Die islamistische Hamas hat vier Geiseln freigelassen. Die Frauen waren vor mehr als 15 Monaten während des Massakers aus Israel verschleppt worden. Nun werden sie gegen palästinensische Häftlinge ausgetauscht.

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Die islamistische Hamas hat im Gazastreifen vier weitere Geiseln freigelassen. Die vier jungen Soldatinnen wurden am Vormittag an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übergeben und kurz darauf von israelischen Soldaten in ihre Heimat gebracht. Es handelt sich um Liri Albag, Naama Levy, Karina Ariev und Daniella Gilboa, sie sind zwischen 19 und 20 Jahre alt. Islamistische Terroristen hatten die vier am 7. Oktober 2023 während des Überfalls der Hamas auf Israel mit rund 1.200 Toten entführt.

Die Angehörigen der freigelassenen Soldatinnen sind angesichts der Rückkehr der Frauen sehr glücklich. Die Regierung veröffentlichte Aufnahmen, die zeigen, wie die Eltern jubeln und vor Freude schreien, während sie Aufnahmen der Übergabe ihrer Töchter an die israelische Armee sehen. Sie trafen die jungen Frauen kurz danach. Anschliessend war die Weiterfahrt in eine Klinik bei Tel Aviv geplant, wo weitere Angehörige warteten.

Familie von Albag: "Liri ist durch die Hölle gegangen"

Die Familie von Levy erklärte noch vor dem Wiedersehen mit der 20-Jährigen, sie sei "überglücklich und tief bewegt" darüber, Naama stark und auf dem Weg in die Heimat zu sehen. "Unsere Herzen sind bei den Familien, die noch auf ihre Liebsten warten", fügten sie hinzu. "Wir werden nicht ruhen, bis die letzte Geisel zurückkehrt."

Auch die Schwester von Daniela Gilboa äusserte sich erleichtert. Als Gerüchte, dass ihre Schwester tot sei, aufgekommen seien, sei sie zusammengebrochen, sagte sie der Nachrichtenseite ynet. Nun seien ihre Sorgen überwunden.

Die Familie von Albag hat ebenfalls ihre Freude und Erleichterung über die Wiedervereinigung mit der 19-Jährigen geteilt. "Nach 477 langen Tagen des nervenzehrenden Wartens konnten wir endlich Liri sehen, sie umarmen und wissen, dass sie mit uns ist, sicher und umgeben von der Liebe ihrer Familie", hiess es in einer Stellungnahme. "Liri hat übermenschliche Stärke gezeigt und ist durch die Hölle gegangen."

Israels Armee macht sich "grosse Sorgen" um letzte zwei Kinder unter Geiseln

Die Freilassung erfolgt im Rahmen einer sechswöchigen Waffenruhe-Vereinbarung, die Sonntag in Kraft getreten ist. Schon vor knapp einer Woche hatte die Hamas drei verschleppte Zivilistinnen freigelassen. Die nun freigelassenen Soldatinnen sind damit die zweite Geisel-Gruppe, die freikommt. Im Gazastreifen werden nun noch 90 aus Israel Entführte festgehalten, davon sind israelischen Angaben zufolge mehr als 30 für tot erklärt worden.

In den kommenden Wochen, der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens, sollen noch weitere 26 Geiseln freigelassen werden. Laut der Nachrichtenseite ynet dürften acht von ihnen nicht mehr am Leben sein.

Dabei macht sich die israelische Armee nach eigenen Angaben "grosse Sorgen" um die letzten beiden Kinder, die noch festgehalten werden. Der Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Samstag, Israel sei sehr besorgt über das "Schicksal" von Kfir and Ariel Bibas und bestehe auf der Freilassung der Kinder. Der zweijährige Kfir und sein fünfjähriger Bruder Ariel, die zusammen mit ihrer Mutter Shiri Bibas in den Gazastreifen verschleppt wurden, sind die jüngsten Geiseln der Hamas.

