Menschen versammeln sich im Gazastreifen, während die Freilassung weiterer acht Geiseln stattfinden soll. In Chan Junis kommt es zu chaotischen Szenen.

Mehr News zum Krieg in Nahost

Islamisten im Gazastreifen haben im Zuge einer vereinbarten Geisel-Freilassung zwei Israelis und fünf ausländische Staatsbürger an das Rote Kreuz übergeben. Dies teilte die israelische Armee unter Berufung auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz mit. Sie seien unterwegs zur Übergabe an das Militär. Auch der 80 Jahre alte Deutsch-Israeli Gadi Moses sei in einem IKRK-Fahrzeug, berichteten israelische Medien und der arabische Sender Al-Dschasira. Am Morgen war bereits die israelische Soldatin Agam Berger nach mehr als 15 Monaten Geiselhaft freigelassen worden.

In einer Live-Fernsehübertragung waren zuvor chaotische Szenen zu sehen - im dichten Gedränge in Chan Junis war nicht klar zu erkennen, was an den weissen Fahrzeugen der Hilfsorganisation geschah. Sprechchöre waren zu hören, ausserdem wurden Fahnen in der grünen Farbe der Hamas geschwenkt. Mehrere Fahrzeuge bewegten sich nur langsam durch die Menschenmenge.

Nach Medienberichten musste die 29-jährige Deutsch-Israelin Arbel Yehud durch eine riesige, dicht gedrängte und laut schreiende Ansammlung von Menschen laufen.

Neue Vereinbarungen nach Verzögerung bei der Freilassung von Deutsch-Israelin

Yehud wurde am 7. Oktober 2023 zusammen mit ihrem Freund aus ihrem Haus im Kibbuz Nir Oz verschleppt. Die Terroristen erschossen auch den Hund des Paars. Der Bruder der Frau, der ebenfalls in dem Ort in der Nähe des Gazastreifens wohnte, wurde während des Terrorangriffs getötet.

Nahostkonflikt - Jerusalem
Angehörige protestieren regelmässig für die Freilassung der Verschleppten - hier ein Plakat mit einem Bild der Deutsch-Israelin Arbel Yehud. (Archivbild) © dpa / Mahmoud illean/AP/dpa

Die 29-jährige Deutsch-Israelin sollte nach israelischen Angaben ursprünglich bereits am vergangenen Samstag freikommen. Die Waffenruhe-Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass zuerst Zivilisten freikommen sollten. Stattdessen liess die Hamas vier Soldatinnen im Austausch gegen 200 palästinensische Häftlinge frei.

Israel hatte die vereinbarte Rückkehr von Vertriebenen in den Norden des Gazastreifens deshalb zunächst blockiert, nach einer neuen Vereinbarung über die Freilassung der Deutsch-Israelin und zweier weiterer Geiseln jedoch erlaubt.

Die Frau befand sich in der Gewalt der Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad. Die Organisation veröffentlichte in dieser Woche ein Video der jungen Frau. Drei weitere israelische Geiseln sollen an diesem Samstag freigelassen werden.

Soldatin nach Freilassung in Gaza wieder in Israel

In einer Liveübertragung war zuvor zu sehen gewesen, wie zunächst die israelische Soldatin Agam Berger (20) zwischen Trümmern in Dschabalija von vermummten Bewaffneten an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben wurde. Nach israelischen Militärangaben ist sie wieder auf israelischem Gebiet.

Zuvor musste sie auf einer Bühne einer Menge zuwinken. Ihre Familie in Israel verfolgte die Zeremonie im Fernsehen und reagierte mit begeistertem Jubel auf den Anblick der jungen Frau.

Die freigelassenen Geiseln sollen zunächst in ein israelisches Militärlager am Rande des Gazastreifens und von dort aus in vier verschiedene Krankenhäuser in Israel gebracht werden. Im Gegenzug sollen 110 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden, darunter auch mindestens 30 wegen Mordes Verurteilte sowie einige Frauen und Minderjährige.

Palästinensische Häftlinge werden aus Gefängnissen entlassen

Die 110 palästinensischen Häftlinge werden für die drei israelischen Geiseln ausgetauscht. Mehr als 30 von ihnen sollen zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden sein. Israelischen Medienberichten zufolge ist darunter auch Sakaria Subeidi, der während des zweiten Palästinenseraufstands Intifada Befehlshaber des militärischen Arms der Fatah-Bewegung in Dschenin im nördlichen Westjordanland war. Dabei wurden zwischen 2000 und 2005 rund 3.500 Palästinenser getötet, mehr als 1.000 Israelis kamen bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben. Vor einigen Jahren waren er und weitere Häftlinge durch einen Tunnel aus einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis entkommen, wurden aber wieder gefasst.

Freikommen soll Medien zufolge ausserdem Mahmud Atallah, der eine lebenslange Haftstrafe plus 15 Jahre für die Ermordung einer Palästinenserin verbüsst, die der Kollaboration mit Israel beschuldigt wurde.

Für die fünf thailändischen Geiseln werden keine palästinensischen Häftlinge entlassen. Israelische Medien meldeten, sie kämen im Rahmen einer Vereinbarung zwischen der Hamas und Thailand frei.

Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Der Überfall war der Auslöser des Krieges in dem abgeriegelten Küstengebiet, wo seither laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 47.400 Menschen getötet wurden. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

Waffenruhe und Austausch von Geiseln und Häftlingen

Es werden nach der Übergabe noch weitere 80 Geiseln im Gaza-Streifen festgehalten. Das am 19. Januar in Kraft getretene Abkommen über eine Waffenruhe sieht vor, dass in einer ersten Phase innerhalb von sechs Wochen 33 Geiseln im Austausch für 1.904 palästinensische Häftlinge freigelassen werden - sieben Geiseln waren bereits an den vergangenen beiden Wochenenden freigelassen worden. Die Hamas teilte zuletzt mit, dass acht der 33 Geiseln tot seien. Um welche Geiseln es sich genau handelt, liess die Terrororganisation jedoch offen. (dpa/bearbeitet von ng)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © picture alliance/dpa/AP/Abdel Kareem Hana