Mit dem Nato-Veto gegen Österreich greift die Türkei das schwächste Glied in der EU-Kette an. Die Regierung in Wien ist daran nicht ganz unschuldig. Die Union soll sich trotzdem nicht auseinander dividieren lassen.
Dass Rot, Schwarz und Grün mit einer Stimme sprechen, ist selten. Heute ist so ein Tag. In einer gemeinsamen Aussendung verurteilten die Heeres-Sprecher der drei Parteien das Türkei-Veto gegen österreichische Nato-Einsätze. "Inakzeptabel", sei das, man erwarte sich eine klare Haltung der übrigen Mitgliedsländer des transatlantisches Verteidigungsbündnisses.
Hannes Weninger (SPÖ), Reinhold Lopatka (ÖVP), Hubert Fuchs (FPÖ) und Peter Pilz (Grüne) sind am Mittwoch in die georgische Hauptstadt Tiflis geflogen, wo Ende der Woche die parlamentarische Versammlung der 22 Natoländer tagt. Im Gepäck haben die Emissäre aus den Österreich nicht viel mehr als ihre Argumente. Denn die neutrale Alpenrepublik ist nicht Teil des Verteidigungsbündnisses und hat daher formal nichts zu entscheiden. "Unser militärisches Gewicht ist gering", erklären die drei Abgeordneten. Umso wichtiger sei freilich die Rolle Österreichs als globaler Friedensstifter.
Ob das kleine Österreich auf die Solidarität andere Natoländer bauen kann, wird sich frühestens am Freitag weisen. Eine solche dürfte sich zunächst wohl nur als symbolische Geste zu erkennen geben. Entscheidend wird sein, ob die Anliegen Österreichs in Zukunft ernst genommen werden.
Kurzfristig ändert sich wenig
Denn kurzfristig ändert sich durch das angekündigte Veto aus Ankara wenig. Die aktuellen Friedenseinsätze – etwa in Bosnien oder im Kosovo, wo österreichische Truppen durchaus tonangebend sind – bleiben bestehen. Bei Aufstockungen der Zahl der Soldaten oder neuen Einsätzen wäre Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil allerdings auf die Unterstützung anderer Länder angewiesen. Es wird komplizierter, aber nicht unmöglich.
Der unfreundliche Akt aus Ankara markiert den Höhepunkt einer Eskalationsspirale zwischen der in die Diktatur abgleitenden Türkei und Österreich. Ganz unschuldig sind die Regierenden in Wien daran nicht. Kaum ein anderes EU-Land hat sich in der Vergangenheit so deutlich gegen die geplante Aufnahme der Türkei in die Union gesträubt – zu einer Zeit, als sich das Land noch grosse Mühe gab, menschenrechtlichen Standards zu entsprechen. Dass die Türkei ins Totalitäre kippt ist auch eine Reaktion darauf, dass dem Land von Seiten der EU nicht ganz fair mitgespielt wurde. Das soll keine Entschuldigung sein, aber eine Erklärung.
"Es gb eine Spirale destruktiver Politik von beiden Seiten", sagt der türkischstämmige Publizist und ehemalige Grüne Bundesrat Efgani Dönmez. "Der österreichische Umgang mit den Beitrittsbestrebungen war nicht ganz ehrlich. Das hat die Türkei gekränkt."
Viele Irritationen in den vergangenen Jahren
Was die Irritationen der vergangenen Jahre betrifft, ist Österreich mit seiner Position freilich nicht allein. Weder das angedachte Auftrittsverbot für wahlkämpfende AKP-Politiker, noch das entschiedene Vorgehen gegenüber der Bespitzelung und Einschüchterung von Austrotürken durch AKP-nahe Organisationen waren Alleingänge der rot-schwarzen Regierung in Wien. Hier handelte Österreich in Absprache und im Einklang mit andere EU-Ländern.
Wenn sich die Türkei nun also auf Österreich einschiesst, hat das auch damit zu tun, dass die neutrale Alpenrepublik militärisch das schwächste Glied in der Kette ist. Andere, militärisch stärkere Länder wie Deutschland oder Frankreich, wären gut beraten, Wien beizustehen. Die trotzige Reaktion aus Ankara richtet sich bloss vordergründig nur gegen Wien. Im Prinzip ist es ein unfreundlicher Akt gegen die Grundwerte der Europäischen Union.
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