Zwei Tage nach dem Grossangriff der Hamas auf Israel offenbaren sich auf israelischer wie palästinensicher Seite entsetzliches Leid und Zerstörung. Die USA positioniert sich bereits offensiv auf Seiten Israels.

Mehr News zum Krieg in Nahost

Nach dem beispiellosen Angriff der islamistischen Hamas auf Israel werden immer neue grausame Details bekannt. So fanden Einsatzkräfte allein auf einem Festival-Gelände in der Negev-Wüste mindestens 260 Leichen, wie die Nachrichten-Website Ynet unter Berufung auf den Rettungsdienst Zaka am Sonntagabend berichtete.

Nach übereinstimmenden israelischen Medienberichten vom Sonntagabend starben bei dem Grossangriff auf israelischer Seite mindestens 700 Menschen. Bei Gegenangriffen Israels wurden mindestens 413 Menschen im Gazastreifen getötet, wie das Gesundheitsministerium in Gaza am Sonntagabend mitteilte.

Deutsche Politiker stellen Palästinenser-Hilfen infrage

Laut CDU-Politiker Kiesewetter sieht der nächste Bundeshaushalt rund 350 Millionen Euro Hilfen für die Palästinensische Autonomiebehörde vor. Politiker fordern nun, diese Zahlungen zu überprüfen. (Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)

Die islamistische Hamas hatte am Samstagmorgen von Gaza aus überraschend Raketenangriffe gegen Israel begonnen. Gleichzeitig drangen bewaffnete Palästinenser über Land, See und Luft nach Israel vor. Hamas-Kämpfer nahmen Geiseln in mehreren israelischen Ortschaften und verschleppten zudem auch Dutzende Menschen in den Gazastreifen. Die Kämpfe und der Beschuss dauerten am Sonntag an.

Als Antwort auf den blutigen Überfall der Hamas hat Israel den Kriegszustand erklärt. "Der Krieg, der Israel durch eine mörderische Terrorattacke aus dem Gazastreifen aufgezwungen wurde, hat am 7. Oktober 2023 um 06.00 Uhr begonnen", teilte Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag mit. Der Kriegszustand erlaube "weitreichende militärische Schritte".

USA verlegen Kriegsschiffe in die Region

Die USA verlegen als Reaktion den Flugzeugträger "USS Gerald R. Ford" und weitere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer. Ausserdem seien Vorbereitungen getroffen worden, um Luftwaffengeschwader der Air Force mit ihren Kampfjets in die Region zu verlegen, teilte das US-Verteidigungsministerium am Sonntag mit. Die USA würden zudem den israelischen Streitkräften zusätzliche Ausrüstung und Munition zur Verfügung stellen, kündigte Verteidigungsminister Lloyd Austin an.

Videos zeigen Schüsse auf Festival-Teilnehmer

Hamas-Kämpfer attackierten am Samstag auch die Teilnehmer eines Musikfestivals nahe der Grenze zum Gazastreifen und verschleppten auch zahlreiche Menschen. Medien zitierten Augenzeugen, die von einem Massaker sprachen. Im Netz kursieren Videos, die zeigen sollen, wie die Feiernden vor den Schüssen der Angreifer fliehen.

Unklar war, warum Israel so überrascht wurde. Zahlreiche Einwohner der attackierten Ortschaften berichteten, sie hätten stundenlang vergeblich auf Hilfe von Sicherheitskräften gewartet. Am Sonntag gelang es der israelischen Armee nach Medienberichten, viele Orte wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Dabei wurden immer wieder weitere Leichen getöteter Bewohner gefunden.

Nach Angaben des israelischen Militärs vom Sonntagabend waren noch immer palästinensische Angreifer im Land. Ein Teil der Eindringlinge sei getötet worden, ein Teil sei jedoch noch vor Ort, sagte ein Sprecher.

Über 100 Menschen von der Hamas verschleppt

Bei ihrem Grossangriff tötete die Hamas nicht nur Hunderte Israelis, sondern verschleppte nach offiziellen israelischen Angaben auch mehr als 100 Menschen in den Gazastreifen. In Medienberichten war sogar von bis zu 170 Entführten die Rede. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich darunter auch deutsche Staatsangehörige befinden. Das Auswärtige Amt in Berlin geht davon aus, dass es sich um Menschen handelt, die alle neben der deutschen auch die israelische Staatsangehörigkeit haben.

