Fast 180 Menschen sind an Bord einer nahe Teheran abgestürzten Passagiermaschine umgekommen. Ein Abschuss sei technisch und wissenschaftlich absurd, hatte der Iran noch am Freitag behauptet. Nun das Eingeständnis: Das ukrainische Flugzeug wurde abgeschossen. Aus Versehen, wie es heisst.
Nach tagelangem Leugnen hat der Iran nun doch eingestanden, für den Absturz eines ukrainischen Passagierflugzeugs mit 176 Todesopfern verantwortlich zu sein. Das Militär habe die Maschine unbeabsichtigt abgeschossen, es handele sich um menschliches Versagen, hiess es am Samstag in einer Presseerklärung. Präsident Hassan Ruhani äusserte sein Bedauern, versprach eine gründliche Untersuchung und erklärte: "Dieser unverzeihliche Vorfall muss juristisch konsequent verfolgt werden." Die Familien der Opfer sollten entschädigt werden.
Zuvor hatte der Iran tagelang einen Abschuss vehement bestritten und erklärt, ein technischer Defekt sei die Ursache gewesen. Unter den Absturzopfern waren unter anderem 57 Kanadier.
Wohl ein Defekt im Kommunikationssystem
Zum Hergang erklärte ein Kommandeur der iranischen Revolutionsgarde, die ukrainische Passagiermaschine habe sich am Mittwoch einer strategisch wichtigen Militäranlage genähert, sei versehentlich als feindlicher Marschflugkörper eingestuft und schliesslich abgeschossen worden. Der Kommandeur der Luft- und Weltraumabteilung der Revolutionsgarde, Amir Ali Hadschisadeh, sagte weiter, der zuständige Offizier habe der Zentrale die Gefahr melden wollen, aber genau zu dem Zeitpunkt habe es einen Defekt im Kommunikationssystem gegeben.
Der Offizier hatte laut Hadschisade dann nur wenige Sekunden zu entscheiden, ob er eine Luftabwehrrakete abfeuert oder nicht. "Und leider tat er es, was dann zu dem Unglück führte", sagte der Kommandeur. "Als ich davon erfahren habe, wünschte ich mir, lieber selbst tot zu sein, statt Zeuge dieses Unglücks", sagte Hadschisadeh.
In der iranischen Pressemitteilung hiess es weiter, der für den Abschuss Verantwortliche werde vor ein Militärgericht gestellt. Die Streitkräfte entschuldigten sich bei den Opferfamilien und versprachen, solch ein "Fehler" werde nicht mehr vorkommen.
Iranische Bürger reagieren mit Wut und Enttäuschung
Auch Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei bedauerte den Abschuss. "Das menschliche Versagen in den Vorfall ist äusserst bedauerlich und mein tiefstes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer", erklärte er laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA. Von den Streitkräften forderte er eine lückenlose Aufklärung.
Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif schrieb auf Twitter von einem "traurigen Tag". Er entschuldigte sich bei den Familien der Opfer und der iranischen Bevölkerung. Weiter schrieb er: "Menschliches Versagen in Krisenzeiten, vom Abenteurertum der USA verursacht, hat zu diesem Desaster geführt." Auch Ruhani versuchte, den Abschuss mit den militärische Spannungen mit den USA zu rechtfertigen.
Auch Justizchef Ibrahim Raeissi forderte eine lückenlose Aufklärung. "Die Justizabteilung der Streitkräfte sowie die iranische Luftfahrtbehörde sollten alle Dimensionen untersuchen und mir die Ergebnisse umgehend mitteilen", erklärte Raeissi laut Nachrichtenagentur Isna.
Der ukrainische Präsident
In sozialen Medien reagierten iranische Bürger mit Wut und Enttäuschung. Besonders aufgebracht waren sie wegen der vielen offiziellen Dementis in den Tagen zuvor. Ein User schrieb auf Twitter: "Ich wäre lieber auch in der Maschine gestorben, dann hätte ich als Iraner diese Peinlichkeit nicht erlebt."
Flüge nach Teheran eingestellt
Mehrere ausländische Expertenteams, auch eins von Boeing, waren nach Teheran eingeladen worden, um zusammen mit iranischen und ukrainischen Experten die Blackboxen der Maschine zu untersuchen. Am Freitag hatten die Ermittlungen dann begonnen.
Seit dem Vorfall haben mehrere ausländische Fluggesellschaften, auch Lufthansa und die Austrian Airlines, ihre Flüge nach Teheran eingestellt. Die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA hatte nach dem Absturz von Flügen über den Iran abgeraten.
Unterdessen standen die Zeichen im Konflikt zwischen den USA und dem Iran nach den gegenseitigen gezielten Militärangriffen vorerst auf Entspannung. Die Lage am Persischen Golf war eskaliert, nachdem die USA den iranischen Top-General Ghassem Soleimani Ende vergangener Woche in Bagdad gezielt getötet hatten. Nach dem Vergeltungsangriff des Irans auf die von den USA genutzten Militärbasen im Irak hatten US-Präsident Donald Trump und Irans Präsident Hassan Ruhani angekündigt, den Konflikt auf die politische Ebene zurückführen zu wollen.
Um den Iran-Konflikt ging es auch bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau. (dpa/kad)
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