Israel verliert international Rückhalt für seinen Krieg gegen die Terrororganisation Hamas. In der UN-Vollversammlung verlangten mehr als 150 Länder einen sofortigen humanitären Waffenstillstand ikm Gazastreifen, was Israel empört zurückwies.

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Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu will den Gaza-Krieg gegen die islamistische Hamas trotz internationaler Forderungen nach einer Waffenruhe fortsetzen. "Wir machen weiter bis zum Ende, bis zum Sieg, bis zur Zerstörung der Hamas, auch angesichts internationalen Drucks", sagte er am Mittwoch vor Soldaten nach einer Mitteilung des Regierungspresseamtes. "Nichts wird uns aufhalten", betonte Netanjahu.

Israel bekommt angesichts der katastrophalen Lage im Gazastreifen international viel Gegenwind für seinen Krieg gegen die Terrororganisation Hamas. Der in der UN-Vollversammlung geforderte Waffenstillstand kommt aber für Israel nicht infrage.

Sogar US-Präsident Joe Biden wies auf den bröckelnden internationalen Rückhalt hin. Israel beginne durch sein "willkürliches Bombardement" an Unterstützung zu verlieren. Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan wird am Donnerstag in Israel erwartet und dort auch Netanjahu treffen. Er dürfte erneut fordern, das Leben der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu schützen und mehr humanitäre Hilfe zu ermöglichen.

UN-Vollversammlung stimmt für Waffenstillstand

Vor dem Hintergrund der Not im Gazastreifen hatte Ägypten die Forderung nach einem sofortigen humanitären Waffenstillstand in die Vollversammlung der Vereinten Nationen eingebracht. Die Zustimmung für die - nicht bindende Resolution - fiel dann am Dienstagabend deutlich grösser aus als bei einem ähnlichen Votum vor einigen Wochen.

153 Länder stimmten dafür. 10 votierten dagegen - neben Israel, USA, Österreich und Tschechien auch Mikronesien, Nauru, Papua-Neuguinea, Paraguay, Guatemala und Liberia. 23 Länder enthielten sich, darunter Deutschland, Grossbritannien und Italien.

Deutschland stimmte nach Angaben des Auswärtigen Amts nicht zu, weil die Resolution das Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober nicht explizit erwähnt. Man habe gleichwohl Israel darauf hingewiesen, "dass das Leid der Zivilisten in Gaza unerträglich ist".

Israels Reaktion auf den UN-Beschluss fiel dazu deutlich aus. "Die Hamas hat schreckliche Verbrechen begangen und diejenigen, die einen Waffenstillstand unterstützen, ermöglichen es der Hamas, weiter zu überleben und mehr Gräueltaten zu begehen", sagte der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan.

Hamas-Chef nennt Zukunft des Gazastreifens ohne seine Organisation eine "Illusion"

Der Chef der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas hat eine Zukunft des Gazastreifens ohne die Einbindung seiner Organisation als eine "Illusion" bezeichnet. "Jede Vereinbarung in Gaza oder im Hinblick auf die palästinensische Sache ohne die Hamas oder die Widerstandsbewegungen ist eine Illusion", sagte Ismail Hanija am Mittwoch in einer Fernsehansprache.

Er sei bereit, über ein "Ende der Angriffe in Gaza" zu diskutieren, betonte der Hamas-Chef. Seine Organisation sei offen für Gespräche, die zu einem "politischen Weg" führten, welcher "das Recht des palästinensischen Volkes auf einen unabhängigen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt" sichere.

Israelische Einheit gerät in Hinterhalt

Israels Armee meldete am Mittwoch, sie habe allein am Tag zuvor mehr als 250 Stellungen im Gazastreifen angegriffen. Soldaten hätten "präzise Angriffe auf Terrorziele" aus der Luft, am Boden und vom Meer aus geführt. Extremistische Palästinenser griffen Israel erneut mit Raketen an. In Grenzorten in der Nähe des Gazastreifens gab es nach Armeeangaben Raketenalarm.

Nach Armeeangaben wurden auf israelischer Seite bislang 115 Militärangehörige getötet. Im Norden des Gazastreifens starben neun israelische Soldaten, als ihre Einheit in einen Hinterhalt geriet, wie die Armee am Mittwoch mitteilte. Es war der schwerste Verlust für die Armee bei einem einzelnen Gefecht seit dem Beginn der Bodenoffensive.

Deutschland nimmt Entwicklungshilfe für Palästinenser wieder auf

Im Gazastreifen ist die Lage für Zivilisten aus Sicht von UN-Organisationen katastrophal. Helfer warnen, die Menschen könnten kaum noch versorgt oder medizinisch behandelt werden. Die Bundesregierung kündigte an, die nach der Hamas-Attacke ausgesetzte Entwicklungszusammenarbeit mit den Palästinensischen Gebieten wieder aufzunehmen. Das sei ein wichtiges Signal, unter anderem zur Linderung des Leids der Menschen im Gazastreifen, hiess es.

Die Bundeswehr will nach dpa-Informationen zudem mehrere Tonnen medizinisches Gerät und Hilfsgüter nach Ägypten fliegen, um dort Patienten aus dem Gazastreifen zu helfen. Gebracht würden unter anderem Beatmungsgeräte sowie Brutkästen für Säuglinge, hiess es.

Sorge um Hamas-Geiseln

Im eigenen Land steht Netanjahu unter Druck, mehr für die Freilassung der Geiseln zu tun, die palästinensische Terroristen am 7. Oktober verschleppt hatten. Hunderte Menschen demonstrierten in Jerusalem für ein neues Abkommen mit der Hamas, wie israelische Medien berichteten. Bei einem ersten Deal mit der Hamas waren kürzlich 105 Geiseln freigelassen worden. Nach Angaben der israelischen Armee werden noch 135 aus Israel entführte Menschen im Gazastreifen festgehalten.

Das Schicksal der Geiseln dürfte auch eine Rolle bei Erwägungen Israels spielen, die weit verzweigten Tunnel der Hamas unter dem Gazastreifen mit Meerwasser zu fluten und so zu zerstören. Die Armee geht davon aus, dass Geiseln in den Tunneln festgehalten werden.

Dennoch testen die Streitkräfte nach Berichten von US-Medien inzwischen diese Option. Es werde Meerwasser in einige Tunnel gepumpt, um herauszufinden, ob sich die Methode zur Zerstörung des unterirdischen Systems eigne, berichteten der US-Fernsehsender CNN und die Zeitung "The Wall Street Journal".

Söder auf Israel-Reise

Mit einem zweitägigen Besuch in Israel will Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein Zeichen setzen. "Wir zeigen Solidarität mit Israel. Wir zeigen Solidarität mit jüdischem Leben", sagte Söder in München. "Wir haben natürlich auch Mitgefühl mit den Menschen im Gazastreifen, mit den zivilen Opfern", fügte er hinzu. "Trotzdem glauben wir, dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung hat und dass es notwendig ist, die Sicherheit jetzt in den Vordergrund zu stellen." Das solle seine Reise zeigen. (dpa/AFP/cgo)

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