Ein gezielter US-Drohnenangriff hat den iranischen General Ghassem Soleimani getötet. Das Attentat angeordnet hatte Donald Trump – doch darf er das überhaupt?
Der tödliche Raketenangriff der US-Streitkräfte auf den iranischen General Ghassem Soleimani sorgt für Kritik - auch im US-Kongress. Die Abgeordneten fühlen sich hintergangen. Denn das Repräsentantenhaus ist nach Angaben mehrerer demokratischer Abgeordneter nicht vorab über den Angriff informiert worden. Dieser sei "ohne Hinweis oder Beratung mit dem Kongress" erfolgt, sagte etwa der Vorsitzende des Aussenausschusses im Kongress, Eliot Engel.
Darf der US-Präsident Menschen wie Soleimani – der auch laut Engel für "unermessliche Gewalt" verantwortlich gewesen war und "Blut von Amerikanern an seinen Händen" gehabt hat – umbringen lassen?
Fakt ist: Die US-Verfassung gibt dem Präsidenten einen umfangreichen Handlungsspielraum und erklärt ihn zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Dennoch sind auch dem US-Staatsoberhaupt rechtliche Schranken auferlegt: zum einen durch das nationale US-Recht, zum anderen durch das Völkerrecht und international gültige Menschenrechte, zu deren Einhaltung sich auch die Vereinigten Staaten verpflichtet haben.
Bei der Exekution des iranischen Generals Ghassem Soleimanis gehen die Einschätzungen zur rechtlichen Grundlage des Angriffs weit auseinander.
USA sehen "Akt der Verteidigung"
Die USA betrachteten Soleimani als Terroristen. Im April hatten die Vereinigten Staaten die Iranische Revolutionsgarde als Terrororganisation eingestuft, damit auch deren von Soleimani kommandierte Al-Kuds-Brigaden. Bei Einsätzen gegen Terrororganisationen braucht es in den USA nicht die Zustimmung des US-Kongresses – anders als bei einer formalen Kriegserklärung.
Das Pentagon rechtfertigte die Bombardierung als "Akt der Verteidigung", Republikaner als "Defensivschlag", also als Notwehr und zum Schutz für US-Bürger. Die Attacke soll laut US-Medienberichten aufgrund des Paragrafen 127e zur "Unterstützung von Sondereinsätzen zur Terrorismusbekämpfung" des Allgemeinen Militärrechts der USA berechtigt gewesen sein.
Dazu erlaubt auch die nach dem 11. September 2001 erlassene und nach wie vor gültige "Genehmigung zum Einsatz militärischer Gewalt" unter anderem Vergeltungsschläge gegen Staaten, Organisationen und Personen, die die Terroranschläge "geplant, genehmigt, begangen oder unterstützt haben" und die Beteiligte "beherbergt" haben. Eine weite Auslegung dieser Regelung diente laut "Tagesschau" bis zuletzt als Grundlage für weitere US-Militäreinsätze, unter anderem auch im Irak.
Gezielte Tötung Soleimanis verstösst wahrscheinlich gegen internationales Recht
Aus Menschenrechtssicht ist die Situation eine andere: Nach Auffassung der UN-Menschenrechtsexpertin Agnes Callamard ist die gezielte Tötung Soleimanis wahrscheinlich ein Verstoss gegen internationales Recht.
"Rechtfertigungen für solche Tötungen sind sehr eng definiert, und es ist schwer vorstellbar, wie eine davon auf diese Tötungen angewendet werden kann", twitterte die unabhängige Berichterstatterin des UN-Menschenrechtsbüros für aussergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen. Die französische Politikwissenschaftlerin arbeitet an der Columbia-Universität in New York.
Der Einsatz von Drohnen oder anderen Mitteln für gezielte Tötungen sei ausser bei aktiven Kampfhandlungen fast nie legal. Tödliche Gewalt sei höchstens erlaubt, wenn unmittelbar Gefahr für Leben bestehe. "Dass jemand in der Vergangenheit an Terrorangriffen beteiligt war reicht nicht aus, um eine solche Tötung legal zu machen", betont Callamard.
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