Der brandgefährliche Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah eskaliert weiter. Nach dem tödlichen Luftangriff Israels auf einen Hisbollah-Kommandeur geht ein Raketenhagel auf Israels Norden nieder.
Mit massiven Raketenangriffen auf den Norden Israels hat die Hisbollah auf die gezielte Tötung eines ranghohen Kommandeurs der libanesischen Schiitenmiliz reagiert. Rund 200 Geschosse seien aus dem nördlichen Nachbarland abgefeuert worden, teilte die israelische Armee am Mittwoch mit. Die Vergeltungsangriffe reichten bis ungewöhnlich tief in das Land – nach Medienberichten bis Tiberias am See Genezareth. Die Nachrichtenseite ynet berichtete von "beispiellosen Angriffen".
Sehr ranghoher Hisbollah-Kommandeur getötet
Kommandeur Talib Abdallah und drei weitere Hisbollah-Mitglieder seien bei einem israelischen Angriff in der Nacht zum Mittwoch getötet worden, hiess es aus libanesischen Sicherheitskreisen. Abdallah ist eines der ranghöchsten Todesopfer in den Reihen der Miliz seit der Tötung von Kommandeur Wissam al-Tauil im Januar.
Nach Angaben der israelischen Armee griff die Luftwaffe in dem Ort Dschuwaja, der etwa 30 Kilometer von der israelischen Grenze entfernt liegt, ein Hisbollah-Kommandozentrum an. Von dort aus habe es direkte Angriffe auf Israel gegeben. Das Militär habe ausserdem den Kommandeur Abdallah gezielt getötet, hiess es in der Mitteilung. Er sei "einer der ranghöchsten Hisbollah-Kommandeure im Süden des Libanons" gewesen.
Israel: Kommandeur plante viele Terroranschläge
"Viele Jahre lang hat der Terrorist eine grosse Anzahl von Terroranschlägen auf israelische Zivilisten geplant, vorangetrieben und ausgeführt", teilte die Armee weiter mit. Sie bestätigte, bei dem Angriff seien drei weitere Hisbollah-Mitglieder getötet worden.
Aus Hisbollah-Kreisen hiess es, Abdallahs Tod sei "ein grosser Verlust für die Bewegung". Im Beisein von mehreren hundert Trauergästen wurde er im Süden Beiruts beigesetzt, wo die Hisbollah besonders grossen Einfluss hat. Es war das erste Mal seit der Tötung Al-Tauils vor fast einem halben Jahr, dass die Hisbollah von der Tötung eines "Kommandeurs" sprach. Haschem Safieddine, ranghoher Hisbollah-Funktionär, kündigte bei dem Begräbnis an, die Organisation werde als Reaktion auf Abdallahs Tod "die Intensität, Stärke, Quantität und Qualität unserer Operationen verstärken".
Kommandeur galt als Vertrauter des iranischen Generals Soleimani
Die Miliz veröffentlichte Fotos Abdallahs und Al-Tauils zusammen wie auch ein Foto Abdallahs mit dem mächtigen iranischen General Ghassem Soleimani, der 2020 im Irak durch einen US-Drohnenangriff getötet worden war. Die schiitische Miliz ist eng mit dem Iran verbündet. Abdallah soll ein enger Vertrauter Soleimanis gewesen sein und verantwortlich für bewaffnete Einsätze der Hisbollah im Zentrum und Süden des Libanons.
Einige abgefeuerte Geschosse aus dem Libanon habe die Raketenabwehr abgefangen, andere seien an mehreren Orten im Norden Israels eingeschlagen, teilte die israelische Armee mit. Es seien mehrere Brände ausgebrochen. Die Polizei teilte mit, alle Geschosse seien in unbewohnten Gebieten niedergegangen. Es gebe keine Berichte über Verletzte. Israels Luftwaffe griff nach Militärangaben eine Raketen-Abschussrampe im Libanon an.
Sorge vor Eskalation durch Ausweitung von Angriffen
Mit der Tötung Abdallahs könnte sich der Konflikt zwischen der Hisbollah und Israels Armee ausweiten. Die Lage im Südlibanon gehe "in Richtung Eskalation", hiess es aus libanesischen Sicherheitskreisen. Dort wachse die Sorge, weil Israel zunehmend auch Ziele im Landesinneren angreife. "Niemand will einen Krieg beginnen oder eskalieren", sagte US-Aussenminister Antony Blinken in Katar zur Lage im Libanon. Eine Waffenruhe im laufenden Gaza-Krieg würde auch im Libanon eine "enorme Menge Druck abbauen".
Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor mehr als acht Monaten kommt es täglich zu militärischen Konfrontationen zwischen der israelischen Armee mit der Hisbollah-Miliz sowie anderen Gruppierungen im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon. Tote gab es dabei auf beiden Seiten. In Ortschaften beiderseits der Grenze hat der gegenseitige Beschuss schwere Zerstörungen angerichtet. Rund 150.000 Menschen wurden evakuiert oder verliessen die Kampfzone.
Die Hisbollah ist mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger. Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht – so wie es die UN-Resolution 1701 vorsieht. Es wird aber nicht damit gerechnet, dass die Hisbollah das Feuer einstellt, solange der Gaza-Krieg andauert. (Sara Lemel, Johannes Sadek und Weedah Hamzah dpa/tas)
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