angriffe der Hamas und ihrer Verbündeten auf Israel beantworten die IDF derzeit mit massiven Luftangriffen auf den Gazastreifen.
Hisbollah
Die Hisbollah (Arabisch für: "Partei Gottes") ist eine libanesische Partei und Miliz, entstanden in den 1980er-Jahren. Die islamistisch-schiitische Organisation kontrolliert das Land politisch und militärisch - zwar nicht offiziell, aber de facto. Viele westliche Staaten stufen die Hisbollah als Terrororganisation ein, in Deutschland ist sie seit 2020 verboten.
Die Hisbollah agiert weit über den Libanon hinaus: Der bewaffnete Kampf gegen Israel, das bis zum Jahr 2000 den Südlibanon besetzt hielt, gehört seit jeher zu ihrer DNA. Aktuell unterstützt sie die Hamas mit Granaten- und Raketenangriffen von libanesischem Territorium aus.
Im Syrien-Krieg kämpft die Hisbollah an der Seite der Regierungstruppen von Präsident Assad. Sie kooperiert eng mit dem iranischen Regime. Beide sehen sich als Achse des schiitischen Widerstands gegen Israel.
Verwendete Quellen:
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.