Zunächst bedankt sich Netanjahu für neue US-Hilfen in Milliardenhöhe. Nur eine Stunde später schlägt die Freude in grosse Empörung um. Ein Überblick über Geschehnisse in der Nacht.
Trotz der Billigung neuer Hilfen für das Militär in Milliardenhöhe durch das US-Repräsentantenhaus ist die israelische Regierung über ihre wichtigste Schutzmacht USA empört.
Der israelische Ministerpräsident
Am Samstagabend hatte das US-Repräsentantenhaus ein Hilfspaket von 26 Milliarden US-Dollar für Israel gebilligt. Einerseits sollen damit zum Beispiel Israels Raketenabwehr und die laufenden Militäroperationen der USA in der Region finanziert werden. Andererseits sind davon rund 9 Milliarden US-Dollar für humanitäre Unterstützung gedacht, darunter für die Menschen im Gazastreifen und in anderen Regionen. Die USA sind wichtigste Schutzmacht Israels und unterstützen das Land jährlich mit Milliardenbeträgen, von denen ein beachtlicher Teil in Raketenabwehr und andere Militärtechnik fliesst. Die nötige Zustimmung des Senats steht noch aus, gilt aber als sicher.
Bericht: Blinken will Sanktionen gegen Armee-Bataillon verhängen
Das US-Nachrichtenportal "Axios" berichtete unter Berufung auf drei mit der Angelegenheit vertraute Personen, es werde erwartet, dass US-Aussenminister Antony Blinken in den nächsten Tagen Sanktionen gegen ein Bataillon der israelischen Streitkräfte wegen Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland ankündigen werde. Es wäre das erste Mal, dass die USA Sanktionen gegen eine israelische Militäreinheit verhängen.
Netanjahu reagierte empört und schrieb auf der Plattform X: "Gegen die israelische Armee dürfen keine Sanktionen verhängt werden!" Seine Regierung werde mit allen Mitteln gegen diese Massnahmen vorgehen. In den vergangenen Wochen habe er sich gegen die Verhängung von Sanktionen gegen israelische Bürger eingesetzt, auch in seinen Gesprächen mit hohen amerikanischen Regierungsvertretern.
Benny Gantz, Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, sagte laut "Times of Israel", die Verhängung von Sanktionen gegen die Einheit sei ein gefährlicher Präzedenzfall und sende in Zeiten des Krieges die falsche Botschaft "an unsere gemeinsamen Feinde". Es würden Massnahmen ergriffen, damit diese Entscheidung nicht durchkomme. Die Infanterieeinheit sei "ein integraler Bestandteil der Armee" und an das Militär- und Völkerrecht gebunden. Israel verfüge über "starke und unabhängige" Gerichte, die in der Lage seien, sich mit angeblichen Verstössen zu befassen.
Die Sanktionen würden die Mitglieder des Bataillons von militärischer Unterstützung oder Ausbildung durch die USA ausschliessen, berichtete "Axios" unter Berufung auf seine Quellen. Ein US-Beamter sagte, Blinkens Entscheidung bezüglich der Einheit basiere auf Vorfällen, die sich vor dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober im Westjordanland ereignet hätten. Das Bataillon wurde laut "Times of Israel" mit Rechtsextremismus und Gewalt gegen Palästinenser in Verbindung gebracht. Israel zog die Einheit demnach im Dezember 2022 aus dem Westjordanland ab und setzte sie seitdem hauptsächlich im Norden des Landes ein.
Das Verhältnis zwischen Israel und den USA ist ohnehin angespannt. Angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen und der hohen Zahl ziviler Opfer in dem Konflikt gibt es auch von den USA Kritik am militärischen Vorgehen Israels. Biden und seine Regierung hatten sich lange mit öffentlichen Einwänden zurückgehalten, in den vergangenen Wochen aber zunehmend die Tonlage gegenüber der israelischen Führung verschärft.
Etliche Tote im Westjordanland
Derweil setzte die israelische Armee ihren Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen eigenen Angaben zufolge fort. Dutzende Luftangriffe seien dort auf Terrorziele geflogen worden, teilte das Militär am Samstag mit. Auch im Westjordanland führten israelische Einsatzkräfte bis Samstagabend einen grösseren Einsatz aus. Dabei töteten sie Armeeangaben zufolge mindestens zehn Bewaffnete. Bei Gefechten in dem Flüchtlingslager Nur Schams in Tulkarem seien auch neun israelische Sicherheitskräfte verletzt worden.
Das Gesundheitsministerium im Westjordanland meldete 14 Tote und mehrere Verletzte bei dem Einsatz, darunter ein 16 Jahre alter Jugendlicher. Nach zunächst nicht offiziell bestätigten Berichten palästinensischer Medien soll unter den Getöteten auch der örtliche Kommandeur der palästinensischen Terrororganisation Islamischer Dschihad, Mohammed Dschaber, sein. Seit Beginn des Gaza-Kriegs haben Zusammenstösse zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern zugenommen.
Gleiches gilt für Gewalttaten von Siedlern gegen palästinensische Bewohner des Westjordanlands. In der Nähe von Nablus wurde am Samstagabend palästinensischen Angaben zufolge ein Krankenwagenfahrer bei Konfrontationen zwischen Siedlern und Palästinensern getötet. Der 50-jährige Palästinenser sei erschossen worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit. Er fuhr demnach Verletzte aus einem Dorf, in das zuvor Siedler eingedrungen waren. Wer den Fahrer des Rettungswagens tötete, war zunächst unklar.
Iran sendet Signale der Deeskalation
Nach dem mutmasslichen Gegenanschlag Israels gegen militärische Ziele im Iran spielt Teheran den Angriff weiter herunter. Der Iran werde darauf nicht reagieren, zitierten iranische Medien Aussenminister Hussein Amirabdollahian am Samstag. "Die abgeschossenen Klein-Drohnen waren ja auch mehr wie Spielzeuge", sagte der iranische Chefdiplomat demnach. Durch die bei Isfahan abgeschossenen kleinen Drohnen habe es weder Schäden noch Opfer gegeben. Auf einen umfassenden israelischen Angriff werde der Iran aber "vehement und konsequent" reagieren, sagte Amirabdollahian.
Israel hatte am Freitag nach Medienberichten als Reaktion auf einen iranischen Grossangriff vom vergangenen Wochenende eine Vergeltungsaktion ausgeführt. Dem massiven Raketen- und Drohnenangriff des Irans auf Israel war ein Raketenangriff auf die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus vorausgegangen, bei dem zwei Generäle und weitere Mitarbeiter getötet wurden. Dieser Angriff wurde Israel zugeschrieben.
In mehreren Städten in Israel protestierten am Samstagabend erneut Tausende für ein Abkommen zur Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln sowie gegen die israelische Regierung. Angehörige der Entführten werfen ihr vor, kein ernsthaftes Interesse daran zu haben, ein Abkommen mit der islamistischen Hamas zu erzielen. (dpa/pak)
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