Was soll nach dem Krieg in Nahost aus dem Gazastreifen werden - und wer soll dann das Sagen haben? Darüber wird in Israels Regierung heiss diskutiert. Für die Zivilisten ist ein Ende des Leids noch lange nicht in Sicht. Was seit Donnerstagabend geschah - und was am Freitag wichtig wird.
Während Israels Armee den Krieg im Gazastreifen fortsetzt und Hilfsorganisationen über die unzureichende Versorgung der Zivilisten klagen, diskutiert die Regierung über die Zukunft des zerbombten Küstengebiets.
Verteidigungsminister Joav Galant sieht die Palästinenser nach Kriegsende in der Verantwortung für das Gebiet. Demnach soll es nach der Beendigung der Kämpfe zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas "weder Hamas" noch eine "israelische Zivilverwaltung" in dem Palästinensergebiet geben. Auch für die Lage an Israels Grenze zum Libanon, wo es immer wieder gewalttätige Konfrontationen mit der Hisbollah-Miliz gibt, drängt Ministerpräsident
Derweil wird US-Aussenminister Antony Blinken an diesem Freitag zu einem erneuten Vermittlungsbesuch im Nahen Osten erwartet. Es soll um mehr humanitäre Hilfe für Gaza, die Befreiung der restlichen Hamas-Geiseln sowie um einen besseren Schutz von Zivilisten in dem Konflikt gehen.
Verteidigungsminister: Palästinenser sollen Kontrolle übernehmen
"Es wird keine Präsenz israelischer Zivilisten im Gazastreifen geben, nachdem die Kriegsziele erreicht wurden", sagte Galant am Donnerstag. Einige rechtsextreme Minister hatten sich zuvor für eine Wiederbesiedlung durch Israel nach Kriegsende ausgesprochen. Deutschland, Frankreich und die USA kritisierten die Aussagen scharf. Lokale palästinensische Akteure, die Israel nicht feindlich gesinnt seien, sollen laut Galant die Kontrolle des Palästinensergebiets übernehmen. Welche Akteure dies konkret sein könnten, liess er offen.
Netanjahu pocht auf Lösung an Grenze zum Libanon
Regierungschef Netanjahu pochte derweil bei einem Treffen mit dem US-Gesandten und Vermittler Amos Hochstein auf eine Lösung an der Grenze zum Libanon, damit die von dort evakuierten Anwohner zurückkehren können. Israel bevorzuge, dass dies auf diplomatischem Weg geschehe, sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros am Donnerstag. Es brauche dafür eine "grundlegende Änderung" an der Grenze. Wie konkret diese aussehen soll, teilte er nicht mit. Israelischen Medien zufolge will das Land, dass die libanesische Hisbollah-Miliz ihre Kämpfer vollständig aus dem Grenzgebiet abzieht.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober nach dem Massaker der Hamas in Israel hat sich die Lage auch dort zugespitzt. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006. Bei dem regelmässigen Beschuss zwischen der israelischen Armee und der proiranischen Hisbollah-Miliz gab es auf beiden Seiten bereits Tote, darunter auch Zivilisten. Die Tötung eines Hamas-Anführers in Beirut am Dienstag, für die die Hisbollah Israel verantwortlich macht, schürt die Sorge vor einer Ausweitung des Konflikts weiter. Die Hisbollah hat Verbindungen zur Hamas, gilt aber als schlagkräftiger.
Die USA wollen, dass die im Westjordanland regierende und von der Palästinenserorganisation Fatah dominierte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wieder die Kontrolle im Gazastreifen übernimmt. Netanjahu ist dagegen. Einige Vertreter der Fatah-Partei hatten Verständnis für das Hamas-Massaker am 7. Oktober in Israel geäussert. Die Hamas hatte die PA 2007 gewaltsam aus dem Küstenstreifen vertrieben. Die Fatah und die Hamas sind die zwei grössten Palästinenserorganisationen - und seitdem erbitterte Rivalen. Seit einigen Jahren gab es aber Versöhnungsgespräche zwischen beiden.
Israel beginnt neue Phase im Gazakrieg
Galant sagte weiter, nach der Phase schwerer Bombardierungen werde die Armee im Norden Gazas nun zu einem neuen Kampfansatz übergehen. Dieser umfasse gezielte Razzien, die Zerstörung von Tunneln, Bodeneinsätze sowie Luftangriffe, um "verbleibende Terrorherde in der Gegend" zu bekämpfen.
Der Krieg werde so lange fortgesetzt, bis alle Geiseln freigelassen würden und die militärische und politische Führung der Hamas zerschlagen sei. Die Armee geht nach neuen Informationen von derzeit noch 136 Geiseln im Gazastreifen aus.
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UN beklagen humanitäre Lage im Gazastreifen
Hilfsorganisationen können nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA seit Tagen keine dringend benötigte lebensrettende Hilfe in den Norden Gazas liefern. Wie OCHA in der Nacht zum Freitag mitteilte, seien UN- und ihre Partnerorganisationen vier Tage lang nicht in der Lage gewesen, humanitäre Hilfe nördlich des Flusses Wadi Gaza zu liefern, da der Zugang zu den Gebieten verzögert oder verweigert worden sei und in dem Gebiet weiter gekämpft werde. Dazu gehörten Medikamente, um mehr als 100.000 Menschen einen Monat zu versorgen.
Seit nunmehr drei Monaten herrscht im Gazastreifen Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas. Die Zahl der getöteten Palästinenser ist nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf 22.438 gestiegen. Auslöser des Krieges war das Massaker am 7. Oktober, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen in Israel verübt hatten. Dabei wurden rund 1.200 Menschen getötet.
Israel mit erneuter Razzia im Westjordanland
Unterdessen hat Israels Militär eigenen Angaben zufolge eine Razzia im Flüchtlingslager Nur Schams in Tulkarm im Nordwesten des Westjordanlands nach mehr als 40 Stunden beendet. Elf Menschen wurden bei dem Anti-Terror-Einsatz festgenommen, wie die Armee am Donnerstag mitteilte. Was ihnen genau vorgeworfen wird, wurde nicht mitgeteilt.
Was am Freitag wichtig wird
US-Aussenminister Blinken plant seinem Ministerium zufolge Stopps in der Türkei, Griechenland, Jordanien, Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Israel, dem Westjordanland und in Ägypten. (dpa/mbo)
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