Auch die israelische Regierung hat der Waffenruhe in Gaza zugestimmt: Diese tritt nun am Sonntagmorgen in Kraft.

Mehr News zum Krieg in Nahost

Die zwischen Israel und der Hamas vereinbarte Waffenruhe soll nach Angaben des Vermittlers Katar am Sonntagmorgen um 8:30 Uhr (7:30 Uhr MEZ) im Gazastreifen in Kraft treten. Darauf hätten sich die beiden Konfliktparteien und die Vermittler geeinigt, schrieb der Sprecher des katarischen Aussenministeriums, Madschid al-Ansari, in einem Post auf X.

Zuvor hiess es, die Waffenruhe solle um 12:15 Uhr in Kraft treten. Damit sollten noch am selben Tag die ersten Geiseln freikommen. Langfristig steht der Deal jedoch auf wackeligen Füssen.

Trotz des Widerstands rechtsextremer Koalitionspartner war erwartet worden, dass sich eine Mehrheit der Regierung für das mehrstufige Abkommen ausspricht. Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hatte Medien zufolge an andere Mitglieder des Bündnisses appelliert, dagegen zu stimmen - und damit gedroht, die Koalition im Fall einer Billigung des Abkommens zu verlassen. Laut israelischen Medien stimmten am Ende 24 Minister für den Deal, acht dagegen.

Wie es jetzt weitergeht

  • Nach israelischem Recht dürfen Angehörige von Terroropfern gegen die Freilassung bestimmter palästinensischer Häftlinge Einspruch einlegen. Für eine solche Petition beim Obersten Gericht haben sie nach dem Regierungsbeschluss 24 Stunden Zeit. Es wird aber nicht erwartet, dass die Richter einen Grund dafür sehen, die Vereinbarung zu durchkreuzen.
  • Die Waffenruhe soll gemäss dem Abkommen am Sonntag um 11.15 Uhr MEZ in Kraft treten und zunächst für 42 Tage gelten.
  • In der Zeit sollen 33 der insgesamt 98 Geiseln freikommen, die sich seit vielen Monaten und teils sogar Jahren in der Gewalt der Hamas befinden. Am Sonntag sollen die ersten drei von ihnen übergeben werden. Israelischen Medien zufolge könnte dies um 15.00 Uhr MEZ passieren. Berichten zufolge wird die Hamas heute bekanntgeben, um wen es sich dabei handelt. Ausgegangen wird von drei Zivilistinnen.
  • Im Gegenzug werden laut israelischen Angaben Hunderte palästinensische Häftlinge aus Israels Gefängnissen entlassen. Israels Justizministerium veröffentlichte eine Liste mit den Namen von mehr als 90 Häftlingen, die am Sonntag gegen die ersten Geiseln ausgetauscht werden sollen.
  • Der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza soll wieder öffnen und die Einfuhr humanitärer Hilfe für die Palästinenser deutlich aufgestockt werden.
  • Israels Militär soll aus dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens abziehen. Die in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens geflohenen Einwohner sollen sich wieder frei bewegen und unter internationaler Aufsicht in ihre Wohngebiete im Norden Gazas zurückkehren dürfen.
  • Die Details der zweiten und dritten Phase des Abkommens über ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen kompletten Abzug Israels aus dem Gazastreifen wollen die Konfliktparteien während der ersten Phase klären.

Hält das Abkommen?

Wie stabil das Abkommen langfristig sein wird, ist fraglich. Die intensiven Verhandlungen der vergangenen zwei Tage, als es in letzter Minute noch um strittige Detailfragen ging, zeigten einmal mehr, wie heikel das Gesamtpaket ist. Netanjahu teilte erst am frühen Freitag mit, dass eine Einigung erzielt worden sei - fast zwei Tage, nachdem der Vermittlerstaat Katar eine solche eigentlich bereits verkündet hatte.

Angesichts des tiefen Misstrauens ist offen, ob sich Israels Regierung und die Hamas über Wochen an die vereinbarten Schritte halten werden und ob zum Beispiel bestimmte Passagen jeweils anders ausgelegt werden. Der Ausgang der Verhandlungen in den nächsten Phasen des Deals über ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen Abzug Israels aus Gaza ist denn auch ungewiss.

So müssen sich beide Kriegsparteien unter anderem noch über die Listen der restlichen freizulassenden Hamas-Geiseln sowie der von Israel freizulassenden Häftlinge einigen. Unter den Verschleppten sind auch Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, darunter mehrere Deutsche. Wie die "Times of Israel" in der Nacht berichtete, befinden sich auf einer neuen Liste des israelischen Justizministeriums mehr als 700 palästinensische Häftlinge, darunter mehrere wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte Mitglieder der Hamas, des Palästinensischen Islamischen Dschihad und der Fatah-Bewegung des im Westjordanland regierenden Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas.

Offen sind auch der Zeitplan und das Ausmass des Rückzugs des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen sowie die Frage, wie das relativ kleine Gebiet am Mittelmeer nach dem Ende des Krieges regiert werden soll.

Setzt Israel den Krieg fort?

Sollte das Abkommen scheitern, könnten die Kämpfe in dem weitgehend zerstörten Palästinensergebiet erneut ausbrechen - zumal es auf beiden Seiten entschiedene Befürworter einer Fortsetzung des Krieges gibt. So könnte sich Israels Ministerpräsident Netanjahu dafür entscheiden, nach der ersten Phase aus dem Abkommen auszusteigen, um den Zusammenbruch seiner Regierungskoalition zu vermeiden, sagte Daniel Levy, ein früherer israelischer Regierungsbeamter und Verhandlungsführer, dem "Wall Street Journal".

Laut der US-Nachrichtenseite "Axios" soll Netanjahu beim Treffen des Sicherheitskabinetts gesagt haben, die USA hätten ihm für den Fall, dass die weiteren Verhandlungen scheitern und Israels Sicherheitsforderungen nicht erfüllt werden, Unterstützung für die Fortsetzung des Krieges zugesichert - und zwar sowohl die Regierung des scheidenden Präsidenten Joe Biden als auch das Lager seines designierten Nachfolgers Donald Trump. Die US-Nachrichtenseite berief sich dabei auf einen Vertrauten Netanjahus.

Sicherheitskreise: Öffnung von Grenzübergang wird vorbereitet

Derweil laufen die Vorbereitungen zur Öffnung des Grenzübergangs Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen laut ägyptischen Sicherheitsquellen auf Hochtouren. Demnach wird bereits intensiv daran gearbeitet, Einrichtungen, Strassen und Gebäude an dem Grenzübergang instand zu setzen. Dutzende Lastwagen stünden bereit, um bei Öffnung des Übergangs Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen. Insgesamt wurden nach Angaben des Ägyptischen Roten Halbmonds rund 600 Lkw mit Hilfsgütern vorbereitet.

Die palästinensische Seite des Grenzübergangs wird seit Mai vergangenen Jahres von Israels Armee kontrolliert. Der Übergang ist seitdem geschlossen.

Krankenhäuser im Nord-Sinai bereiteten sich derweil auf die Aufnahme verletzter Palästinenser vor, hiess es aus Kreisen der Gesundheitsbehörden. Rund 50 Krankenwagen sollen ab heute zu dem Grenzübergang entsandt werden. (dpa/bearbeitet von pak)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.