Israel gibt der Hamas vor der angekündigten Offensive in Rafah eine "letzte Chance" für eine Feuerpause. Die könnte bis zu einem Jahr dauern, heisst es. Die Ereignisse der Nacht im Überblick.
Israel hat bei den erneuten Verhandlungen im Gaza-Krieg Medienberichten zufolge weitgehende Zugeständnisse an die islamistische Hamas gemacht und unter anderem die Möglichkeit einer Feuerpause von bis zu einem Jahr angeboten. Wie das "Wall Street Journal" unter Berufung auf ägyptische Beamte berichtete, sieht der Vorschlag für ein Abkommen - an dessen Ausarbeitung Israel beteiligt gewesen sei, dem es aber noch zustimmen müsse - zwei Stufen vor.
Die erste Stufe würde demnach die Freilassung von mindestens 20 Geiseln innerhalb einer Feuerpause von drei Wochen im Austausch gegen eine nicht näher bezeichnete Anzahl palästinensischer Häftlinge beinhalten. Die Dauer der Feuerpause könne für jede weitere Geisel um einen Tag verlängert werden, hiess es. Eine zweite Stufe würde eine zehnwöchige Waffenruhe umfassen, in der sich die Hamas und Israel auf eine umfangreichere Freilassung von Geiseln und eine längere Kampfpause einigen könnten, die bis zu einem Jahr dauern könnte.
Israel erwartet Antwort der Hamas
Die israelische Regierung erwarte heute eine Antwort der Hamas auf das jüngste Angebot, zitierte die Zeitung "Times of Israel" einen israelischen Beamten. Israel sei bereit, in den kommenden Tagen eine Delegation zu den indirekten Verhandlungen nach Kairo zu entsenden, zitierte das "Wall Street Journal" israelische und ägyptische Beamte. Der jüngste Vorschlag werde in Jerusalem als "letzte Chance" gesehen.
Denkbar wäre, dass Israel im Falle einer Einigung zunächst von der angekündigten Bodenoffensive in Rafah im Süden Gazas absieht, wo Hunderttausende Zivilisten Schutz gesucht haben. "Zeit ist von entscheidender Bedeutung, ich kann hier aber keine Frist setzen", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby.
Blinken erneut in Israel
Unterdessen traf US-Aussenminister Antony Blinken zu Gesprächen in Israel ein. Er werde in Tel Aviv zunächst mit Präsident Isaac Herzog zusammentreffen, berichtete die "Times of Israel" unter Berufung auf das Büro des Präsidenten. Anschliessend sei ein Treffen mit dem israelischen Regierungschef
"Israel hat sich mehr als nur flexibel gezeigt, um eine Einigung zu erzielen", zitierte die Zeitung "Times of Israel" einen israelischen Beamten. Man habe die Zahl der in einem ersten Schritt von der Hamas freizulassenden Geiseln gesenkt. Ausserdem sei die israelische Seite offen für die Möglichkeit, dass die vor den Kämpfen in den Süden des abgeriegelten Gazastreifens geflüchteten Palästinenser ohne israelische Sicherheitskontrollen in den Norden zurückkehren, hiess es. Eine der Möglichkeiten, die derzeit geprüft werde, sei, dass Ägypten die Sicherheitskontrollen übernehme.
UN-Generalsekretär: Ohne Deal droht Eskalation
Die Hamas sollte den Vorschlag annehmen, sagte Kirby. Auch Ägypten und Katar drängen die Islamistenorganisation Medienberichten zufolge dazu, die Bedingungen für eine Feuerpause nun zu akzeptieren. Die Hamas bestand bislang jedoch auf ein Ende des Krieges, was Israel ablehnt. Beide Seiten verhandeln nicht direkt, sondern über die Vermittler Ägypten, Katar und USA. "Die Hoffnungen steigen und schwinden, und (...) wir werden einfach weiter am Ball bleiben und sehen, ob wir es schaffen können", sagte Kirby über die laufenden Verhandlungen.
"Im Interesse der Menschen in Gaza, im Interesse der Geiseln und ihrer Familien in Israel und im Interesse der Region und der ganzen Welt ermutige ich die Regierung Israels und die Hamas-Führung nachdrücklich, jetzt eine Einigung zu erzielen", sagte UN-Generalsekretär António Guterres in New York. Ohne Einigung könne sich der Krieg "mit all seinen Folgen vor allem im Gazastreifen und in der gesamten Region exponentiell verschlimmern". Ein Angriff Israels auf Rafah wäre "eine unerträgliche Eskalation", sagte der UN-Chef.
Die Nerven der Menschen in Rafah seien aus Angst vor Israels Militäroffensive bis aufs Äusserste gespannt, sagte der Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini. Bis gestern habe das israelische Militär die Menschen dort noch nicht aufgefordert, das Gebiet zu verlassen, aber damit werde jeden Moment gerechnet, sagte er. Vieles hänge nun von den laufenden Verhandlungen in Karo über eine Feuerpause ab.
Netanjahu: Offensive geht mit oder ohne Geisel-Deal voran
Israels Regierungschef Netanjahu stellte allerdings am selben Tag klar, dass die angekündigte Offensive auf Rafah in jedem Fall erfolgen werde. "Wir werden nach Rafah hineingehen und die Bataillone der Hamas dort zerschlagen - mit Deal oder ohne Deal", sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit Angehörigen israelischer Geiseln und gefallener Soldaten.
"Die Idee, dass wir den Krieg stoppen, bevor alle seine Ziele erreicht sind, kommt nicht in Frage." Sein rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich drohte mit einem Ende der Regierung, sollte der jetzt vorgeschlagene Geisel-Deal umgesetzt und der angekündigte Militäreinsatz in Rafah gestoppt werden. Netanjahus politisches Überleben hängt von seinen rechtsextremen Koalitionspartnern ab. (dpa/vit)
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