Auf internationalen Druck hin ändert die israelische Armee offenbar ihre Taktik für die Offensive gegen die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens. Von schrittweisem Vorgehen und einer mehrwöchigen Evakuierung ist die Rede.

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Israel will seine angekündigte Bodenoffensive auf die Stadt Rafah im Süden des abgeriegelten Gazastreifens einem Medienbericht zufolge in Etappen durchführen. Wie die Zeitung "Wall Street Journal" am späten Mittwochabend unter Berufung auf ägyptische Beamte und ehemalige israelische Offiziere berichtete, änderte Israel auf Druck der USA und anderer Länder seine anfänglichen Pläne für einen grossangelegten Angriff auf die derzeit mit Hunderttausenden palästinensischer Binnenflüchtlingen überfüllte Stadt an der Grenze zu Ägypten. Durch ein stattdessen schrittweises Vorgehen solle die Zahl ziviler Opfer begrenzt werden, hiess es.

Israels Militär äussert sich zu seinen Einsatzplänen nicht. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte allerdings vor wenigen Tagen "weitere schmerzhafte Schläge" gegen die islamistische Hamas angekündigt. "Und dies wird in Kürze geschehen", sagte er.

Zivilisten sollen in Zeltlager gebracht werden

Erster Schritt dürfte eine mehrwöchige Evakuierung der Zivilbevölkerung sein, wie das "Wall Street Journal" und der israelische Rundfunk übereinstimmend berichten. Das Blatt schrieb von zwei bis drei Wochen Evakuierung, der Rundfunk spricht von vier bis fünf Wochen. Israel will die Zivilisten offenbar in Zeltlager bringen, wie etwa in dem Al-Mawasi-Lager am Mittelmeer. Es gilt allerdings als zweifelhaft, dass dort so viele Menschen untergebracht werden können. Hilfsorganisationen sprechen von einer katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen, ein grosser Teil der Wohnorte in dem Küstenstreifen ist zerstört.

Sehr klar hat sich am Mittwochabend die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Gaza, Sigrid Kaag, gegen einen Angriff auf Rafah positioniert. "Eine solche Aktion würde eine anhaltende humanitäre Katastrophe verschlimmern, mit Folgen für die Menschen, die bereits vertrieben sind und grosse Nöte und Leid ertragen müssen", sagte die Niederländerin vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. "Die Fähigkeit der Vereinten Nationen, Hilfe zu liefern, würde eingeschränkt."

Verbündete warnen Israel vor Einsatz in Rafah

Auch Israels Verbündete warnen seit Monaten vor einem solchen Einsatz in Rafah, weil sich dort Hunderttausende palästinensischer Binnenflüchtlinge drängen. Israel hält den Einsatz jedoch für unumgänglich, um eine Zerstörung der Kampffähigkeiten der Hamas sicherzustellen. Anderenfalls könne die Terrororganisation nach Kriegsende wiedererstarken. Israel will mit dem Militäreinsatz in Rafah die verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. Es werden auch Geiseln in der Stadt an der Grenze zu Ägypten vermutet, die am 7. Oktober bei dem Grossangriff der Hamas auf Israel in den Gazastreifen verschleppt wurden.

Nach Angaben des israelischen Rundfunks sollten am Donnerstag die Minister im Sicherheitskabinett über die Vorbereitungen auf den Einsatz in Rafah informiert werden sowie über den Stand der indirekten Verhandlungen mit der Hamas über eine Feuerpause im Gaza-Krieg. Diese soll die Freilassung weiterer Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge ermöglichen. Auch das israelische Kriegskabinett wollte sich am Donnerstag versammeln.

Die Hamas habe ihre Kämpfer in Rafah auf den Einsatz vorbereitet und sie mit Proviant und Waffen versorgt, berichtete der Sender zudem. Auch die Zahl der Wächter für die Geiseln sei verstärkt worden. (dpa/mcf)

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