Israel führte als Reaktion auf den Angriff auch am Sonntag weiter Angriffe auf Ziele der Hamas im Gazastreifen durch. Durch die Luftangriffe seien im Gazastreifen mindestens 413 Menschen getötet und 2300 verletzt worden, teilte das dortige Gesundheitsministerium am Sonntagnachmittag mit. Die Hamas nutzt nach Angaben des israelischen Militärs häufig zivile Gebäude für ihre Stellungen.

Scholz sagt Israel unverbrüchliche Solidarität zu

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Israel als Reaktion auf den grossangelegten Angriff der islamistischen Hamas die volle Solidarität Deutschlands zugesagt. Er habe Regierungschef Netanjahu in einem Telefongespräch versichert, "dass Deutschland angesichts dieses furchtbaren Angriffs fest und unverbrüchlich an der Seite Israels steht", sagte Scholz. Das Entwicklungsministerium kündigte an, es werde sein gesamtes Engagement für die Palästinensischen Gebiete auf den Prüfstand stellen.

Der Überraschungsangriff der Hamas startete fast genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973. Der damalige Angriff feindlicher arabischer Staaten auf Israel am höchsten jüdischen Feiertag gilt als bislang schwerstes nationales Trauma.

Lesen Sie auch: Ziel der Hamas ist die Vernichtung Israels

Israels Präsident Izchak Herzog hat den Iran für den Grossangriff der Hamas mitverantwortlich gemacht. Die "unverzeihliche Sünde" sei nicht nur "von einer mörderischen Terrororganisation angeführt" worden, "sondern auch von einer bösen Achse, deren Basis im Iran liegt", sagte er am Sonntagabend in einer Ansprache an die Nation. Irans Stellvertreter arbeiteten unermüdlich daran, Israel zu zersetzen.

Die eng mit dem Iran verbündete Schiitenorganisation Hisbollah übernahm am Sonntag die Verantwortung für einen Raketenbeschuss aus dem Südosten Libanons auf von Israel besetzte Gebiete.

Netanjahu: Nehmen Rache

"Wir werden alle Orte, an denen die Hamas organisiert ist und sich versteckt, in Trümmerinseln verwandeln", sagte Netanjahu in einer Ansprache. Bewohner des Gazastreifens forderte er auf: "Flieht jetzt von dort, denn wir werden überall und mit all unserer Kraft handeln". Israel werde Rache nehmen. Israel rief die Verteidigungsaktion "Iron Swords" (Eiserne Schwerter) aus und berief Reservisten ein. Ziel sei, die militärischen und politischen Kapazitäten der Hamas und des Islamischen Dschihad so zu zerstören, "dass sie für viele Jahre nicht mehr in der Lage und bereit sind, die Bürger Israels zu bedrohen und anzugreifen", hiess es nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts.

Gefährdung von Juden auch ausserhalb Israels befürchtet

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wies auf die Bedrohung jüdischen Lebens auch anderswo hin: "Die Gefährdung für jüdische Einrichtungen auch hier in Deutschland zeigt, dass es den Terroristen nicht allein um Israel geht, sondern dass jüdisches Leben überall von ihnen infrage gestellt wird." Im ägyptischen Alexandria starben am Sonntag zwei israelischen Touristen bei einem mutmasslichen Anschlag als ein Angreifer das Feuer auf eine Reisegruppe eröffnete.

Vertreter von Muslimen in Deutschland verurteilten die Angriffe der islamistischen Hamas und warnten vor Auswirkungen auf Deutschland. "Angesichts des Konflikts im Nahen Osten dürfen jüdische und muslimische Gotteshäuser und Einrichtungen in Deutschland nicht zur Projektionsfläche dieser gewalttätigen Auseinandersetzung werden", forderte der Koordinationsrat der Muslime, die Dachorganisation der grössten islamischen Organisationen in Deutschland. (dpa/best)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © Ilia Yefimovich/dpa