Manchmal reicht ein einziges Wort, um eine Flut von Häme, Spott oder Hass auszulösen. In Dresden hat es der Stadtrat mit dem Begriff "Nazinotstand?" geschafft - auch wenn das Wort mit einem Fragezeichen versehen ist.
Es ist gut gemeint gewesen, ruft aber sehr unterschiedliche Reaktionen hervor: Als der Stadtrat seine Sorge über menschenfeindliche und rechtsextremistische Einstellungen und Taten in Dresden ausdrückt und sich für eine Stärkung von Demokratie und Zivilgesellschaft ausspricht, stösst das auf viel Zustimmung.
Doch die Sache hat einen Haken: Die Erklärung des Stadtrates beinhaltet das provokante Wort "Nazinotstand?" - und obwohl der Begriff mit einem Fragezeichen versehen ist, führt er zu grossen Diskussionen.
Kritik an Wortwahl: Verheerende Aussenwirkung
FDP-Politiker Torsten Herbst aus Dresden hält die Wortwahl für verheerend. Als er 2017 in den Deutschen Bundestag einzog, sei er von Parteifreunden und anderen immer wieder auch nach dem rechten Image von Dresden gefragt worden, erinnert er sich.
Aufmärsche von Neonazis aus ganz Deutschland und dem Ausland zum Jahrestag der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg hatten Dresden vor allem in der Zeit nach der Jahrtausendwende in die Schlagzeilen gebracht.
Auch die Proteste der islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung haben das Image einer Stadt beschädigt, die sich gern ihrer reichen Kultur rühmt und immer wieder ihre Weltoffenheit betont.
Hat Dresden ein Problem mit Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus?
Wer nun nur die Überschrift der Dresdner Stadtrat-Erklärung lese, könne auf den Gedanken kommen, es würden Nazi-Horden durch die Stadt laufen, meint Herbst. Man solle mit Blick auf die Historie und wirkliche Notsituationen vorsichtiger bei der Sprachwahl sein: "Da schadet sich die Stadt selbst."
Das Dresdner Bündnis "Herz statt Hetze", das erst kürzlich beim Jahrestag der Pegida-Bewegung mehrere Tausend Gegendemonstranten mobilisierte, hält dagegen.
Die Bezeichnung "Nazinotstand" sei sicher plakativ, aber: "Das Problem von Dresden ist nicht, dass die offensichtlichen Dinge ausgesprochen werden, sondern, dass Dresden nun mal ein grosses Problem mit immer offener zutage tretendem Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus hat."
"Nazinotstand" trifft Tourismusverband hart
Auch Stadtrat Max Aschenbach von der Satirepartei Die Partei hatte in einer Rede gesagt: "Diese Stadt hat ein Problem mit Nazis". Der "Nazinotstand" geht auf die Initiative seiner Partei zurück.
Der Tourismusverband Dresden sieht in der Verwendung des Begriffes "Nazinotstand" einen schweren Schlag. Die vom Stadtrat verwendete Wortwahl stelle allerdings nicht nur die Stadtbevölkerung unter Generalverdacht, sie beschädige auch das Ansehen Dresdens als weltoffene und gastfreundliche Stadt massiv.
Verbandschef Johannes Lohmeyer verweist auf steigende Touristenzahlen aus dem Ausland: "Von einem Notstand ist weit und breit nichts zu sehen."
Dresden-OB Hilbert: Sind noch nicht über den Berg
Dresdens Stadtoberhaupt Dirk Hilbert (FDP) versucht, die Gemüter zu beruhigen: "Ich werde mich als Oberbürgermeister nicht an dieser sprachlichen Eskalation beteiligen, sondern vielmehr meine Arbeit für ein offenes, lebenswertes und demokratischen Dresden fortsetzen."
Wenn sich der Stadtrat damit selbst verpflichte, jetzt viel stärker zu handeln und Präsenz zu zeigen, dann könne er das nur begrüssen, sagte Hilbert. Der Titel sei aber nicht geeignet, das Thema zu beschreiben.
Es sei Aufgabe der Demokraten, nationalsozialistischem und rassistischem Denken den Nährboden zu entziehen und den politischen Wettbewerb gegen den Rechtspopulismus zu gewinnen: "Das alles mag an vielen Stellen deutlich mühsamer sein als Appelle zu beschliessen und Schlagzeilen zu produzieren, es ist aber der einzig richtige Weg."
Als Hilbert 2015 ins Amt kam, war Pegida auf dem Höhepunkt, wurden auch in Dresden Flüchtlingsunterkünfte angegriffen. Für ihn war es eine dringliche Aufgabe, den Ruf der Stadt wieder herzustellen. Touristen- und Studentenzahlen sind inzwischen gestiegen. Hilbert sieht einen Erholungseffekt. "Ich würde mich aber nie und nimmer zurücklehnen und sagen, wir sind da über den Berg." (hub/dpa)
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