200 palästinensische Häftlinge kommen für vier Frauen frei

Das Abkommen sieht vor, dass Israel für jede Soldatin 50 palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen entlässt, darunter 30 Personen, die eine lebenslange Haftstrafe verbüssen. Insgesamt sollen im Austausch für die Frauen also 200 palästinensische Häftlinge freikommen. Einige werden gemäss dem Abkommen wegen ihrer schweren Straftaten ins Ausland gebracht.

Palästinensischen Angaben zufolge wurden bereits rund 130 Häftlinge nach Ramallah im Westjordanland gebracht. Dort warten demnach ihre Familien auf sie. Rund weitere 70 palästinensische Gefangene seien auf dem Weg nach Ägypten. Die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete, die Häftlinge seien am Grenzübergang Kerem Schalom im südlichen Gazastreifen angekommen.

Von dort sollen sie zum Grenzübergang Rafah gebracht und nach Ägypten überstellt werden, meldete der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira. Viele werden von dort aus Berichten zufolge in andere Staaten wie Katar und die Türkei weiterreisen.

Unter den am Samstag freikommenden Häftlingen ist israelischen Medien zufolge auch Wael Kassem, der an Bombenanschlägen in Israel mit Dutzenden Toten beteiligt gewesen sein soll.

Jubel in Tel Aviv - aber auch Enttäuschung von Angehörigen

Bewaffnete und maskierte Hamas-Kämpfer übergaben die vier lächelnden Soldatinnen auf einem Platz in der Stadt Gaza an Rotkreuz-Vertreter. Ehe sie in Fahrzeuge des Roten Kreuzes stiegen, wurden sie auf eine Bühne geführt, um dort der Menge zu winken. Ob die Frauen aus freien Stücken oder unter Drohungen handelten, war unklar. Nach wenigen Minuten verliess der Konvoi den Platz.

In Tel Aviv warteten zahlreiche Menschen auf die Nachricht über die Freilassung der Geiseln. Jubel brach aus, als die lang erwartete Nachricht eintraf. Viele der Versammelten trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Ihr seid nicht allein" - auch eine Botschaft an die verbleibenden Geiseln im Gazastreifen.

"Die israelische Regierung begrüsst die vier Rückkehrer", teilte das Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in einer ersten Stellungnahme mit.

In die Freude über die Freilassung der vier Soldatinnen mischte sich bei betroffenen Familien aber auch Enttäuschung, auf die eigenen Angehörigen noch länger warten zu müssen. Die Zeitung "Haaretz" zitierte aus einem Schreiben der Familie Bibas, ihre Welt sei zusammengebrochen, als bei der Veröffentlichung der Namen der freizulassenden Geiseln nicht Shiri Bibas und ihre beiden kleinen Söhne aufgeführt gewesen seien.

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari pochte in einer Ansprache auf die Rückkehr der Familie, die auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sowie einer weiteren Zivilistin, die Berichten zufolge ebenfalls deutsche Staatsbürgerin ist. Die Hamas habe gegen die Vereinbarung verstossen, indem sie zunächst die Soldatinnen freiliess, sagte er.

Noch 90 israelische Geiseln im Gazastreifen

In einer Woche sollen zunächst drei weitere Entführte freikommen. Im Gegenzug war vereinbart worden, dass Israel für die insgesamt 33 Geiseln 1.904 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlässt.

In den kommenden Wochen ist zudem geplant, dass die Hamas und Israel über weitere Schritte verhandeln. Ziel ist der vollständige Rückzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen und die Freilassung der letzten verbliebenen Geiseln. Sollten beide Seiten keine Einigung erzielen, könnte der Krieg weitergehen.

Der Gaza-Krieg war nach dem Überfall der Hamas und anderer terroristischer Gruppen auf Israel im Oktober 2023 mit rund 1.200 Toten und mehr als 250 aus Israel Entführten ausgebrochen. Grosse Teile des von den Palästinensern bewohnten Gazastreifens liegen in Schutt und Asche. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen mehr als 47.000 Menschen ums Leben. Wie viele davon Zivilisten und wie viele Kämpfer sind, sagt sie nicht.

Im Zuge einer vorübergehenden Waffenruhe Ende November 2023 hatte die Hamas 105 Geiseln freigelassen. Im Gegenzug entliess Israel damals 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen.(dpa/afp/bearbeitet von ff)

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