Mit seinem Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Erdogan ist Jan Böhmermann in der letzten Woche wieder ein grosser Coup gelungen. Sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt. In der gestrigen Sendung von "Neo Magazin Royale" warteten nun alle darauf, ob der Moderator noch einmal nachlegen würde. Was er tat. Wenn auch anders als erwartet.

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Für einen Komiker muss das wohl so etwas wie der Ritterschlag sein: Angela Merkel lässt öffentlich durch ihren Pressesprecher erklären, dass das Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan "bewusst verletzend" sei.

Sie telefoniert deswegen sogar mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Es droht Gefängnis. Ein grösserer PR-Gag ist Jan Böhmermann seit dem erfundenen oder auch nicht erfundenen Stinkefinger von Varoufakis nicht gelungen.

Den Coup verdankt er dem NDR-Satire-Magazin "Extra 3". Das veröffentlicht vor ein paar Wochen ein harmloses Spottlied auf Erdogan, musikalisch unterlegt von Nenas Hit "Irgendwie, irgendwo, irgendwann". Die Gemüter kochen über, man droht mit Zensur. Erwartungsgemäss beginnt die übliche Diskussion, was Satire dürfe und was nicht.

Nichts funktioniert besser im Netz als Hass

Böhmermann legt kurz darauf in seiner eigenen Sendung "Neo Magazin Royale" nach. Um den Unterschied zwischen Pressefreiheit, Satire und einer Schmähkritik zu verdeutlichen (letztere ist in Deutschland strafbar), liest er in der Show vom 31. März mit breitem Grinsen ein Gedicht vor.

Kinderpornos, Gummimasken, Ziegen und ein Schweinefurz sind nur einige der Begriffe, die darin im Zusammenhang mit Erdogan fallen. So etwas dürfe man in Deutschland nicht, erklärt Böhmermann. Und kündigt an, dass das ZDF diesen Beitrag wahrscheinlich aus der Mediathek löschen wird. Was bereits am nächsten Tag der Fall ist.

Auch die Medien reagieren wie gewohnt und berichten ausführlich. Manche mutmassen sogar, Böhmermann sei ein Rassist. Obwohl er sich in der gleichen Sendung in Rammstein-Manier ("Be Deutsch") über die neue deutsche Rechte lustig macht.

Eine Bilderbuchanleitung für einen kalkulierten Skandal mit maximaler Aufmerksamkeit. Denn niemand weiss so gut wie Böhmermann, dass im Netz nichts besser funktioniert als Hass.

Also blickten am gestrigen Abend alle gespannt auf die nächste Ausgabe des "Neo Magazin Royale". Würde Böhmermann man noch einmal nachlegen? Oder schweigen?

Erst einmal passiert - nichts

Zunächst einmal geschieht in der Sendung - nichts. Eröffnungsmonolog, ein paar Witze über die AfD, Til Schweiger und Saarländer, die Sex mit Tieren haben. Das Übliche eben.

Danach noch ein paar laue Gags über den Online-Shop des Schauspielers. Halbwegs amüsant, aber nicht das, worauf die Zuschauer warten.

Bis Anne Will das Studio als Talkgast betritt. Nachdem die beiden ein wenig um das Thema herumdrucksen und Böhmermann jeweils schweigt, fragt Will direkt: "Wir haben demnächst das Thema Türkei in der Sendung. Hättest du Lust?"

Böhmermann kontert: "Wie ist dein Verhältnis zu Günther Jauch, um mal eine gleichwertige Frage zurückzugeben?" In Anspielung darauf, dass Will für den Moderator den Sendeplatz in der ARD wechseln musste.

Den Rest der Zeit diskutieren die beiden über den perfekten Handschlag. Wie schon in der letzten Woche mit Autorin Ronja von Rönne. Das war's.

"Eine kleine schmierige Sendung"

Aber natürlich hat sich Böhmermann für den Schluss noch etwas ganz Besonderes aufgehoben. Was das ist, das weiss man aber auch nach dem Betrachten nicht so wirklich.

Plötzlich sitzt der Moderator in Wills Talkshow. Sie fragt ihn, ob er sich denn überhaupt mit diesem Internet auskenne. Er antwortet: "Wir sind eine kleine schmierige Sendung von Losern für Loser, in die du übrigens herzlich eingeladen bist."

In den nächsten Minuten springt er von einem wirren Clip zum nächsten, der Moderator bewegt sich durch die Fernsehwelt. Böhmermann in einer spanischen Telenovela, als Dittsche an der Theke, beim "Perfekten Promi Dinner", er steigt aus seinem eigenen You-Tube-Kanal.

Analog zu "Und täglich grüsst das Murmeltier" ist er irgendwann in einer TV-Schlaufe gefangen und beginnt immer wieder von vorne. Er spielt in einem Werbespot, fällt aus dem Fernsehbild in den Greenscreen des Vorspanns, in einen Comic – so viel wirren Wahnsinn hat schon lange keiner mehr in ein paar TV-Minuten gepackt. David Lynch hätte seine Freude daran gehabt.

Eine Erklärung für all das bietet Böhmermann nicht. Hat er gerade seinen eigenen Irrsinn vor die Kamera gebracht, als Ausrede für den "Ausrutscher" gegen den türkischen Präsidenten? "Sorry, war nicht so gemeint, ich bin einfach durchgeknallt?"

Oder macht da einer einfach was er will und freut sich am nächsten Tag wie ein kleiner Junge, was alles in diese Szenen hineininterpretiert wird?

"Die Show ist jetzt zu Ende, die Wirklichkeit geht los", sagt Böhmermann ganz am Schluss, als er noch einmal vor die Kamera tritt. Dendemann rappt dazu: "Wir sind das Neo Magazin, frei und radikal."

Nie hat das so sehr gestimmt, wie an diesem Abend.

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