Der israelische Minister und Netanjahu-Konkurrent Benny Gantz ist zu Gesprächen in die USA gereist. Dem israelischen Regierungschef soll der Alleingang seines Ministers gar nicht gefallen haben.
US-Vizepräsidentin
Die Vizepräsidentin habe über die Dringlichkeit eines Geisel-Abkommens gesprochen und Israels "konstruktiven Ansatz" in den Verhandlungen begrüsst. An die Hamas gerichtet sagte die Vizepräsidentin demnach, diese solle die "auf dem Tisch liegenden Bedingungen" für eine sechswöchige Waffenruhe "akzeptieren". Die beiden hätten auch die Lage in der Stadt Rafah im Süden erörtert und über die Notwendigkeit eines glaubwürdigen und umsetzbaren humanitären Plans gesprochen, bevor eine grössere Militäroperation in Erwägung gezogen werde.
Am Sonntag hatte Harris die israelische Regierung in ungewöhnlich scharfer Form aufgerufen, mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen. "Die israelische Regierung muss mehr tun, um den Fluss von Hilfsgütern bedeutsam zu vergrössern", sagte die Vizepräsidentin. "Keine Entschuldigungen." So müsse Israel weitere Grenzübergänge öffnen und dürfe keine "unnötigen Beschränkungen" für eine Auslieferung von Hilfen auferlegen.
Gantz’ Alleingang brüskiert Netanjahu
Gantz sagte auf dem Weg ins Weisse Haus, "mit Freunden sollten wir immer offen sprechen, und das werden wir tun". Gantz ist Minister ohne festes Ressort und ein langjähriger Rivale des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Er sollte auch mit dem Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan und US-Aussenminister Antony Blinken zusammentreffen.
Gantz war als damaliger Oppositionspolitiker wenige Tage nach Kriegsbeginn in das sogenannte Kriegskabinett eingetreten, das bei den wichtigsten militärischen Entscheidungen mitbestimmt. Darin spielt der ehemalige General, so Beobachter, eine eher moderierende Rolle. Kritiker aus dem Lager der Regierungsgegner werfen ihm hingegen vor, dass er die Regierung längst hätte verlassen müssen, weil Netanjahu unter dem Druck seiner rechtsradikalen und ultrareligiösen Koalitionspartner ohnehin mache, was er wolle.
In Meinungsumfragen liegt die von Gantz geführte Mitte-Rechts-Partei Nationale Union mittlerweile deutlich vorne und wurde zur stärksten Kraft des Anti-Netanjahu-Lagers, während die Likud-Partei des Regierungschefs in der Wählergunst massiv verlor. Käme es zu Neuwahlen – und könnte Gantz seine Umfragewerte halten –, wäre er der nächste Ministerpräsident.
Das Treffen mit Gantz zeigt zudem die zunehmende Unzufriedenheit des Weissen Hauses mit dem Vorgehen der rechtsgerichteten Regierung Netanjahus im Gazastreifen. Bedenken, dass es die Spannungen mit Netanjahu verstärken könnte, spielte das Weisse Haus herunter.
USA drängen auf Waffenruhe in Gaza
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsberaters, John Kirby, sagte am Montag vor Journalisten, Israel habe zudem einen "zielgerichteten" Vorschlag für die Waffenruhe präsentiert. Der Abschluss eines Abkommens über eine sechswöchige Waffenruhe und die Freilassung israelischer Geiseln aus der Hand der Hamas im Gegenzug für die Freilassung palästinensischer Häftlinge hänge nun von der Hamas ab, sagte Kirby.
Kirby sagte auf Nachfrage, das Treffen sei auf Ersuchen von Gantz zustande gekommen. Man betrachte den Besuch als etwas, das natürlich aus den Gesprächen mit der Regierung erwachsen sei. Gantz sei Mitglied es israelischen Kriegskabinetts und in den USA, um über den Fortgang des Krieges zu sprechen. Der Besuch gebe den USA auch die Gelegenheit, über die Wichtigkeit der humanitären Hilfe für die Menschen im Gazastreifen und eines Geisel-Deals zu sprechen. Diese wolle man nicht ausschlagen.
Die USA versuchen zusammen mit Ägypten und Katar eine Feuerpause zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas zu vermitteln. Eine Waffenruhe wäre für US-Präsident Joe Biden ein grosser innenpolitischer Erfolg, den er in seiner Rede zur Lage der Nation am Donnerstag verkünden könnte.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen dauert seit fast fünf Monaten an. Hunderte Kämpfer der unter anderem von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Palästinensergruppe waren am 7. Oktober nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten vorwiegend an Zivilisten verübt. Sie töteten nach israelischen Angaben etwa 1.160 Menschen und verschleppten rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen.
Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor, erklärtes Ziel ist die Zerstörung der Hamas. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, seitdem mehr als 30.500 Menschen getötet. (afp/dpa/the)
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