Der Gaza-Krieg tobt zum Jahreswechsel in gesteigerter Intensität weiter. Die Zerstörungen in dem schmalen Küstenstreifen sind enorm. Dennoch lässt sich Israels Regierung nicht vom Kurs abbringen. Ein Überblick über die Ereignisse der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.
Fast drei Monate nach Beginn des Gaza-Krieges setzt Israels Armee ihre intensivierten Angriffe in dem schwer zerbombten Küstenstreifen fort und meldet Erfolge. Die Truppen hätten nun das Hauptquartier der islamistischen Hamas in Chan Junis im Süden des Gazastreifens gestürmt, gab der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Samstagabend bekannt.
Darin habe sich auch die Geheimdienstzentrale der Terrororganisation befunden. Es seien in Gaza bereits "mehr als 8.000 Terroristen eliminiert" worden, sagte Ministerpräsident
Israels Armee: Kampf im Norden gegen letzte Hamas-Hochburg
Die Streitkräfte konzentrieren sich nach eigenen Angaben derzeit vornehmlich auf den Süden des Küstengebiets mit der Stadt Chan Junis sowie auf den mittleren Gazastreifen. Israel vermutet, dass sich in den unterirdischen Tunneln unter Chan Junis der Anführer der Hamas im Gazastreifen, Jihia Sinwar, versteckt hält.
"Wir sind dabei, den Kampf gegen die Hamas zu intensivieren", sagte Netanjahu. Im Norden ist Israels Armee nach eigenen Angaben derweil dabei, die vollständige Kontrolle über das Gebiet auszuüben. Dort konzentriere man sich nun auf die letzte noch verbliebene Hochburg der Hamas in der Stadt Gaza, das Viertel Tufah, erklärte Armeesprecher Hagari.
Zerstörungen haben gewaltige Ausmasse
Israels wochenlange Bombardierungen haben in dem abgeriegelten Küstenstreifen, der kaum grösser ist als die Stadt München, gewaltige Zerstörungen angerichtet. Wie das "Wall Street Journal" am Samstag unter Berufung auf die US-Geheimdienstbehörde US Office of the Director of National Intelligence (ODNI) berichtete, hatte Israels Armee allein bis Mitte Dezember 29.000 Bomben abgeworfen. Nahezu 70 Prozent der 439.000 Häuser und Wohnungen seien beschädigt oder zerstört. Auch die Industriezone im Norden sei inzwischen fast völlig zerstört, hiess es unter Berufung auf eine Analyse der Weltbank.
"Das Wort 'Gaza' wird in die Geschichte eingehen wie Dresden und andere berühmte Städte, die bombardiert wurden", zitierte die Zeitung Robert Pape, Politikwissenschaftler der Universität von Chicago. Angesichts der katastrophalen humanitären Lage und der hohen Zahl ziviler Opfer geriet Israel zuletzt international immer mehr in die Kritik. Doch die Regierung bleibt hart. "Die Hamas wird besiegt werden", sagte Netanjahu und zitierte die Worte des Generalstabschefs der Armee, Herzi Halevi: "Der Krieg wird noch viele Monate andauern".
Israels Regierungschef lehnt Rücktritt ab
Nach einem Jahr im Amt steht Netanjahu jedoch auch innenpolitisch unter starkem Druck. In seiner eigenen Bevölkerung schlägt dem Regierungschef Misstrauen entgegen. Laut Umfragen will die Mehrheit der Israelis, dass er spätestens nach dem Ende des Gaza-Krieges zurücktritt. Einen Rücktritt lehnte Netanjahu am Samstag jedoch ab. "Das Einzige, wovon ich zurücktreten werde, ist die Hamas. Das ist es, womit ich zu tun habe", sagte er der "Times of Israel" zufolge.
Viele Menschen werfen dem israelischen Regierungschef vor, bislang keine persönliche Verantwortung dafür eingeräumt zu haben, dass das Hamas-Massaker am 7. Oktober in Israel geschehen konnte. Es war mit 1.200 Toten das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels. Rund 240 Menschen wurden nach Gaza verschleppt. Nach israelischen Informationen werden noch knapp 130 Geiseln dort festgehalten.
Israels Militär begann in Reaktion auf den Überfall mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza wurden bisher 21.672 Menschen getötet. Es wird dabei nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterschieden. Die Zahl lässt sich nicht unabhängig prüfen.
Palästinensische Terrororganisation: Geisel bei Luftangriff getötet
Nach Darstellung einer palästinensischen Terrorgruppe ist eine der noch festgehaltenen Geiseln in Gaza bei einem Luftangriff getötet worden. Zuvor habe Israels Armee versucht, den israelischen Soldaten zu befreien, sagte die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) am Samstag. Der Versuch sei gescheitert. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig prüfen. Israels Armee wollte dazu keinen Kommentar geben.
Erneut Schusswechsel auch an Israels Grenze zum Libanon
Derweil hat die Armee am Samstag auch an Israels nördlicher Grenze zum Libanon einen gross angelegten Angriff auf Ziele der dortigen Hisbollah-Miliz beendet, wie der Sprecher sagte. Dabei seien drei "terroristische Zellen ausgeschaltet" worden. Die Armee werde auch weiter militärische Stellungen der Hisbollah im Südlibanon angreifen.
"Die südliche Region des Libanon wird nicht wieder zu dem werden, was sie einmal war", sagte Hagari weiter. Im Laufe des Samstags seien mehrere Raketenabschüsse vom Libanon nach Israel festgestellt worden. 80 Prozent der Raketen der Hisbollah seien dabei auf libanesisches Gebiet gefallen. Auch dies liess sich nicht unabhängig überprüfen.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und der Hisbollah an der Grenze. Dabei gab es auf beiden Seiten Tote und Verletzte. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006. Die Hisbollah hat Verbindungen zur Hamas in Gaza, gilt aber als schlagkräftiger. Zudem gilt sie als wichtigster nichtstaatlicher Verbündeter von Israels Erzfeind Iran.
Israel hofft auf Deutschlands Hilfe
Der israelische Oppositionspolitiker Benny Gantz bat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um Unterstützung bei der Fernhaltung der Hisbollah-Miliz von Israels Grenze. "Der Staat Israel kann sich mit einer solchen Bedrohung nicht abfinden und Deutschland muss gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft eine wichtige Rolle dabei spielen, sicherzustellen, dass diese Bedrohung beseitigt wird", schrieb Gantz am Samstag auf der Plattform X (vormals Twitter).
Wieder Raketenangriff der Huthis
Unterdessen hat Israels wichtigster Verbündeter im Süden des Roten Meeres nach eigenen Angaben erneut zwei Raketen der im Jemen basierten Huthi-Rebellen abgefangen. Die US-Marine habe auf einen Hilferuf eines dänischen Containerschiffs reagiert, das zuvor von einer Rakete getroffen worden war, teilte das zuständige Regionalkommando am Sonntagmorgen auf X mit. Das Schiff sei Berichten zufolge aber seetüchtig, es seien keine Verletzungen gemeldet worden.
Seit Ausbruch des Gaza-Kriegs greifen die Huthis immer wieder Schiffe im Roten Meer an, eine der für den Welthandel wichtigsten Schifffahrtsstrecken. Auch greifen sie Israel direkt mit Raketen an.
Was am Sonntag wichtig wird
Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist weiter katastrophal. Dennoch intensiviert Israels Armee ihre Angriffe in dem Gebiet weiter. (dpa/pak)
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